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Ärzte kritisieren zu hohe Ansprüche von Patienten

Weniger Egoismus, mehr Eigenverantwortung von Patienten ist notwendig, fordert der Sächsische Ärztetag. Sonst drohen höhere Kassenbeiträge.

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© dpa/Mascha Brichta

Von Steffen Klameth

Dresden. Weniger Egoismus, mehr Eigenfürsorge – das fordert der Sächsische Ärztetag von den Patienten im Lande. Das hohe Anspruchsverhalten habe zu einer „Flatrate-Mentalität mit ungesteuerter Leistungsinanspruchnahme geführt“, heißt es in einem Strategiepapier, das das Ärzteparlament am Sonnabend einstimmig verabschiedet hat.

„Viele unserer Patienten tragen keine Eigenverantwortung mehr“, sagte Erik Bodendieck, Präsident der Landesärztekammer. Als Beispiel berichtete er von einer Mutter, die mit ihrem Kind in seiner Praxis erschien. Sie hätte nicht mal die Körpertemperatur ihres Kindes sagen können, weil sie kein Fieberthermometer besaß. Der Leipziger Hausarzt Dr. Stefan Windau ärgert sich über Patienten, die einfach mal so ein MRT verlangen. Die Schuld für das „Ich-will-alles-sofort“-Denken gab er der Politik und den Krankenkassen: „Keiner hat den Mut, zu sagen, dass das so nicht geht.“

Hinter den Alarmrufen steckt die Sorge vor einem ungebremsten Kostenanstieg und höheren Kassenbeiträgen. Die Deutschen seien Spitzenreiter bei Arztbesuchen und Behandlungen mit Prothesen und Herzkatheter. Das System in seiner jetzigen Form sei in absehbarer Zeit nicht mehr finanzierbar, sagte Bodendieck: „Den Patienten muss klargemacht werden, was medizinische Versorgung kostet.“ Zugleich stellte er sich hinter Forderungen, jene Patienten mit einer Gebühr zu bestrafen, die Notaufnahmen unnötigerweise in Anspruch nehmen.

Ausdrücklich befürwortet das Papier die Priorisierung von Gesundheitsleistungen. Nicht alles, was machbar ist, sei auch nötig, erklärte der Ärztepräsident und nannte in diesem Zusammenhang vor allem sehr teure lebensverlängernde Maßnahmen im hohen Alter.

Bei der Reform des Gesundheitswesens machen sich die Ärzte für eine Patientenversorgung aus einer Hand stark – „aber nicht mit Heilpraktikern“, betonte Bodendieck. Den Hausärzten komme dabei die zentrale Rolle zu; sie müssten entscheiden, wann eine Behandlung beim Facharzt oder in einer Klinik erforderlich ist.

Mit großer Mehrheit machte der Ärztetag den Weg für die uneingeschränkte Fernbehandlung frei. Voraussichtlich ab September dürfen Ärzte „im Einzelfall“ Patienten auch ausschließlich telefonisch oder per Videosprechstunde beraten und behandeln. Bisher setzt die Berufsordnung grundsätzlich einen persönlichen Kontakt voraus. Man wolle damit Internetdiensten wie Google und virtuellen Ärzten einen Riegel vorschieben, hieß es zur Begründung. Kritiker befürchten, dass der Beschluss solchen Diensten das Agieren gerade erleichtert.