Sachsen
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Ärzte unter Betrugsverdacht

Bei einer Großrazzia durchsuchte die Polizei Praxen und Wohnungen im Raum Leipzig. Die Anzeige ist bereits drei Jahre alt.

Von Steffen Klameth
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© dpa/Karl-Josef Hildenbrand (Symbolbild)

Leipzig/Dresden. Die Polizei rückte noch vor Sonnenaufgang an: Etwa 160 Beamte der Polizeidirektion und vier Staatsanwälte durchsuchten am Mittwoch insgesamt 18 Arztpraxen und Wohnungen im Südraum von Leipzig. Darüber informierten beide Behörden in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Laut Staatsanwaltschaft richten sich die Ermittlungen gegen acht aktive und pensionierte Ärzte. Ihnen wird vorgeworfen, mehrere gesetzliche Krankenkassen in großem Maßstab durch Falschabrechnungen betrogen zu haben. Die Ermittlungsbehörden gehen derzeit von einem Schaden von über 2,5 Millionen Euro aus.

Aufgrund der bisherigen Ermittlungen bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigten über einen Zeitraum von fünf Jahren Behandlungen abgerechnet haben, ohne dass die abrechnenden Ärzte wirklich tätig geworden sind. So sollen vier der Beschuldigten tatsächlich nicht mehr als Arzt praktiziert haben, verfügten aber als ehemalige Vertragsärzte noch über eine Zulassung und eine Abrechnungsnummer. Diese Nummern sollen sie den anderen Beschuldigten für die Abrechnung zur Verfügung gestellt haben.

Praktisch funktioniert das nicht nur mit Luftrechnungen, sondern auch mit Arbeiten, die Ärzte in Weiterbildung erledigen. Diese Assistenten verfügen über keine Abrechnungsnummer. Deshalb muss ihnen stets ein Arzt zur Seite stehen, damit die Leistung bei den Kassen auch abgerechnet werden darf – was im konkreten Fall nach bisherigen Erkenntnissen offenbar anders lief. „Wenn Assistenzärzte ohne fachärztliche Betreuung tätig sind, dann entfällt der komplette Honoraranspruch“, betont Dr. Klaus Heckemann, Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen.

Für die Betroffenen kam die Razzia am Mittwoch möglicherweise nicht überraschend. Bereits im Sommer dieses Jahres hatte das Amtsgericht Leipzig auf Antrag der dortigen Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen einen der Ärzte erlassen. „Der Haftbefehl wurde Ende Juli vollzogen und nach wenigen Tagen gegen eine Kautionszahlung außer Vollzug gesetzt“, teilte Staatsanwältin Dr. Andrea Salz auf Anfrage mit. Im Rahmen der Ermittlungen gerieten zunächst zwei weitere Ärzte unter Betrugsverdacht.

Auslöser stammt aus dem Jahr 2016

Auslöser der Ermittlungen war eine Anzeige bei der Krankenkasse KKH im Oktober 2016. „Ein Versicherter hatte über eine Auskunft festgestellt, dass eine Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung abgerechnet wurde, die aber nie stattfand“, berichtet Dina Michels, die bei der KKH Hinweisen zu Fehlverhalten von Ärzten nachgeht. Daraufhin habe man Anzeige erstattet.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen war einer der Ärzte bereits vor vielen Jahren wegen überhöhter Abrechnungen aufgefallen. „Leider dürfen wir die Praxisdokumentationen nicht einsehen, deshalb fehlten uns die Belege“, sagt Dr. Heckemann. Daran dürfte es jetzt nicht mangeln: Laut Staatsanwaltschaft wurde umfangreiches Beweismaterial, darunter Geschäftsunterlagen, Handys und Computer, sichergestellt.