Dresden. Nach der Ankunft weiterer Flüchtlinge ist es am Sonntag vor der Zeltstadt in Dresden ruhig geblieben. „Wir sind dort ständig präsent“, sagte ein Sprecher der Polizei. Auch das Gebiet um die Zeltstadt werde mit Streifen beobachtet. Am Freitagabend war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen.
Die Zeltstadt am Sonnabend
Das Geschehen am Freitagabend
Der Aufbau der Notunterkunft
Innenstaatssekretär Michael Wilhelm bat die Teilnehmer des für Montag in Dresden angekündigten „Abendspazierganges“ des islamkritischen Bündisses Pegida, der Zeltstadt fernzubleiben. „Meine Bitte wäre, diese Leute hier in Ruhe zu lassen“, sagte er am Sonntag bei einem gemeinsamen Besuch des Camps mit Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD). „Diese Menschen sind traumatisiert und haben Schweres hinter sich.“
Laut sächsischem Innenministerium leben jetzt 721 Flüchtlinge aus 15 Nationen in der Zeltstadt. Die meisten kommen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Albanien und Russland. Am Sonntagabend wurden weiter 60 Neuankömmlinge erwartet. Am Freitag war es vor der Ankunft von knapp 500 Flüchtlingen zu Attacken Rechtsextremer auf linke Gegendemonstranten gekommen. Dabei waren drei Sympathisanten der Asylsuchenden verletzt worden.
„Zeigen Sie Menschlichkeit!“
Sachsens Regierung sowie die Parteien verurteilten die Gewalt. Staatskanzlei-Chef Fritz Jaeckel (CDU) appellierte an die Dresdner, die Flüchtlinge willkommen zu heißen: „Zeigen Sie Menschlichkeit!“, sagte er. „Angegriffene DRK-Mitarbeiter und Körperverletzungen gegenüber Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sind nicht hinzunehmen. Hier werden Grenzen überschritten.“
Innenstaatssekretär Wilhelm nannte die Ereignisse „beschämend“ und kündigte ein konsequentes Vorgehen an. Es sei aber nicht zu wenig Polizei im Einsatz gewesen. Wilhelm zufolge werden die Asylbewerber von den meisten Dresdnern „mit offenen Armen“ empfangen. Es seien so viele Sachspenden eingegangen, dass deren Annahme zunächst gestoppt wurde.
Das Camp mit mehr als 30 Zelten war am Freitag in Windeseile aus dem Boden gestampft worden, weil die Kapazitäten der Erstaufnahme in Chemnitz und ihrer Außenstellen mit insgesamt mehr als 4 000 Plätzen erschöpft sind. Das Zeltlager kann bis zu 1 100 Menschen aufnehmen.
Mackenroth gegen Bundeswehreinsatz
Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth wies den Vorschlag des Innenministers von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), zurück, die Bundeswehr zur Bewältigung der Flüchtlingszuströme einzusetzen. „Hilfsorganisationen und Sicherheitskräfte haben die Lage im Griff“, bemerkte Mackenroth. Das „beengte und hygienisch nicht immer beanstandungsfreie Quartier“ könne kein Dauerzustand, sondern nur eine Übergangslösung für wenige Tage sein.
Für Menschen, die vor Krieg und unvorstellbarer Gewalt aus Syrien, Irak oder Eritrea flüchteten, sei die Aufnahme nach Asylrecht und Flüchtlingskonvention ein „Gebot der Menschlichkeit“, sagte der evangelische Landesbischof Jochen Bohl. Die Asylverfahren von Menschen aus dem Balkan müssten hingegen dringend verkürzt und beschleunigt werden.
Sachsen rechnet in diesem Jahr mit mehr als einer Verdoppelung der Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen. Im vergangenen Jahr brachte das Land dafür knapp 103 Millionen Euro auf, in diesem Jahr sollen es rund 226 Millionen Euro sein, teilte das Finanzministerium mit. Für 2016 wird eine Summe von etwa 228 Millionen Euro angenommen. (dpa)