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52. Lessing-Tage mit beachtlichem Start

Die Preisverleihung und die Matinee im Kamenzer Rathaus waren ein Plädoyer für die Unabhängigkeit der Kunst.

Von Frank Oehl
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Die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt gehört zum Ritual der Lessingpreisverleihung in Kamenz. Hier bedankt sich Marcel Beyer für die Gastfreundschaft der Stadt. Kunstministerin Eva-Maria Stange, Bettina Wilpert, OB Roland Dantz und Anja Kampmann (v.l.
Die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt gehört zum Ritual der Lessingpreisverleihung in Kamenz. Hier bedankt sich Marcel Beyer für die Gastfreundschaft der Stadt. Kunstministerin Eva-Maria Stange, Bettina Wilpert, OB Roland Dantz und Anja Kampmann (v.l. © Matthias Schumann

Kamenz. Der Beginn der 52. Lessing-Tage in Kamenz ist überaus gelungen. Mit der Lessingpreisverleihung am Sonnabend im Ratssaal und einer literarischen Matinee an gleicher Stelle am Sonntag. Das lag vor allem auch an den Protagonisten: Marcel Beyer (Jahrgang 1965) als Haupt- und Anja Kampmann (1983) sowie Bettina Wilpert (1989) als Förderpreisträger sind nicht nur engagierte Schriftsteller, die sich in den Widersprüchen unserer Tage behaupten, sondern legten auch eine Aufgeschlossenheit an den Tag, die keine Höflichkeitsfloskel war. Womöglich hat dazu auch die völlig unerwartete und recht erhebliche Preisgelderhöhung beigetragen, die das Kabinett in Dresden erst kurz zuvor beschlossen hat? Aber mehr noch schienen die drei Geehrten die erfahrene Gastfreundschaft in der Westlausitz zu genießen. Davon künden nun auch die Eintragungen ins Goldene Buch der Stadt. „Schön einmal in Kamenz zu sein“, schrieb zum Beispiel die Leipzigerin Bettina Wilpert.

Die Stadt Kamenz und der Lessing-Preis des Freistaates Sachsen – das ist nun seit mehr als einem Vierteljahrhundert ein unzertrennbares Doppel. Aller zwei Jahre blickt die literarische Welt hierher. Und nicht nur sie, weil die Kunst ja eine Sphäre der Weltwiderspiegelung ist, die sich mit anderen reiben muss. Mit der Politik, der Bildung ebenso wie mit der Wirtschaft, wobei dem Ökonomischen, wenn es denn erfolgreich ist, gewiss das stärkste Argument gegen die Unabhängigkeit eines Dichters und Denkers zur Verfügung steht: das Geld. Kunstministerin Eva-Maria Stange in ihrer kritisch-nachdenklichen Ansprache zur Preisverleihung: „Jede und jeder von uns kann sich nur zu gut vorstellen, welchen Schaden Kunst und Kultur nähmen, wenn ihre Autonomie verletzt würde.“ Im Goldenen Buch der Stadt gibt es keine Sphären-Vermengung, aber durchaus auch Nähe, wie OB Roland Dantz – selbst blätternd – den Preisträgern offenbarte: „Die letzten Eintragenden waren die Kanzlerin und Daimler-Chef Zetsche. Sie sind also in prominenter Gesellschaft.“

Es geht auch um Geld

Sowohl die Ministerin, als auch der OB nahmen den Start der Lessing-Tage zum Anlass, die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Region zu skizzieren. „Kamenz hat gekämpft und seine Würde behalten“, so der OB. Das Lessinggymnasium mit seiner über 100-jährigen Tradition werde in der Innenstadt ausgebaut, und die Lessing-Bibliothek komme dazu. Von 300 auf dann 1.000 Quadratmeter erweitert. Und die Ministerin nahm die Bedenken des OB zum „Strukturwandel in der Lausitz“ nach dem kommenden Kohleausstieg sofort auf: „Einen Bruch wie 1989/90 wird es nicht geben. Wir arbeiten bereits an einem Maßnahmekatalog. Wir brauchen nur noch das Geld dafür.“ Da war es wieder, das Geld.

Die 52. Lessing-Tage in Kamenz sind eröffnet. Sie halten weitere Höhepunkte bereit – mit einer deutlichen thematischen Öffnung. Zu Lessings Geburtstag am 23. Januar ist um 19 Uhr im Röhrmeisterhaus zum Beispiel Professor Dr. Carsten Gansel zu Gast. Unter dem Titel „Meinst Du, die Russen wollen ...?“ gewährt er Einblicke in den Alltag der Russen, ihr Denken und Fühlen sowie in aktuelle politische Debatten. Auch das ist also ein sphärenübergreifender Termin. Ob es noch Restkarten gibt, oder die Veranstaltung bereits ausverkauft ist – auch darüber ließe sich trefflich streiten. Bloß wozu? Hingehen!

Der große Aufklärer Lessing ist weiterhin die stärkste „Dachmarke“ der Stadt. Foto: Matthias Schumann
Der große Aufklärer Lessing ist weiterhin die stärkste „Dachmarke“ der Stadt. Foto: Matthias Schumann
Der Lessing-Preis des Freistaates ist jetzt insgesamt 35.000 Euro wert. Foto: Matthias Schumann
Der Lessing-Preis des Freistaates ist jetzt insgesamt 35.000 Euro wert. Foto: Matthias Schumann
Der Eintrag von Marcel Beyer und Bettina Wilpert. Foto: Matthias Schumann
Der Eintrag von Marcel Beyer und Bettina Wilpert. Foto: Matthias Schumann
Die literarische Matinee im Ratsaal wurde vom Literaturexperten Michael Hametner (M.) moderiert. Foto: Matthias Schumann
Die literarische Matinee im Ratsaal wurde vom Literaturexperten Michael Hametner (M.) moderiert. Foto: Matthias Schumann
Charlotte Herold, Nicolas Branny und Franziska Griese (v.l.) aus Dresden sorgten mit Beethoven und Dvorak für den musikalischen Rahmen der Ehrung. Foto: Matthias Schumann
Charlotte Herold, Nicolas Branny und Franziska Griese (v.l.) aus Dresden sorgten mit Beethoven und Dvorak für den musikalischen Rahmen der Ehrung. Foto: Matthias Schumann
Für das Lukullische beim Empfang im Rathaus sorgte diesmal die Kamenzer Bildungsgesellschaft. Foto: Matthias Schumann
Für das Lukullische beim Empfang im Rathaus sorgte diesmal die Kamenzer Bildungsgesellschaft. Foto: Matthias Schumann