Chemnitz
Merken

14 Jahre Haft für Mord an jungem Mann

Drei Deutsche sollen im April 2018 in Aue einen 27-Jährigen auf brutale Weise getötet haben. In Chemnitz wurden die Täter nun verurteilt.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Die Schwurgerichtskammer am Landgericht Chemnitz verhängte am Freitag gegen den 27 Jahre alten Haupttäter eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Die beiden 22 Jahre alten Mittäter wurden zu jeweils elf Jahren Haft verurteilt.
Die Schwurgerichtskammer am Landgericht Chemnitz verhängte am Freitag gegen den 27 Jahre alten Haupttäter eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Die beiden 22 Jahre alten Mittäter wurden zu jeweils elf Jahren Haft verurteilt. © Peter Endig/ZB/dpa

Chemnitz. Sie haben dem jungen Mann alles genommen: Das Gesicht, die Würde und schlussendlich auch das Leben. Knapp 14 Monate nach dem der brutalen Tötung eines Homosexuellen in Aue endete der Prozess am Landgericht Chemnitz mit langen Haftstrafen für die drei Täter wegen Totschlags. Die Schwurgerichtskammer verhängte am Freitag gegen den mit 27 Jahren ältesten Angeklagten und ausgemachten Rädelsführer am Freitag eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren.

Die beiden 22-jährigen Mittäter wurden jeweils zu 11 Jahren verurteilt. Überdies ordnete die Kammer für beide vor Haftantritt eine Entziehungstherapie im Maßregelvollzug für zwei Jahre und fünf Monate an. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass die drei Deutschen am 17. April 2018 in Aue einen 27-Jährigen auf brutale Weise getötet haben, verneinte aber Mordmerkmale. "Sie haben in menschenverachtender Weise einen Menschen getötet", sagte die Vorsitzende Richterin Simone Herberger in der Urteilsbegründung.

Mit dem Urteil folgte das Gericht den Anträgen der Staatsanwaltschaft nur zum Teil. Diese hatte für den Haupttäter eine Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Haft beantragt. Für die beiden 22-Jährigen plädierte er auf Haftstrafen von dreizehneinhalb bzw. zwölfeinhalb Jahren. Für einen der 22-Jährigen ist das Urteil bereits rechtskräftig. Er nahm die Strafe noch im Gerichtssaal an. Die anderen Täter sowie die Staatsanwaltschaft prüfen Rechtsmittel.

Die Tat hatte allein schon wegen ihrer ungeheuren Brutalität für Aufsehen gesorgt. Das Trio habe ab einem bestimmten Zeitpunkt "mit absolutem Vernichtungswillen gehandelt", sagte Staatsanwalt Stephan Butzkies. "Es war eine Handlung, die außergewöhnlich für die Kammer bleibt", betonte die Vorsitzende Richterin.

Der halbjährige Prozess hatte die Scheußlichkeiten des Verbrechens detailliert ans Licht gebracht. Christopher W., das 27 Jahre alte Opfer, war eigentlich ein Freund seiner Peiniger. Mit zwei der Angeklagten lebte er im betreuten Wohnen im gleichen Haus. Gemeinsam hingen die Berufs- und Arbeitslosen auf dem Postplatz ab, tranken, nahmen Drogen, stritten und versöhnten sich wieder.

"Sie haben den ganzen Tag sinnlos verbracht", sagte die Richterin an die Angeklagten gewandt. W. war lebensfroh, fröhlich - und wurde von seinen "Freunden" unverschämt ausgenutzt. "Er hat schon als Opfer in ihrer Gemeinschaft gelebt", sagte die Richterin.

Am Tag seines Todes durchlitt der 27-Jährige ein Martyrium. Vollkommen enthemmt schlug das Trio ihn, trat ihn, schnitt ihm in seine Arme und in sein Gesicht. Bis der schmächtige Mann in einer Grube lag und die Täter vom Grubenrand eine 23 Kilogramm schwere Tür ein halbes Dutzend Mal wie eine Ramme in sein Gesicht stießen.

Die Obduktion ergab als Todesursache eine Hirnstammprellung und -zertrümmerung bei offenen Brüchen des Gesichts. "Wir haben Verletzungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind", hatte Rechtsmediziner Christian König berichtet. Er sei 30 Jahre im Fach und habe erst ein Mal Vergleichbares gesehen, sagte der Gutachter.

Wie es zu dem grausamen Verbrechen kommen konnte, blieb unklar. War es Milieukriminalität? Den Aussagen der Angeklagten zufolge wollten sie Christopher nur eine Lektion erteilen, weil dieser Unwahrheiten erzählt haben soll. "Ich scheitere daran, eine Erklärung für diese Tat zu finden", sagte der Staatsanwalt im Plädoyer. Richterin Herberger sprach abschließend von einem "Motivbündel".

Begleitet wurde der Prozess von Kontroversen über die politische Einordnung der Bluttat. In der Kriminalstatistik wird das Verbrechen mit rechtem Motiv geführt. Die Antonio-Amadeu-Stiftung führt das Opfer als 195. Todesopfer durch rechte Gewalt. Der Staatsanwalt, der psychiatrische Gutachter und letztlich auch die Kammer sahen das anders. Sie machten kein rechtes Motiv für die Tat aus.

Auch zwei der drei Verteidiger gingen in ihren Schlussvorträgen darauf ein. Anwalt Andreas Baumann betonte, dass zwar rechtes Gedankengut nicht von der Hand zu weisen sei, dies aber bei der Tat keine Rolle gespielt habe. Und dessen Kollege Hans-Ulrich Biernert erklärte: "Eine rechtspolitische Motivation hat sich nicht gezeigt."

Die für die statistische Einordnung zuständige Polizeidirektion Chemnitz hatte erklärte, die Einstufung sei wegen des möglichen homophoben Motivs erfolgt. Laut Definition des Bundeskriminalamtes zählen Straftaten "gegen eine Person wegen ihrer/ihres ... sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität" zur politisch motivierten Kriminalität. Staatsanwalt Butzkies verneinte nach dem Urteilsspruch auch dies: "Es gab keinen konkreten homophoben Auslöser für die Tat." (dpa)