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Abschied von der Olbersdorfer Braunkohle

Kalenderblatt für den 30. September 1991: Vor 25 Jahren verließ der letzte Kohlezug den Tagebau. Lothar Kunath, Bergmann mit Leib und Seele, erinnert sich.

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© Privat / M. Weber

Von Rolf Hill

Der 30. September 1991, ein Montag, war ein historischer Tag. Am Rande des Tagebaus „Glück auf“ Olbersdorf hatten sich zahlreiche, meist festlich gekleidete Menschen versammelt. Unter ihnen auch Lothar Kunath, langjähriger verantwortlicher Hauptingenieur und schließlich letzter Leiter des Tagebaus.

Zeitzeuge Lothar Kunath.
Zeitzeuge Lothar Kunath. © Privat / M. Weber
Diese Elektro-Lokomotive 4-37, Gewicht 75 Tonnen, Leistung rund 1000 PS, fuhr auf 900 Millimeter Spurbreite den letzten Kohlezug aus dem Olbersdorfer Tagebau.
Diese Elektro-Lokomotive 4-37, Gewicht 75 Tonnen, Leistung rund 1000 PS, fuhr auf 900 Millimeter Spurbreite den letzten Kohlezug aus dem Olbersdorfer Tagebau. © Privat / M. Weber

„Es war um die Mittagszeit“, erinnert er sich. „Wir kämpften mit sehr gemischten Gefühlen. Auf den Gleisen stand der definitiv letzte Kohlezug abfahrbereit. Für uns ging ein Lebensabschnitt zu Ende.“ Zuvor waren die fünf Wagen mit je 25 Kubikmetern Fassungsvermögen ein letztes Mal aus dem dritten Kohleschnitt des Baufelds IV beladen worden. Nun ging es ans Abschiednehmen. 12.30 Uhr erklang der traditionelle Marsch „Glück auf, Glück auf – der Steiger kommt“. Dann setzten sich die von einer E-Lok gezogenen Waggons in Bewegung. „Es war schon ein feierlicher Augenblick“, räumt der heute 78-jährige Lothar Kunath ein, „trotzdem hat es überall recht nachdenkliche Gesichter gegeben.“ Immerhin gingen mit diesem Tag und der Schließung der Grube „Glück auf“ 83 Jahre Bergbau in Olbersdorf zu Ende.

Mit der Förderung von Braunkohle, zunächst noch unter Tage, hatte alles 1908 begonnen. 1911/12 entstand dann der Tagebau, in dem zum Schluss 670 Beschäftigte in Lohn und Brot waren. Unter teilweise äußerst komplizierten Bedingungen hatten sie immer wieder schwierige Zeiten zu meistern. Lothar Kunath, der 1963 als Gleisarbeiter begann, denkt da nur an den ungewöhnlich strengen Winter 1978/79.

Nun, an diesem letzten Septembertag 1991, standen viele der Olbersdorfer Kumpel vor einer ungewissen Zukunft. Darunter die letzte, vom damaligen Direktor des Braunkohlenwerkes „Oberlausitz“ Reiner Dähnert persönlich verabschiedete Baggerbesatzung mit Manfred Weigelt, Frank Hintersatz und Helmut Wenzel. Trotz aller Wehmut deutete sich aber in der Stunde des Abschieds ein optimistischer Ausblick an. Schon in absehbarer Zeit sollte aus dem riesigen Tagebau-Restloch ein 560 Hektar großes Naherholungsgebiet entstehen. Kernstück der Pläne war ein 60 Hektar großer Badesee. Nicht jeder ehemalige Bergmann glaubte daran, dass diese Pläne schnell Wirklichkeit werden würden.

Lothar Kunath gehörte nicht zu den Zweiflern. „Bereits 1991 übernahm ich die Leitung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unter Regie der Laubag, die mit der Sanierung und Rekultivierung des Tagebaus begann“, berichtet er. „Immerhin gelang es uns, 261 ehemalige Kollegen in diese zweijährige Maßnahme einzubeziehen.“ Dann erfolgte die Ausgründung zur LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft). „Diese erteilte uns als Sanierungsgesellschaft der Bergbausanierung und Landschaftsgestaltung Sachsen GmbH (BUL) die weiteren Aufträge.“ Lothar Kunath wurde Oberbauleiter für die Tagebaue Olbersdorf und später auch Berzdorf/Hagenwerder. Allein bis Mai 1993 wurden insgesamt 31,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Ziel war, den Erdbau bis Mitte 1996 und die Flutung des Restlochs bis 2000 abzuschließen. Letzteres wurde bereits ein Jahr vorher erreicht, anderenfalls hätte sich die 2. Sächsische Landesgartenschau Zittau-Olbersdorf 1999 nicht in vollem Maße entfalten können.

Und Lothar Kunaths Fazit heute? „Ich bin noch immer Bergmann mit Leib und Seele. Doch weiß ich längst, dass die damalige Entscheidung der Modrow-Regierung zur Tagebauschließung der einzig richtige Schritt zur Rettung unserer Region gewesen ist.“ Selbst der Versuch, den Zittauer Stadtkern irgendwie zu retten, hätte nach seiner Einschätzung keine Chance gehabt. Durch die geplante Erweiterung der Grube „Glück auf“ in Richtung Zittau-Süd bis 2017 und den vorgesehenen Aufschluss im Raum Mittelherwigsdorf/Eckartsberg 2015/35 wäre die verbleibende Insel vermutlich in sich zusammengebrochen. Lothar Kunath ist glücklich, dass dieses Szenario nie Wirklichkeit wurde. Und er ist sehr froh darüber, dass er nicht nur mehrere Jahrzehnte den Tagebau leiten, sondern auch an verantwortlicher Stelle für die Beseitigung der Folgen arbeiten konnte. „Täglich aufs Neue zu sehen, was sich da verändert, das war die schönste Zeit meines Lebens“, versichert er.