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721 Flüchtlinge leben jetzt in der Zeltstadt

Nach Gewaltattacken von Neonazis hat sich die Lage vor dem Camp in Dresden wieder beruhigt. Sachsens Regierung sowie die Parteien verurteilten die Gewalt und forderten die Dresdner auf, die Flüchtlinge willkommen zu heißen.

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© Robert Michael

Dresden. Nach der Ankunft weiterer Flüchtlinge ist es am Sonntag vor der Zeltstadt in Dresden ruhig geblieben. „Wir sind dort ständig präsent“, sagte ein Sprecher der Polizei. Auch das Gebiet um die Zeltstadt werde mit Streifen beobachtet. Am Freitagabend war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.

Die Zeltstadt am Sonnabend

Am Samstagabend waren weitere Busse mit 251 Asylsuchenden eingetroffen. Laut Innenministerium leben jetzt 721 Flüchtlinge in der Zeltstadt.
Am Samstagabend waren weitere Busse mit 251 Asylsuchenden eingetroffen. Laut Innenministerium leben jetzt 721 Flüchtlinge in der Zeltstadt.
Ein rechter Demonstrant wird von der Polizei abgeführt.
Ein rechter Demonstrant wird von der Polizei abgeführt.
Linke Demonstranten vor der Notunterkunft.
Linke Demonstranten vor der Notunterkunft.
„Wir sind dort ständig präsent“, sagte ein Sprecher der Polizei. Auch das Gebiet um die Zeltstadt werde mit Streifen beobachtet.
„Wir sind dort ständig präsent“, sagte ein Sprecher der Polizei. Auch das Gebiet um die Zeltstadt werde mit Streifen beobachtet.

Das Geschehen am Freitagabend

Während das Zeltlager noch aufgebaut wurde, gab es am Freitagabend Demonstrationen.
Während das Zeltlager noch aufgebaut wurde, gab es am Freitagabend Demonstrationen.
Die NPD hatte eine Kundgebung angemeldet.
Die NPD hatte eine Kundgebung angemeldet.
Under dem Motto "Asylmissbrauch stoppen!" versammelten sich am frühen Abend Rechtsextreme und "Asylkritiker" vor dem Zeltlager.
Under dem Motto "Asylmissbrauch stoppen!" versammelten sich am frühen Abend Rechtsextreme und "Asylkritiker" vor dem Zeltlager.
Das Pegida-Bündnis um Lutz Bachmann rief seine Anhänger dazu auf, der NPD-Kundgebung fernzubleiben.
Das Pegida-Bündnis um Lutz Bachmann rief seine Anhänger dazu auf, der NPD-Kundgebung fernzubleiben.
Es gab auch eine angemeldete Gegendemonstration.
Es gab auch eine angemeldete Gegendemonstration.
Blick auf die NPD-Anhänger, die sich an der Bremer Straße versammelt haben ...
Blick auf die NPD-Anhänger, die sich an der Bremer Straße versammelt haben ...
... und auf die Gegendemonstranten.
... und auf die Gegendemonstranten.
Ein Dudelsackspieler demonstrierte auf seine Weise.
Ein Dudelsackspieler demonstrierte auf seine Weise.
Teilnehmer der NPD-Demo auf der Bremer Straße.
Teilnehmer der NPD-Demo auf der Bremer Straße.
NPD-Sympathisanten rangeln mit Polizisten.
NPD-Sympathisanten rangeln mit Polizisten.
Die Rechtsextremen warfen auch Böller auf die Gegendemonstranten - es gab drei Verletzte.
Die Rechtsextremen warfen auch Böller auf die Gegendemonstranten - es gab drei Verletzte.
Die Polizei ging dazwischen, es kam zu Festnahmen.
Die Polizei ging dazwischen, es kam zu Festnahmen.
Eine verletzte Gegendemonstrantin wird in einen Rettungswagen geschoben.
Eine verletzte Gegendemonstrantin wird in einen Rettungswagen geschoben.
Nachdem die NPD-Anhänger das Areal verlassen hatten, beruhigte sich die Lage. Gegendemonstranten harrten vor dem Areal aus.
Nachdem die NPD-Anhänger das Areal verlassen hatten, beruhigte sich die Lage. Gegendemonstranten harrten vor dem Areal aus.
Am späten Abend kamen die ersten Busse mit Flüchtlingen an.
Am späten Abend kamen die ersten Busse mit Flüchtlingen an.
Die Flüchtlinge reisten aus Chemnitz nach Dresden.
Die Flüchtlinge reisten aus Chemnitz nach Dresden.
Betreuer nahmen die Menschen in Empfang.
Betreuer nahmen die Menschen in Empfang.
Sie sind die ersten von insgesamt 800 Flüchtlingen, die am Wochenende in Dresden erwartet werden.
Sie sind die ersten von insgesamt 800 Flüchtlingen, die am Wochenende in Dresden erwartet werden.
Das Deutsche Rote Kreuz war mit 70 Mitarbeitern im Einsatz.
Das Deutsche Rote Kreuz war mit 70 Mitarbeitern im Einsatz.

