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Minol-Pirol: Werbestar und Sammlerstück

Die DDR ist nicht gerade als Eldorado der Produktwerbung in Erinnerung geblieben. Aber das Land hatte durchaus seine Werbestars.

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Der studierte Ökonom und ehemalige Mtarbeiter vom DDR-Tankstellennetz "Minol", Olaf Wagner, sitzt mit dem Maskottchen "Minol-Pirol" inmitten seiner Raritätensammlung in seinem Arbeitszimmer.
Der studierte Ökonom und ehemalige Mtarbeiter vom DDR-Tankstellennetz "Minol", Olaf Wagner, sitzt mit dem Maskottchen "Minol-Pirol" inmitten seiner Raritätensammlung in seinem Arbeitszimmer. © dpa

Von Birgit Zimmermann

Leipzig. Wer in der späten DDR Reklame-Sendungen guckte, der hatte Westfernsehen an. Fernseh-Werbung für Produkte aus volkseigener Produktion gab es seit Mitte der 70er Jahre Jahren nicht mehr. Doch in der Zeit davor hat die DDR einige Werbestars hervorgebracht. Ihr wohl bekanntester - der Pirol der Tankstellen-Kette Minol - wird jetzt 60 Jahre alt. Am 21. Juni 1960 flatterte der Pirol erstmals durch die Sendung "Tausend Tele-Tips" (ttt).

"In dieser Zeit war Fernsehwerbung noch etwas Besonderes", sagt Minol-Kenner Olaf Wagner aus Leipzig. Die Benzin-Kette habe damals eine "Charmeoffensive gefahren". Wagner wurde noch zu DDR-Zeiten "Minoler" und war nach dem Mauerfall Pressesprecher des Unternehmens, das den Umbruch als eigenständige Firma nur wenige Jahre überlebte. Er sammelt alles von Minol - und weiß fast alles über den Pirol.

Der gelbe Vogel mit der blauen Latzhose und der Schirmmütze sei einer Ölkanne nachempfunden, sagt Wagner. Der Pirol als Vorbild sei wegen des Gleichklangs zum Namen Minol gewählt worden. "Er hat eigentlich zwei Väter", sagt Wagner. Der Puppengestalter Heiner Knappe entwarf das Maskottchen im Puppentrickfilmstudio des DDR-Fernsehens in Berlin, Regisseur Peter Blümel hauchte ihm in 30 kleinen Filmen Leben ein.

Sprüche vom "Eulenspiegel"

"Das Werbefernsehen sollte das Programm ein bisschen auflockern, es sollte ein wenig Magazin-Charakter bringen", erinnert sich der 86-jährige Blümel. Minol habe von Anfang an dabei sein wollen. "Heiner Knappe hat quasi über Nacht den Minol-Pirol entworfen. Mir blieb es dann überlassen, innerhalb weniger Stunden einen Film zu machen", sagt Blümel. Es sei eine sehr kreative Zeit gewesen, keiner habe ihnen reingeredet.

Die flotten Sprüche des Pirols kamen von Karl Kultzscher von der Satire Zeitschrift "Eulenspiegel". In kleinen Reimen gab er den Zuschauern Alltagstipps rund ums Auto und das Tanken. So hieß es etwa: "Zum Wochenend ist alles klar, für den, der freitags tanken war" - weil viele Tankstellen in der DDR sonntags geschlossen hatten. Oder es wurde gebeten, krumme Summen beim Tanken zu vermeiden, um die ohnehin langen Schlangen nicht noch länger werden zu lassen: "Mach Dich vertraut mit dem Gedanken, für runde D-Mark stets zu tanken."

"Die Aufgabe des Pirols war es, Sympathien zu wecken. Da war er wie alle Werbefiguren", sagt Wagner. Aber er habe nicht die Funktion gehabt, die Kunden zu überzeugen, mehr zu tanken und mehr zu fahren. "Und seine Mission war es auch nicht, Kunden wegzulocken von der Konkurrenz". Denn die gab es gar nicht. Damit war der Pirol dann doch anders als das Aral-Männchen oder der spätere Esso-Tiger.

Weg in den Westen

In der DDR habe es durchaus eine Werbetheorie gegeben, sagt Florentine Nadolni, Leiterin des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. "Die DDR wird immer assoziiert mit einer werbefreien Zone. Aber sie hat etliche starke Marken hervorgebracht."

Es habe auch eine rege Diskussion gegeben, was Werbung im Sozialismus eigentlich sein sollte, sagt Nadolni. "Es gab eine klare Abgrenzung zum Kapitalismus, dem man die Inszenierung zuschrieb, die Verblendung, die Show." Die Werbung im Sozialismus habe sich davon abgegrenzt, sie habe sich immer am Gebrauchswert orientiert. Der Minol-Pirol mit seinem Tanktipps ist dafür ein Modellbeispiel.

Der gelbe Vogel war allerdings nicht nur ein Fernsehstar, sondern Minol betrieb auch eifrig das, was heute Merchandising heißt. Der Pirol tauchte auf Plakaten auf, es gab kleine Plastik-Figuren, die die Tankwarte laut Wagner besonders gern der Westkundschaft in der Hoffnung auf ein Trinkgeld in die Hand drückten. So habe der Ost-Pirol auch "seinen Weg in den Westen" gefunden, sagt Wagner.

"Der Pirol ist die mit Abstand verbreitetste Werbefigur der DDR", sagt Jörn Kleinhardt, Sammlungsleiter des DDR-Museums in Berlin. "Jeder, der in der DDR mit dem Auto unterwegs war, kannte ihn. Denn egal, an welcher Tanke man vorbeikam, es war immer Minol." Heutzutage sei der Pirol ein beliebtes und durchaus teures Sammlerobjekt geworden.

Verkauf an Elf Aquitaine

Regisseur Blümel verantwortete 30 Pirol-Werbefilme. 1976 kam dann das Aus für sämtliche Fernsehwerbung, obwohl die Sendungen eigentlich ein Straßenfeger waren. "Unsere schlauen SED-Leute haben das einfach nicht kapiert, wie wichtig das auch in einer Planwirtschaft war", sagt Blümel.

Danach wurde es für einige Jahre ruhig um den Pirol. 1984 habe Minol dann allerdings eine Renaissance beschlossen, sagt Wagner. Der gelbe Vogel wurde modernisiert und bekam eine rote Latzhose und eine moderne Schirmmütze verpasst. Zur 750-Jahr-Feier von Berlin (1987), als auch die Tankstellen alle "hübsch gemacht" worden seien, rührte der Pirol auf Aufklebern die Werbetrommel. "Der Rot-Gelbe war ein Multitalent", sagt Wagner.

Minol überlebte den Mauerfall nur kurz, das Unternehmen wurde an Elf Aquitaine verkauft. Die Nachfolge-Firma Total entschied sich 2003, einige wenige Stationen unter dem DDR-Traditionsnamen wiederzubeleben - um die Markenrechte zu erhalten. Dabei hatte auch der rot-gelbe Pirol noch einmal einen Auftritt. An genau einer Tankstelle in ganz Deutschland gibt es laut Wagner auch noch Restbestände des Maskottchens zu kaufen: an der Minol-Tankstelle in Leipzig. (dpa)