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Sachsens bekannteste Polizistin

Die Polizeibeamtin Adrienne Koleszar ist der größte Social-Media-Star in Dresden. Dabei wollte sie doch nur Geld für den Bus. 

Von Henry Berndt
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Das Foto von Adrienne Koleszar in Polizeiuniform ging 2016 um die Welt.
Das Foto von Adrienne Koleszar in Polizeiuniform ging 2016 um die Welt. © privat

Sie hat kein Problem damit, ihr Problemzonen zu zeigen. „Hey, ich habe extreme Hautprobleme“, schreibt Adrienne Koleszar auf Instagram. „Hey, meine Beine schwellen abends an. Auch ich habe Cellulite.“ Will sagen: Diese Frau ist ein Mensch wie Du und ich. In ihrem Profil zeigt sie täglich sich und ihre Leidenschaften und beweist, wie unheimlich viele Facetten sie hat – so wie der neue Volkswagen T-Cross.

Wie bitte? Dort, wo charmante Lebensberatung und bezahlte Werbung zusammentreffen, sind die Influencer zu Hause. Besonders auf Social-Media-Plattformen wie Instagram sorgen sie für eine Menge Aufmerksamkeit, die Unternehmen wie Volkswagen gern für sich nutzen und dafür bereitwillig Geld zahlen. In der eher übersichtlichen Dresdner Influencer-Szene sticht sie heraus: Adrienne Koleszar hat auf Instagram inzwischen mehr als eine halbe Million Follower.

Dabei ist die 33-jährige hauptberuflich Polizeibeamtin im Revier Dresden-Süd. Um sich ganz ihrer Influencer-Karriere widmen zu können, hat sie sich ein halbes Jahr beurlauben lassen und sollte eigentlich ab 1. Januar wieder auf Streife gehen. Doch ob es wirklich so weit kommt, das steht gerade in den Sternen. Ihr Zweitjob macht nämlich gerade ziemlich viel Spaß.

Aber wie konnte es überhaupt soweit kommen, dass eine Polizistin aus Dresden die Blicke aus aller Welt auf sich zieht? Ein Blick auf den Beginn ihrer Internet-Karriere vor vier Jahren zeigt: Es gibt da auch noch die Fitnessfanatikerin Adrienne Koleszar, die regelmäßig an nationalen und internationalen Ausscheiden teilnahm. 2014 wurde sie Deutsche Bodybuilding-Vizemeisterin in der Bikiniklasse. Um sich ihre teuren Reisen zu den Wettbewerben weiter leisten zu können, suchte sie nach Sponsoren und bekam den Tipp, sich ein Profil bei Instagram anzulegen.

Auf Instagram zeigte sie bereits ihre Muskeln 
Auf Instagram zeigte sie bereits ihre Muskeln  © privat

Und so zeigte sie sich ab 2014 mit vielen Muskeln und wenig Kleidung ihrer langsam aber stetig wachsenden Anhängerschaft. Einen Sponsor fand sie zwar nie, gab den Leistungssport bald auf, doch Instagram blieb sie treu. Ein einziges Foto im Frühjahr 2016 sollte ihre Followerzahlen dann in die Höhe schnellen lassen: In Uniform lehnt Adrienne an einem Streifenwagen, im Hintergrund die Dresdner Altstadt. Wenig später war sie in den Boulevardmedien die „heißeste Polizistin Deutschlands“ und wurde bald weltweit als „Hottest Cop“ gefeiert. Bis zu 50 000 Follower pro Tag gewann Adrienne in jener Zeit hinzu und sie wusste selbst nicht, was ihr da geschah.

„Mir war das eher unangenehm“, erinnert sie sich. „Ich wollte kein Hottest Cop sein, sondern die Adrienne von nebenan.“ Noch vor zwei Jahren schrieb Adrienne unter eines ihrer Bilder auf Instagram: „Nennt mich Instagrammer, Influencer oder Youtuber – im Herzen bleibe ich Polizeibeamtin.“ Doch wenn man einmal ein paar Hunderttausend Follower hat, dann ist man ja fast gezwungen, irgendwas daraus zu machen. „Das war sozusagen eine ungewollte Schwangerschaft“, sagt sie. „Aber jetzt liebe ich mein Baby.“

Ab Ende 2016 mauserte sich Adrienne Koleszar zur professionellen Influencerin. Nackte Haut und Muskeln? Damit konnte man vielleicht für Eiweißpulver oder Fitnessgeräte werben, aber die großen Zielgruppen erreicht man so nicht. Sie braucht die Frauen auf ihrem Profil. „Wenn mir Männer aus Südamerika folgen und sich meine Bilder ansehen, dann nützt mir das gar nichts.“ Insofern sei auch die halbe Million Follower nur eine Zahl, die nicht viel zu bedeuten habe. Manch einer behauptet ja, die Followerzahl mal zwei entspräche dem Jahreseinkommen eines Influencers. „So ein Quatsch“, sagt Adrienne und lacht laut los. „Das sollte man wirklich nicht ernst nehmen. Man kann Geld verdienen, ja, aber sicher kein Vermögen.“ Vor allem auf die Qualität der Follower komme es an, das würden potenzielle Werbepartner ganz schnell erfassen.

In ihrer neuen Rolle setzt Adrienne Koleszar  nun auf Sonne, Strand und Lebenslust. 
In ihrer neuen Rolle setzt Adrienne Koleszar nun auf Sonne, Strand und Lebenslust.  © privat

Genau deswegen erfand sich die öffentliche Adrienne neu. Statt eingeölt und in perfekter Pose präsentiert sie sich nun auf Bildern voller Lebensfreude – mit Sonnenbrille am Strand, beim Herbstspaziergang, in der Küche – oder sie lümmelt auch mal pickelig auf dem Sofa. Hautprobleme zählen mehr als ein knackiger Po. Ihre kurzen Texte dazu sind mal albern, mal fast philosophisch. Mal geht es um ihre Kopfschmerzen und mal um ihre Brustimplantate, die jeweils 255 Gramm wiegen, wie man ungefragt erfährt.

Das halbe Jahr in Freistellung wollte Adrienne eigentlich nutzen, um Videos für YouTube zu drehen und ihren eigenen Blog zu pflegen. Doch es kam anders. Beide Kanäle liegen zur Zeit brach. Ein anderes Projekt habe in den vergangenen Monaten fast ihre gesamte Zeit und Aufmerksamkeit erfordert, sagt sie. Mehr darf sie noch nicht verraten. Irgendwas mit Medien.

Wie weit ist der Weg zurück in den Polizeidienst? Sie hat sich schon mal den Dienstplan für nächstes Jahr schicken lassen und ihn mit ihren Anfragen abgeglichen. Längst scheint klar zu sein, dass Adrienne Koleszar künftig keine Zeit mehr für zwei Vollzeitjobs haben wird. „Diese Entscheidung will gut überlegt sein“, sagt sie. „Zehn Jahre Polizeidienst kann man nicht einfach so hinter sich lassen.“ Außerdem, so überlegt sie, könne so eine Blase auch schnell platzen. Und jünger wird sie auch nicht. „Wer will schon die Bauchmuskeln einer 45-Jährigen sehen?“