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Abschied vom „Sachsensumpf“

Nach vier Jahren hat der Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet. Was ist vom Skandal geblieben?

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© dpa

Von Karin Schlottmann und Thilo Alexe

Im Jahr 2007 beschäftigte ein Skandal die Öffentlichkeit: Der sächsische Verfassungsschutz sei einem korruptiven Netzwerk aus Justiz, Rotlichtmilieu und Immobilienbranche auf der Spur, berichteten Medien. Ein Dossier tauchte auf, gespickt mit vagen Andeutungen und Gerüchten über angebliche mafiöse Verflechtungen und Abhängigkeiten. Untersuchungskommission und Staatsanwälte sind damals den Vorwürfen nachgegangen. Beweise für kriminelle Verstrickungen fanden die Ermittler nicht. Im Gegenteil: Die Vorwürfe seien teils aufgebauscht, teils erfunden, hieß es. Der Landtag hat vor vier Jahren einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der diese Ermittlungen kritisch unter die Lupe nehmen sollte. Gestern wurde der Abschlussbericht veröffentlicht.

Wie lautete der Auftrag des Untersuchungsausschusses?

Die Abgeordneten hatten den Auftrag, mögliche Mängel und Fehler bei der Aufdeckung und Verfolgung korruptiver Netzwerke aufzuspüren.

Was hat der Untersuchungsausschuss herausgefunden?

Die Beweisaufnahme habe zu dem Ergebnis geführt, dass es in Sachsen keine Hinweise auf mafiöse Strukturen oder korruptive Netzwerke unter Beteiligung von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Justiz, Polizei und sonstigen Behörden gibt. Das ist das Fazit der Regierungsfraktionen von CDU und FDP. Auch die Opposition kommt in ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, dass „ausgeprägte korruptive Netzwerke“ nicht existieren. Auch Beweise dafür, dass Juristen Kunden eines illegalen Wohnungsbordells in Leipzig gewesen seien, gebe es nicht. Linke, SPD und Grüne werfen der Justiz und der Regierung jedoch vor, dass die Korruptionsvorwürfe „zu keinem Zeitpunkt Gegenstand ernsthafter, unvoreingenommener Ermittlungen“ gewesen seien. Der „wahre Sachsensumpf sei die verbissene Suche nach Schuldigen“ für den öffentlichen Skandal, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der Abgeordneten Klaus Bartl (Linke), Karl Nolle (SPD) und Johannes Lichdi (Grüne).

„Außer Spesen nichts gewesen“, lautet dagegen das Fazit von Norbert Röger, Präsident des Landgerichts Chemnitz. Gegen Röger war im Zusammenhang mit der Affäre ermittelt worden, die Vorwürfe erwiesen sich als falsch. Röger wirft dem Ausschuss eine Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien vor. Er sei als einer der Hauptbetroffenen nie als Zeuge gehört worden – offensichtlich aus Furcht, er könne „den Aberglauben“ an das angebliche Netzwerk zerstören. Dem Linken-Abgeordneten Bartl warf er vor, distanzlos und voreingenommen agiert zu haben. Er hätte angesichts seiner öffentlichen Äußerungen zu dem Fall nicht zum Vorsitzenden des Ausschusses gewählt werden dürfen.

Was sind die Konsequenzen aus der Affäre?

Die Staatsanwaltschaft hat eine Reihe von Ermittlungen gegen ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, gegen Zeuginnen und Journalisten eingeleitet. Zwei Journalisten wurden vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen. Der Prozess gegen zwei ehemalige Zwangsprostituierte wurde eingestellt. Die Strafverfahren gegen eine ehemalige leitende Verfassungsschützerin und gegen einen Polizeibeamten liegen auf Halde. Das Landgericht Dresden hat den Prozess nach wie vor nicht eröffnet. Den beiden Beamten wird im Zusammenhang mit der Affäre Verfolgung Unschuldiger vorgeworfen.

Wie bewertet der Ausschuss die strafrechtlichen Folgen?

Die Abgeordneten Bartl, Nolle und Lichdi halten das Vorgehen der Justiz für den eigentlichen Skandal. Die Regierung habe unter dem öffentlichen Druck im Sommer 2007 „hysterisch“ reagiert und mit großer Eile und Schnelligkeit für ein Ende des sogenannten Sachsensumpfes gesorgt. Angesichts der Ungeheuerlichkeit der Vorwürfe sei der große Zeitdruck verständlich, heißt es dagegen bei CDU und FDP. Es sei makaber, dass diejenigen, die damals die Skandalisierung betrieben hätten, heute die zügige Aufarbeitung kritisieren, sagte der CDU-Abgeordnete Christian Piwarz.