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Ärger um ungewollte Balkone

Eine Genossenschaft saniert Wohnungen in Dresden. Die Preise steigen. Viele Bewohner würden auf die Verbesserungen gern verzichten. Doch dürfen sie das?

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Viele wollen ihn unbedingt. Auf der Suche nach einer neuen Wohnung darf der Balkon heutzutage meist nicht fehlen. Werden die Austritte nachträglich angebaut, sorgt das hingegen häufig für Ärger. Denn für gewöhnlich steigt dann die Miete. Im Quartier zwischen Tieck-, Lessing-, Melanchton- und Weintraubenstraße will die Sächsische Wohnungsgenossenschaft Dresden (SWGD) 124 Apartments modernisieren und Balkone anbauen – zum Ärger einer Hausgemeinschaft.

In einem Schreiben an den Vorstand lehnt der Großteil der Genossenschaftler aus der Lessingstraße 9 die Modernisierung strikt ab. „Wir wenden uns insbesondere gegen den Anbau von Balkonen, der zu einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Miete – je nach Wohnung zwischen 25 und 40 Prozent – führen würde“, heißt es in dem Schriftstück, das der SZ vorliegt. Die Bewohner fürchten vor allem in den Erdgeschossen erhöhte Einbruchgefahr. Warum die SWGD die Balkone nachrüsten will, ist für die Gemeinschaft völlig unklar: Erhöhte Einbruchgefahr und höhere Mieten würden dazu führen, dass die Apartments später schlechter zu vermieten seien. Die Genossenschaftler fühlen sich übergangen.

Sie sind vor einem guten Monat mit einem Schreiben informiert worden, einige Zeit später gab es eine Mieterversammlung. „Wir sind äußerst befremdet darüber, dass es vor Beginn der Planung keine Informationen gegeben hat. Es fand auch keine Befragung der Betroffenen statt, um herauszufinden, ob die Maßnahmen überhaupt gewünscht sind“, wird in dem Schreiben bemängelt. „Das ist ein vollkommen inakzeptabler Stil im Umgang mit den Genossenschaftsmitgliedern.“

SWGD-Vorstand Torsten Munk sieht das allerdings anders. Wenn eine Modernisierung anstehe, gehe die Genossenschaft immer gleich vor: Die Arbeiten werden schriftlich angekündigt, danach gibt es eine Informationsveranstaltung und schließlich gehen Mitarbeiter der SWGD noch einmal in jede Wohnung, um mit den Mietern im Detail zu sprechen und Fragen zu beantworten. Im Quartier in der Inneren Neustadt passiere das gerade. „Ein Mitspracherecht bei solchen Entscheidungen haben die Genossenschaftler indes nicht. Art und Umfang der Maßnahmen legt der Vorstand in enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat fest“, sagt Munk. Im Quartier nahe der Albertbrücke seien die Arbeiten nötig.

Denn die Gebäude wurden Ende der 1950er-Jahre errichtet und zuletzt 1993 grundlegend saniert. Die technische Ausstattung sei deshalb nicht mehr auf dem neusten Stand. Nun sollen Fassaden, Treppenhäuser und Abwasserleitungen komplett erneuert werden. „Darüber hinaus wollen wir einen Vermietungsnachteil ausräumen: das Fehlen der Balkone“, sagt der Vorstand. Bei einer Neuvermietung von Wohnungen ohne Balkon brauche die Genossenschaft in der Regel drei bis vier Besichtigungstermine mehr als üblich, manchmal findet sich überhaupt kein Interessent. Im Quartier in der Inneren Neustadt sei die Lage besonders prekär, weil alle umliegenden Häuser Balkone haben. Um die Apartments – gerade im Erdgeschoss – trotzdem vor Einbrechern zu schützen, werden Außenjalousien angebracht.

Die Arbeiten an den Häusern sollen schon Anfang April beginnen. Der Abschluss der Modernisierung ist für Mitte bis Ende Oktober geplant. Die Genossenschaft geht davon aus, dass sie knapp vier Millionen Euro investieren muss. Deshalb wird auch die Miete der Bewohner im Anschluss steigen. Derzeit bezahlen die Genossenschaftler im Schnitt 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Die steigt voraussichtlich auf 6,90 Euro. „Diese Erhöhung kann jedoch im Augenblick nur geschätzt werden, da die Höhe der Modernisierungsumlage von den tatsächlichen Baukosten abhängt“, sagt Munk.

Denn es gibt rechtliche Vorgaben, wie auch Mathias Wagner, Sprecher des Mietervereins Dresden, auf SZ-Anfrage bestätigt. Elf Prozent der für die Wohnung investierten Kosten könnten pro Jahr auf die Miete draufgeschlagen werden, erklärt der Experte. Arbeiten, die für den Erhalt des Apartments essenziell sind, müssten allerdings abgezogen werden. Rechtlich steht die Genossenschaft auf der sicheren Seite, weiß Wagner. „In Bezug auf Modernisierungen gibt es keinen Unterschied zwischen „normalen“ Mietverhältnissen und genossenschaftlichen Nutzungsverträgen. Mieter müssen Modernisierungsmaßnahmen grundsätzlich dulden. In den Entscheidungsprozess müssen sie nicht einbezogen werden“, sagt der Experte. Der Vermieter ist lediglich verpflichtet, die Bewohner drei Monate vor Baubeginn schriftlich zu informieren. „Wenn er darüber hinaus Mieterversammlungen einberuft oder in Einzelgesprächen individuelle Probleme abklärt, ist das zu begrüßen, aber vom Gesetzgeber nicht gefordert“, so Wagner.

Der Mieterverein berät in einer kostenlosen Veranstaltung am 20. April zum Thema Modernisierung. Um Anmeldung unter Telefon 866450 wird gebeten.