Der Aufbau der Notunterkunft

Blick auf die Zeltstadt an der Bremer Straße, die binnen 24 Stunden errichtet wurde.
Blick auf die Zeltstadt an der Bremer Straße, die binnen 24 Stunden errichtet wurde.
Schaulustige beobachten am Freitagnachmittag die Arbeiten in der Friedrichstadt.
Schaulustige beobachten am Freitagnachmittag die Arbeiten in der Friedrichstadt.
In Dresden läuft der Aufbau einer Zeltstadt für bis zu 1.100 Asylsuchende.
In Dresden läuft der Aufbau einer Zeltstadt für bis zu 1.100 Asylsuchende.
Möglicherweise werden die ersten Flüchtlinge bereits am Freitagabend ankommen.
Möglicherweise werden die ersten Flüchtlinge bereits am Freitagabend ankommen.
Ähnlich wie in Chemnitz sollen die Flüchtlinge in der Zeltstadt nur vorübergehend untergebracht werden.
Ähnlich wie in Chemnitz sollen die Flüchtlinge in der Zeltstadt nur vorübergehend untergebracht werden.
Der Landesverband des DRK wird die Notunterkunft betreiben.
Der Landesverband des DRK wird die Notunterkunft betreiben.
Blick in das Innere eines der Zelte mit der Bezeichnung "German Red Cross - Tent EZ 500"
Blick in das Innere eines der Zelte mit der Bezeichnung "German Red Cross - Tent EZ 500"
"Wir brauchen das Zeltlager dringend", sagte der Sprecher der Landesdirektion, Holm Felber, am Freitag.
"Wir brauchen das Zeltlager dringend", sagte der Sprecher der Landesdirektion, Holm Felber, am Freitag.
Ein Bagger arbeitet sich am Freitagnachmittag durch den Wildwuchs.
Ein Bagger arbeitet sich am Freitagnachmittag durch den Wildwuchs.
Schon am Donnerstagabend ...
Schon am Donnerstagabend ...
... fanden die ersten Arbeiten auf dem Areal an der Bremer Straße statt.
... fanden die ersten Arbeiten auf dem Areal an der Bremer Straße statt.
THW-Helfer am späten Donnerstagabend bei der Arbeit.
THW-Helfer am späten Donnerstagabend bei der Arbeit.
Bagger befreiten das seit langem leerstehende Gelände ...
Bagger befreiten das seit langem leerstehende Gelände ...
... von dichtem Wildwuchs.
... von dichtem Wildwuchs.
Die Helfer arbeiteten bis spät in die Nacht unter Flutlicht.
Die Helfer arbeiteten bis spät in die Nacht unter Flutlicht.
Im Laufe des Abends fanden sich Schaulustige auf dem Gelände ein, die möglicherweise dem Lager der „Asylgegner“ zuzurechnen sind. Als die Polizei ihre Präsenz erhöhte, verließen sie die Szenerie.
Im Laufe des Abends fanden sich Schaulustige auf dem Gelände ein, die möglicherweise dem Lager der „Asylgegner“ zuzurechnen sind. Als die Polizei ihre Präsenz erhöhte, verließen sie die Szenerie.
Ein Plan des Zeltlagers für Flüchtlinge.
Ein Plan des Zeltlagers für Flüchtlinge.

