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Abschied eines Leisetreters

Sascha Klein gewinnt zum Abschluss einer beeindruckenden Wassersprung-Karriere Bronze bei der WM in Budapest.

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© dpa

Von Daniel Klein, Budapest

Küsschen, Schulterklopfer, Umarmungen. Es schien kein Ende zu nehmen. Es waren nicht nur Glückwünsche von Teamkollegen, Trainern und Konkurrenten, die Sascha Klein für seine Bronzemedaille bekam, sondern auch eine Art Anerkennung für eine außergewöhnliche Karriere, die nun bei der Schwimm-WM in Budapest zu Ende ging. Mit seinem Synchronpartner Patrick Hausding wurde er Dritter im Turmspringen. „Ich bin unendlich stolz, aber auch traurig, dass es nun vorbei ist“, sagte Klein, der seine geröteten Augen mit einem Schmunzeln einzig dem „Chlor im Wasser“ zuschrieb.

2015 heiratete Sascha Klein seine Franziska in Aachen.
2015 heiratete Sascha Klein seine Franziska in Aachen. © privat

Das Plüsch-Maskottchen in der einen Hand und den Blumenstrauß in der anderen wollte er gleich weiterreichen an seinen Sohn Oskar und seine Frau Franziska, die seinen letzten Wettkampf von der Tribüne aus verfolgt hatten. „Sie bedeuten mir alles, haben mir hier an meinem letzten Tag als Sportler soviel Kraft gegeben“, sagte der 31-Jährige. Auch Hausding war sichtlich ergriffen. „Solch einen Schlusspunkt hatten wir uns erhofft und erträumt. Jetzt ist es fast wie im Märchen“, erklärte der Berliner.

Dabei sollte eigentlich schon vor einem Jahr nach den Spielen in Rio Schluss sein, dort verpassten die beiden jedoch eine Medaille, wurden Vierte. „So wollte ich nicht abtreten“, sagte Klein. Also verlängerte er seine Karriere. Der olympische Blechplatz war eine von wenigen Enttäuschungen, im persönlichen Rückblick rangieren die Erfolge vorn: das WM-Gold von 2013, das erste für deutsche Wasserspringer nach 40 Jahren, die neun EM-Titel in Folge und das Olympia-Silber von 2008 – alle an der Seite von Hausding. „Sie sind das erfolgreichste Synchron-Team, das wir jemals hatten und absolute Vorbilder“, adelte Bundestrainer Lutz Buschkow das Duo, das es nun nicht mehr gibt. „Sascha hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt, er hinterlässt eine riesige Lücke.“

Hausding wird seine Karriere wahrscheinlich bis zu den Spielen 2020 fortsetzen. Sportlich harmonierten die beiden prächtig, auch privat verstehen sie sich gut, dabei unterscheidet sich ihr Auftreten erheblich. Hausding ist der Vorzeigespringer, weil er nicht nur seine Flugeinlagen treffend analysieren kann, sondern auch über den Beckenrand hinaus eine Meinung vertritt. Er ist das Gesicht einer Sportart, die es nur selten ins Rampenlicht schafft. Klein dagegen war der Ruhepol, der Leisetreter, und stand deshalb stets etwas im Schatten seines Partners – nicht nur bei den Interviews. „Ich bin zurückhaltend“, charakterisiert sich der Ur-Aachener und Wahl-Dresdner. „Und ich muss mich auch nicht verstellen.“ Vielleicht waren diese Gegensätze ein Grund für die Erfolge der beiden.

In Kleins Hitliste rangiert ein Sieg ganz weit oben, der kaum auftaucht, wenn man in seinen Statistiken sucht. 2008 gewann er beim Weltcup in Peking die Einzelentscheidung. Ein Erfolg im Mutterland des Wasserspringens kommt einem Ritterschlag gleich, er ist ähnlich wertvoll wie für einen Tennisspieler ein Sieg auf dem Rasen von Wimbledon. Erstmals wurde Klein auf der Straße erkannt, musste Autogramme schreiben. Das hat er nicht vergessen, auch, weil es in Deutschland so ganz anders ist. „Diese Form der Anerkennung tut gut, ist nicht vergleichbar mit einem Titel oder einer Medaille“, sagt er.

Beim Blick zurück empfindet er vor allem Dankbarkeit. „Ich habe viel von der Welt gesehen“, erzählt er. „Und ganz nebenbei sieht der Körper durch das viele Training auch ganz ordentlich aus.“ Dies sind jedoch nur die Äußerlichkeiten. Wichtiger ist ihm etwas anderes: „Als Leistungssportler entwickelt man Ehrgeiz und Wille. Das hilft auch in anderen Lebensbereichen.“ Ein neuer Abschnitt beginnt nun, einer, in dem der Sport wahrscheinlich nur noch eine Nebenrolle spielen wird. Wie genau seine Zukunft aussieht, darüber ist er sich „noch nicht so sicher“, Ideen hat er einige. Eine Arbeit mit behinderten oder schwer erziehbaren Kindern und Jugendlichen kann er sich vorstellen. Auch eine Laufbahn bei der Polizei hält er für möglich. Oder aber er bleibt doch dem Wasserspringen treu – als Nachwuchstrainer. „Vielleicht hole ich auch erst einmal mein Abitur nach und schaue dann.“ Die Zeit hat er. Als langjähriges Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr geht er nun in den fünfjährigen Berufsförderungsdienst, der den Wechsel ins zivile Leben erleichtern soll – vor allem finanziell.

Wie auch immer er sich entscheidet, auf jeden Fall bleibt er in Aachen. Bereits nach den Rio-Spielen war er in seine Heimat, zu seiner Frau sowie dem anderthalbjährigen Sohn zurückgekehrt. „Wir haben uns jetzt ein Haus gekauft und Franziska arbeitet dort“, erzählt er. Seine Zwischenstation in Dresden ist damit endgültig beendet. Weil dem Wassersprung-Standort im Rheinland 2011 der Status als Bundesstützpunkt entzogen worden war, musste Klein damals mit seinem Trainer Boris Rozenberg umziehen. „In den fünf Jahren ist Dresden für mich zu einer zweiten Heimat geworden. Ich mag die Stadt und die Leute – es ist ein Stück Zuhause.“

Hausding wünscht seinem Partner, „dass er den Übergang gut hinbekommt und seine Familie gesund bleibt“. Klein selbst ahnt, dass es „nach 20 Jahren Leistungssport eine große Umstellung“ wird. „Am meisten werde ich die Jungs vermissen. Wir hatten viel Spaß zusammen und einigen Grund zum Feiern.“ So wie am Montagabend. Im Mannschaftshotel wurden einige Flaschen Sekt geordert.

Die Dresdnerin Tina Punzel belegte mit ihrer Partnerin Friederike Freyer (Leipzig) im Synchron-Finale vom Dreimeter-Brett Platz neun.