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Abflug vom Anhänger

Zum zweiten Mal wurde die seltene Startmethode für Wasserflieger in Kamenz angewandt. Der Flugplatz ist beliebt.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Nun ist sie also wieder weg. Die Cessna 2006 der Air Service Berlin. Geschäftsführer und Pilot Steffen Wardin (Jahrgang 1960) hatte sie im Oktober spektakulär auf den Rasen des Kamenzer Flugplatzes gesetzt, wo sie zur Generalüberholung bei der Scheiling Aircraft Service (SAS) angemeldet war. Und Freitagfrüh hat Wardin das Flugzeug ebenso spektakulär wieder in die Luft gebracht. Von einem Anhänger aus, der von einem Kleintransporter beschleunigt worden war. Anders als in einem berühmten Keimzeitsong vorausgesetzt, können nämlich auch „Flugzeuge ohne Räder“ sicher landen. Und starten. Wasserflugzeuge wie die umgebaute, knallrote Cessna aus Berlin haben keine Räder ...

Die Cessna kommt regelmäßig nach Kamenz. Das erste Mal war dies 2003 der Fall gewesen. Früher wurde auf dem Deutschbaselitzer Großteich an- und abgeflogen. Dazwischen lagen große Transportprobleme, schließlich musste die acht Meter lange und vor allem zwölf Meter spannbreite Maschine auf einer Ladefläche durch diverse Baumalleen bugsiert werden. Das ist nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Wenn auch – auf den ersten Blick – sicherer, als die Landung auf Gras und der Abflug vom Trailer. Wardin hat es Freitag zum zweiten Mal praktiziert. Zunächst muss das Gefährt auf mindestens 110 km/h beschleunigt werden. Dann hebt die rote Cessna leicht vom Hänger ab, schert nach rechts aus und zieht ab. Wardin ist ein sehr guter Pilot, der alles fliegt, was bei der Air Service Berlin Flügel hat. Zum Beispiel auch die DC 3, den Rosinenbomber.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor

Die Cessna wurde bei Scheiling unter anderem mit einem neuen, leistungsfähigeren Motor ausgestattet und neu lackiert. Mario Scheiling: „Das ist für uns Routine.“ Der Flugzeugbauer gehört zu jenen Firmen, die am Kamenzer Verkehrslandeplatz ansässig sind. Und ihn als wichtigen Wirtschaftsfaktor der Region unentbehrlich machen. Eine Flugzeugwerft, drei Ultraleichtflugzeugbauer, Flugschulen und weitere Unternehmen an der fliegerischen und kfz-technischen Peripherie sind hier angesiedelt. Mit ungefähr 60 Arbeitsplätzen ist man quasi zu einem mittelständischen Kompetenzzentrum avanciert.

Der Kamenzer Flugplatz ist übrigens nicht nur bei der Air Service Berlin beliebt. Dies zeigt auch ein Blick in die Flugstatistik des vergangenen Jahres. Normalerweise werden im Tower pro Jahr etwa 16 000 „Flugbewegungen“, also Starts und Landungen gezählt. 2014 waren es sogar mehr als 18 000

„Wir hatten ein wirklich gutes Jahr“, sagt Daniel Meißner, Pressemann des Fliegerclubs Kamenz. Und er muss es wissen, schließlich arbeitet er als einer von drei Flugleitern im Tower des Verkehrslandeplatzes. Quasi im Ehrenamt, denn der Fliegerclub betreibt bekanntlich den Flugplatz im Auftrag der Eigentümer. 60 Prozent an der Flugplatz GmbH hält die Stadt Kamenz, 40 Prozent der Landkreis Bautzen. Natürlich ist die Fliegerei auch in Kamenz ein Zuschussgeschäft, hier immer ein etwas Moderateres. Umso wichtiger, wenn der Verkehrslandeplatz von möglichst vielen genutzt wird. 2014 haben ihn ungefähr 2 800 Passagiere frequentiert. „Unser Flugplatz hat eine sehr positive Entwicklung genommen“, sagt Meißner. Da müsse man weder den Vergleich im Freistaat noch den Blick ins Südbrandenburgische scheuen. Die Fliegerstadt Kamenz strahle weithin aus – und das eben nicht nur in Jubiläumsjahren wie „100 Jahre Fliegen“, das 2011 groß gefeiert wurde. „Piloten aus der Region, aus Deutschland und sogar aus anderen Ländern wissen die guten Bedingungen bei uns zu schätzen.“ Die zu Zwischenlandungen einladen – mit Beton- und Graslandebahn auf 1100 Metern Länge und mit dem beliebten Restaurant im Tower.

Thermik lockt Segelflieger an

Schließlich ist die Lessingstadt auch ein bekanntes Dorado der Segelfliegerei. Schon die Junioren des Clubs mischen deutschlandweit vorn mit. Meißner: „Und in jedem Jahr finden mehrere Fluglager im Verein statt, die Segelflieger aus ganz Deutschland anlocken.“ Auch, um die wunderschöne Oberlausitz aus der Luft zu erkunden. Wobei die besonders günstigen thermischen Bedingungen natürlich hilfreich sind. Außerdem ist der Fliegerclub Kamenz ein Landesleistungszentrum – vor allem im Streckensegelflug des Nachwuchses.