Innenstaatssekretär Michael Wilhelm bat die Teilnehmer des für Montag in Dresden angekündigten „Abendspazierganges“ des islamkritischen Bündisses Pegida, der Zeltstadt fernzubleiben. „Meine Bitte wäre, diese Leute hier in Ruhe zu lassen“, sagte er am Sonntag bei einem gemeinsamen Besuch des Camps mit Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD). „Diese Menschen sind traumatisiert und haben Schweres hinter sich.“

Laut sächsischem Innenministerium leben jetzt 721 Flüchtlinge aus 15 Nationen in der Zeltstadt. Die meisten kommen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Albanien und Russland. Am Sonntagabend wurden weiter 60 Neuankömmlinge erwartet. Am Freitag war es vor der Ankunft von knapp 500 Flüchtlingen zu Attacken Rechtsextremer auf linke Gegendemonstranten gekommen. Dabei waren drei Sympathisanten der Asylsuchenden verletzt worden.

„Zeigen Sie Menschlichkeit!“

Sachsens Regierung sowie die Parteien verurteilten die Gewalt. Staatskanzlei-Chef Fritz Jaeckel (CDU) appellierte an die Dresdner, die Flüchtlinge willkommen zu heißen: „Zeigen Sie Menschlichkeit!“, sagte er. „Angegriffene DRK-Mitarbeiter und Körperverletzungen gegenüber Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sind nicht hinzunehmen. Hier werden Grenzen überschritten.“

Innenstaatssekretär Wilhelm nannte die Ereignisse „beschämend“ und kündigte ein konsequentes Vorgehen an. Es sei aber nicht zu wenig Polizei im Einsatz gewesen. Wilhelm zufolge werden die Asylbewerber von den meisten Dresdnern „mit offenen Armen“ empfangen. Es seien so viele Sachspenden eingegangen, dass deren Annahme zunächst gestoppt wurde.

Das Camp mit mehr als 30 Zelten war am Freitag in Windeseile aus dem Boden gestampft worden, weil die Kapazitäten der Erstaufnahme in Chemnitz und ihrer Außenstellen mit insgesamt mehr als 4 000 Plätzen erschöpft sind. Das Zeltlager kann bis zu 1 100 Menschen aufnehmen.

Mackenroth gegen Bundeswehreinsatz

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth wies den Vorschlag des Innenministers von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), zurück, die Bundeswehr zur Bewältigung der Flüchtlingszuströme einzusetzen. „Hilfsorganisationen und Sicherheitskräfte haben die Lage im Griff“, bemerkte Mackenroth. Das „beengte und hygienisch nicht immer beanstandungsfreie Quartier“ könne kein Dauerzustand, sondern nur eine Übergangslösung für wenige Tage sein.

Für Menschen, die vor Krieg und unvorstellbarer Gewalt aus Syrien, Irak oder Eritrea flüchteten, sei die Aufnahme nach Asylrecht und Flüchtlingskonvention ein „Gebot der Menschlichkeit“, sagte der evangelische Landesbischof Jochen Bohl. Die Asylverfahren von Menschen aus dem Balkan müssten hingegen dringend verkürzt und beschleunigt werden.

Sachsen rechnet in diesem Jahr mit mehr als einer Verdoppelung der Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Im vergangenen Jahr brachte das Land dafür knapp 103 Millionen Euro auf, in diesem Jahr sollen es rund 226 Millionen Euro sein, teilte das Finanzministerium mit. Für 2016 wird eine Summe von etwa 228 Millionen Euro angenommen. (dpa)