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160 Verfahren – aber nur 17 Urteile

Die Krawalle auf dem Bautzener Kornmarkt beschäftigen weiter die Ermittler. Die wenigsten Fälle landen vor Gericht.

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© Archivfoto: dpa/Xcitepress

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Nacht für Nacht das gleiche Bild: Auch mehr als ein Jahr nach den schweren Krawallen auf dem Bautzener Kornmarkt ist die Polizei weiterhin sichtbar präsent in der Innenstadt. Zwar ist die Lage ruhig. Wie schnell die Situation aber dennoch eskalieren kann, hatte sich Ende Juli gezeigt. Doch nicht nur auf der Platte sind die Beamten gefordert. Denn noch immer beschäftigen Dutzende Verfahren von den Geschehnissen in den vergangenen Monaten die Polizisten. Die Zahl der Urteile gegen Beschuldigte ist indes vergleichsweise überschaubar. Die SZ hat nachgehakt und erklärt den aktuellen Stand der Ermittlungen

Wie viele Verfahren gibt es wegen der Auseinandersetzungen in Bautzen?

In der Vergangenheit kursierten in der Öffentlichkeit stetig wechselnde Zahlen über die laufenden Strafverfahren. Die Polizei verweist auf 160 Strafverfahren, die durch die seinerzeit gegründete Ermittlungsgruppe Platte bearbeitet wurden oder immer noch werden. Die Ermittlungsgruppe kümmert sich jedoch nur um Vorfälle, die sich zeitlich zwischen Mai 2016 und Mai 2017 einordnen lassen. Die übrigen Fälle – wie etwa die erneuten Auseinandersetzungen im Juli dieses Jahres – werden durch die Kriminalpolizei oder den Kriminaldienst des Reviers in Bautzen bearbeitet. Zudem nahmen die Ermittler auch Vorfälle unter die Lupe, die sich gar nicht in der Bautzener Innenstadt, sondern in Asylheimen oder gar in Radeberg oder Löbau abspielten. Diese Verfahren richten sich unter anderem lediglich gegen Beschuldigte, die auch bei anderen Taten in der Bautzener Innenstadt aufgefallen waren. Von den aufgezählten 160 Verfahren resultiert knapp die Hälfte aus dem September 2016 – jener Monat, als die Situation auf dem Bautzener Kornmarkt mehrfach eskalierte.

Wie viele Verdächtige wurden ermittelt und wie lauten die Vorwürfe?

Bezogen auf die 160 Verfahren richteten sich die bisherigen Ermittlungen der Polizei gegen 68 Deutsche und 31 Ausländer – etliche Verdächtige waren gleich mehrfach aufgefallen. Bei den Ausländern handelt es sich bei den meisten Beschuldigten um Syrer. Darüber hinaus weist die Statistik des Innenministeriums auch Verdächtige aus Libyen, Marokko, Algerien und Irak aus. Allein in einem Viertel aller Fälle geht es um gefährliche Körperverletzungen (siehe Kasten). Eine Reihe von Anzeigen gab es auch wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dahinter stecken etwa Hakenkreuze oder andere Nazisymbole, die auf der Kleidung zur Schau getragen werden, auch das Zeigen des Hitlergrußes zählt dazu. Bei 27 Straftaten sieht die Polizei ein rechtsextremes Motiv, in vier Fällen gehen die Beamten von einem Bezug zum Linksextremismus aus.

Wie viele Ermittlungsverfahren sind gegenwärtig noch offen?

Die Polizei verweist darauf, dass sie inzwischen 107 Verfahren abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft in Görlitz übergeben hat. Die übrigen 53 Verfahren liegen noch auf den Schreibtischen der Ermittler. Als Ursache für die vielen noch offenen Verfahren nennt Polizeisprecher Thomas Knaup unter anderem die komplexen Ermittlungen und die Vielzahl der Verfahren. Es gehe darum, die vorgeworfenen Taten den Verdächtigen sauber nachzuweisen.

Wie viele der ermittelten Täter sind bereits bestraft worden?

Von den 107 Verfahren, die die Polizei an die Staatsanwaltschaft übergeben hat, landete offenkundig nur ein sehr kleiner Teil vor den Gerichten. Die Statistik zählt lediglich 17 Verurteilungen und drei Strafbefehle auf. In 13 weiteren Fällen sei Anklage erhoben worden. Die allermeisten Strafverfahren wurden demnach allerdings eingestellt. In mehr als 30 Fällen geschah dies, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand. „Ein Verfahren ist zum Beispiel einzustellen, wenn Aussage gegen Aussage steht, andere Beweismittel nicht vorhanden sind und keiner der Aussagen ein erhöhter Glaubwürdigkeitswert zukommt“, sagt Till Neumann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Görlitz. Außerdem stellten die Staatsanwälte mehr als 20 Verfahren ein, weil den Beschuldigten in anderen gegen sie gerichteten Verfahren Strafen drohen, bei denen die erhobenen Vorwürfe und die daraus folgenden Strafen nicht mehr sonderlich ins Gewicht fallen würden.