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Abitur muss nicht die beste Wahl sein

Beim Großenhainer Ausbildungsmarkt stand eine Fülle von Lehrberufen zur Auswahl – mit guten Perspektiven.

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© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Großenhain. Wer weiß mit 15 schon so genau, welchen Beruf er einmal ausüben möchte? Fast keiner, sagt Peter Schafranka von der Großenhainer Maschinenbau GmbH. Er habe das bei seinen eigenen Söhnen erlebt: Jungen Menschen falle des einfach schwer, aus der Fülle der Möglichkeiten das Richtige für sich herauszufinden. Schafranka sitzt im Kulturschloss am Stand seiner Firma und redet sich den Mund fusselig. Er sucht Zerspanungsmechaniker-Berufsnachwuchs, Fachrichtung Dreh- und Frästechnik.

Ein anspruchsvoller Job; man muss mit Maschinen umgehen, die hunderttausende Euro kosten. Und man fertigt oft Teile, die auch nicht ganz billig sind. Da braucht es schon ein gewisses Interesse, technisches Verständnis und Verantwortungsgefühl. Schafranka erklärt, fragt, testet, wirbt. Wer sich an seinem Stand einmal auf ein Gespräch eingelassen, kommt so schnell nicht wieder weg. „Er hat sehr klar gesagt, welche Anforderungen der Beruf an mich stellen würde“, sagt Carl Philipp Eckardt. Der Zehntklässler aus Coswig interessiert sich schon für einen Job in der Metallbranche. Aber er strebt eine Berufsausbildung mit Abitur an, will danach gern ein Ingenieurstudium aufnehmen. „Genau das ist unser Problem“, erklärt Peter Schafranka. „Die richtig Guten machen ihr Abi und sind dann wieder weg. Wir aber brauchen vor allem engagierte Facharbeiter.“

Martin Lorenz ist den umgekehrten Weg gegangen. Er hat ein Studium begonnen und irgendwann gemerkt, dass das nicht so sein Ding ist. Also brach er die Sache ab und begann bei der Maschinenbau GmbH eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker. Jetzt sitzt er mit am Firmenstand und bricht gemeinsam mit Schafranka eine Lanze für die Lehrberufe.

Ob sie heute den dringend benötigten Berufsnachwuchs finden werden? Eher nicht, glauben die beiden. Aber immerhin habe das Interesse an einer Beratung zugenommen. Das liege wohl auch daran, dass der Ausbildungsmarkt seit drei Jahren am Wochenende stattfindet. Da kämen keine Schulklassen mehr, die mehr oder weniger desinteressiert durch die Räume schlendern, sondern die jungen Leute mit ihren Eltern. Und die stupsten ihre Sprösslinge dann schon an, an den Ständen anzuhalten und konkrete Erkundigungen einzuziehen. „Das ist die eigentlich größte Herausforderung, die auf die Eltern zukommt“, sagt Peter Schafranka. „Ihren Kindern eine Entscheidung abzuverlangen, die deren gesamten weiteren Lebensweg bestimmen wird.“ Sie seien gut beraten, das nicht auf die Schule abzuwälzen. Weder die noch eine andere Institution könnten das wirklich leisten.

Dabei gibt es eine ganze Reihe von Interessengruppen, denen der Berufsnachwuchs am Herzen liegt. Die Handwerkskammer zum Beispiel, deren Mitgliedsbetriebe händeringend nach geeigneten Lehrlingen Ausschau halten. Sie bietet auf dem Großenhainer Ausbildungsmarkt erstmals eine Börse für Firmenpraktika und Ferienjobs an. „Wer so etwas als Schüler absolviert und daran Gefallen gefunden hat, dem fällt die Berufswahl natürlich leichter“, erklärt Obermeister Timmy Held.

Die Nünchritzer Wacker Chemie bietet jedes Jahr um die 20 Lehrstellen an, und der 1500 Beschäftigte zählende Industriebetrieb hat im Gegensatz zu den kleineren Firmen keine Mühe, diese auch zu besetzen. Sicher, die Bewerberzahlen seien rückläufig, erklärt Manuela Wolf von der Personalabteilung. Aber auch dieses Jahr werde wohl keine Stelle unbesetzt bleiben. Was sicher auch daran liegt, dass die Industrie höhere Ausbildungsvergütungen als das Handwerk anbieten kann.

Wacker hat drei Lehrberufe im Angebot: Chemikant, Industriemechaniker und Elektroniker, und neben ordentlichen schulischen Leistungen müssen die Bewerber hier einen Eignungstest absolvieren und anschließend noch ein Vorstellungsgespräch mit einer kleinen praktischen Aufgabe überstehen. Wer dann in der Lehre entsprechendes Engagement zeigt, hat gute Aussichten, übernommen zu werden.

Der Ausbildungsmarkt fand dieses Jahr wieder parallel im Kulturschloss und im Berufsschulzentrum an der Industriestraße statt. „Letzteres ist für den Bildungsstandort Großenhain besonders wichtig, denn die Verantwortung für die Berufsschulen liegt jetzt beim Freistaat“, erklärt Mitinitiator Sebastian Fischer. Da gelte es, sich mit einem anspruchsvollen, praxisorientierten Angebot für die Zukunft in Stellung zu bringen.