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10 000 Euro für Hinweise

Wer tötete die Wölfin und versenkte sie im Stausee Mortka? „Die Belohnung soll Mitwissern die Zunge lockern“, sagt Brigitte Sommer vom Verein Wolfsschutz Deutschland.

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© dpa

Bautzen. Das Landeskriminalamt hat bisher noch keinen entscheidenden Tipp bekommen. Seit Mitte Juni ermitteln die Beamten im Fall einer erschossenen und im Stausee Mortka versenkten Wölfin. Hinweise auf den Fall gibt es bisher keine – auch nicht, seit der Verein Wolfsschutz Deutschland eine Belohnung von sage und schreibe 10 000 Euro ausgesetzt hat. Woher nimmt ein Verein so viel Geld? Und warum tut er das? Die SZ hat bei der Vorsitzenden, Brigitte Sommer, im hessischen Hanau nachgefragt.

Vereinsvorsitzende Brigitte Sommer (56) ist Journalistin, Fotografin und langjährige Naturschützerin.
Vereinsvorsitzende Brigitte Sommer (56) ist Journalistin, Fotografin und langjährige Naturschützerin. © PR

Frau Sommer, Ihr Verein lobt 10 000 Euro für Hinweise auf den Mörder eines Wolfes aus. Warum tun sie das?

Weil der Wolf seit 20 Jahren wieder in Deutschland zurück ist, und weil wir nicht wollen, dass er wieder ausgerottet wird. Der Wolf steht unter strengem Artenschutz. Wir wollen, dass Gesetze eingehalten werden. Dass das leider nicht so ist, sieht man ja an der aktuellen Straftat aus Mortka. Wir wollen, dass der oder die Täter mit aller Härte des Rechtsstaats bestraft werden. Die Belohnung soll Mitwissern die Zunge lockern.

Wolfsschutz Deutschland

Der Verein hat nach eigenen Angaben derzeit bundesweit 75 Mitglieder, darunter Biologen, Ökologen, Natur- und Umweltschützer, auch Lehrer, eine Juristin und eine Kriminologin.

Seinen Sitz hat der bundesweit agierende Verein in Neißeaue im Kreis Görlitz. Die Vorsitzende arbeitet in Hanau in Hessen.

Gegründet hat sich der Verein eigenständig im Januar 2018. Zuvor waren die Mitglieder in der Grünen Liga eingegliedert.

Ansprechpartner für die Oberlausitz ist Diplom-Biologe Alexander Januszkiewicz, der dafür 2015 aus Bayern extra nach Görlitz gezogen ist. Kontakt über die Webseite: www.wolfsschutz-deutschland.de

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Woher nimmt ein Verein so viel Geld?

Die Summe stammt gar nicht allein vom Verein. Wir selbst haben 1 000 Euro zusammengebracht, weitere 2 000 Euro kommen von einem privaten Fördermitglied. 4 000 Euro hat die Facebook-Gruppe „Wolf ja bitte“ zusammengesammelt, und 3 000 Euro hat ein Jäger privat dazugegeben.

Ein Jäger?

Ja, warum denn nicht?

Jäger sind doch ausgesprochene Gegner des uneingeschränkten Wolfsschutzes.

Es sind eben nicht alle Jäger gegen den Wolf. Manche sagen auch, dass der Wolf ihnen hilft, den Wildbestand gesund zu halten. Und so ist es ja auch. Während die Jäger vor allem nach Trophäen Ausschau halten und deshalb oft die stärksten Tiere aus einem Rudel schießen, holt sich ein Wolf die schwächsten. Das hilft, den Wildbestand gesund und kräftig zu halten. Als sehr traurig empfinden wir es, dass die Jäger, die das so sehen, anonym bleiben müssen, weil sie Repressalien befürchten müssen und sogar schon bedroht worden sind.

Sie haben angekündigt, in der Oberlausitz auf Antiwilderer-Patrouille gehen zu wollen. Was muss man sich darunter vorstellen?

