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60 Jahre mit Kamm und Schere

Dieter Hausner steht mit 76 noch fast täglich im Salon. Nun denkt er langsam ans Aufhören.

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© Arvid Müller

Von Peggy Zill

Weinböhla. Für den ersten Schnitt bleibt das Haar trocken. „Da sieht man, wie es fällt“, erklärt Dieter Hausner und setzt zielstrebig die Schere an. Der Mann muss wissen, wie es am besten geht. Schließlich schneidet er seit 60 Jahren Haare. „Wenn ich es nicht gern machen würde, hätte ich schon lange aufgehört“, sagt er. Mit seinen 76 Jahren könnte er schon lange den Ruhestand genießen, stattdessen steht er noch fast täglich in seinem Salon an der Sachsenstraße. Wer diesen betritt, begibt sich auf eine Zeitreise.

Nicht zu vergleichen mit den modernen, polierten Friseurgeschäften, in denen den ganzen Tag das Radio dudelt und in jeder Ecke ein Föhn dröhnt. Hausner serviert seinen Kunden keinen Cappuccino mit Hochglanzmagazinen. Langweilig wird den Kunden trotzdem nicht. Die antike Einrichtung des Herrensalons hat er schon verkauft. „Die steht jetzt in einem Zabeltitzer Wohnzimmer“, freut sich Hausner, jemanden gefunden zu haben, der die Möbel zu schätzen weiß.

Der Damen-Salon wurde zu DDR-Zeiten neu eingerichtet. Zwei Waschbecken mit Spiegeln, zwei Stühle, eine Trockenhaube in der Ecke und jede Menge Fläschchen und Tuben in den Regalen. Für die Möbel wird er wohl keine Abnehmer finden, befürchtet er. „Die Leute wollen immer alles neu haben.“ Dabei kommt es am Ende doch nur auf das Können und Werkzeug an. „Es gab immer mal wieder neue Techniken“, erzählt Hausner. Kamm und Schere seien aber auch nach 60 Jahren noch immer die wichtigsten Werkzeuge.

Haare waschen. Das geht bei Hausner nur kopfüber im Waschbecken. Er wartet, bis warmes Wasser aus der Brause kommt. Das kalte läuft nicht etwa in den Abfluss. Er sammelt es in einem Eimer unter dem Becken. „Damit putze ich dann später.“ Der 76-Jährige gehört zur sparsamen Generation, weil er Zeiten erlebt hat, in denen es an allem mangelte. Nach der Schule wollte er Bäcker werden. „Man war ja froh, etwas zum Essen zu haben“, erzählt er. Sein Vater – selbst Friseur – wollte ihn zu einer Ausbildung als Uhrmacher überreden. 1954 begann er seine Friseur-Lehre in einem Coswiger Salon. Gerade, als er seine Meisterprüfung ablegen wollte, wurde die Wehrpflicht eingeführt. Dieter Hausner war in Weißenfels stationiert. Auch dort konnte er das Haareschneiden nicht lassen. Nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz durften die Haare der Soldaten sein. „Ich habe mal einer ganzen Kompanie Glatze geschnitten. Da gab es Ärger“, erinnert er sich.

Zurück im zivilen Leben legte er seine Meisterprüfung ab. Damals gaben viele Friseure ihr Geschäft auf und der Meißner übernahm 1966 den Salon in Weinböhla. „Die Steuern waren gestiegen, die Preise schlecht. Viele Herrenfriseure machten zu, als die Beatles aufkamen. Die Männer wollten sich plötzlich die Haare nicht mehr schneiden lassen“, erzählt Hausner. Aber es kamen wieder bessere Zeiten. Teilweise bezahlte er vier weitere Friseure. „Zu DDR-Zeiten hatten wir viel Arbeit. Nach der Wende habe ich immer mehr Stellen abgebaut.“

Haarwasser und Kopfmassage. Das gibt es nicht überall. Seine Stammkunden wissen das zu schätzen. Die sind mit ihm gealtert. Die Haarfarben braucht er nur noch selten. Auch die Kaltwelle ist nicht mehr angesagt. „Ich bin froh, wenn mal jemand kommt und etwas Verrücktes will“, sagt Hausner. Trends hat er viele erlebt. „Das ist wie bei Tattoos: Bei manchen sieht es gut aus, andere sollten es lieber lassen.“

Hausner setzt erneut die Schere für den Feinschnitt an. Der Salon ist nur noch vormittags geöffnet. Seit Fußgänger die Unterführung nehmen müssen, um auf die Sachsenstraße zu kommen, habe er viele Kunden verloren. „Viele sind unterdessen auch gestorben“, sagt er. Die noch regelmäßig kommen, seien sehr traurig, dass er langsam darüber nachdenkt, aufzuhören. Das 50-jährige Bestehen seines Salons hat er nicht gefeiert.

Hausner verteilt Schaumfestiger auf dem Kopf, föhnt und gibt letzte Tipps, wie es auch zu Hause klappt, dass die Frisur immer sitzt. „Das Beste ist, wenn die Kundin mit der Frisur klarkommt.“