Vereinsmitglieder und Unterstützer sind mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß regelmäßig in den Gegenden unterwegs, in denen Wölfe leben. Die Wilderer sollen wissen, dass sie sich nicht unbeobachtet fühlen können.

Das klingt spannend. Dürfen wir so eine Patrouille mal begleitet?

Nein. Wir wollen und müssen unsere Mitglieder schützen. Genauso wie die Jäger, die kein Problem mit dem Wolf haben, müssen auch sie anonym bleiben. Sie machen da einen Job, der für sie nicht ganz ungefährlich ist. In der Region hat sich die Wolfsgegnerschaft stark organisiert. Das sieht man ja auch daran, dass es eben bisher noch überhaupt keinen Hinweis auf den Täter von Mortka gegeben hat – trotz der hohen Belohnung.

Erst am Dienstag hat es wieder einen Wolfsriss in Oppitz bei Königswartha gegeben. Haben Sie denn kein Verständnis für die Tierhalter, die immer wieder den Tod von ihren Schafen und Ziegen beklagen müssen?

Nein, ganz ehrlich. Verständnis habe ich nicht. Mitgefühl und Mitleid mit den Tieren schon. Aber das ist etwas anderes. Zum Teil werden die Tiere so schlecht geschützt, dass man von Anfüttern sprechen muss. Wir brauchen das Verständnis dafür, dass wir mit den Wölfen in einer Kulturlandschaft leben können, auch in einer dicht besiedelten. Die Wolfsforschung sagt ganz klar, dass es nicht helfen würde, einzelne Tiere abzuschießen, um die Herden zu schützen. Herdenschutz sieht anders aus, und richtig angewendet wirkt er auch.

Beim Rosenthaler Rudel wirkt der Herdenschutz aber offenbar nicht.

Da sind wir anderer Meinung. Bei unseren Kontrollen vor Ort haben wir gesehen, dass viele Zäune eben nicht fachgerecht stehen. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass manche Zäune gar nicht unter Strom standen. In einem Fall in Brandenburg, den wir dokumentiert haben, war der Abstand vom Stromnetz zum Boden 40 Zentimeter hoch. Da kommt natürlich jeder Wolf bequem drunter durch. Erst vorige Woche hatten wir einen Fall in Cunnewitz, wo das Flatterband direkt auf dem Zaun gespannt war und eben nicht 20 Zentimeter darüber, wie es gedacht ist.

Viele Schafhalter sagen, sie können die immer höheren Anforderungen an den Herdenschutz gar nicht mehr stemmen – weder finanziell noch zeitlich. Was sagen Sie denen?

Dass es gute Beispiele gibt, wie es gehen kann. Für große Herden lohnen sich Herdenschutzhunde. Es gibt auch einen Hobbyschafhalter im Gebiet des Rosenthaler Rudels, der seine Tiere tagsüber mit einem Festzaun unter Strom einzäunt und sie nachts in den Stall holt. Er hat noch kein Schaf verloren.

Viele andere Tierhalter aber schon. Seit es das Rosenthaler Rudel gibt, hat es schon knapp 250 Nutztiere auf dem Gewissen. Deshalb hat sich der Landkreis Bautzen auf den Ausnahmefall berufen und den Abschuss eines Wolfes verfügt. Auch das Umweltministerium hat dem zugestimmt.

Und wir haben – zu der Zeit noch unter dem Dach der Grünen Liga – die Klage finanziert. Der einstweiligen Verfügung gegen den Abschuss ist stattgegeben worden. Die Klage liegt jetzt beim Verwaltungsgericht Dresden und ist noch nicht verhandelt. Wir hoffen, dass das Gericht der grünen Liga recht gibt. Wölfe sind europaweit streng geschützte Tiere, das muss man auch in Deutschland akzeptieren. Wir wollen in Zukunft eigenständig gerichtlich gegen Beschlüsse von Wolfsabschüssen vorgehen. Unser Verein unterstützt und berät aber auch Weidetierhalter, die ihrerseits bereit sind, ihre Tiere mit den richtigen Maßnahmen zu schützen.

Gespräch: Jana Ulbrich