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AfD-Chef erwägt Abspaltung des "Flügels"

Jörg Meuthen befürchtet Stimmverluste im bürgerlichen Lager. Deshalb schlägt er eine Teilung vor. Die Reaktion der sächsischen AfD ist deutlich.

Von Thilo Alexe
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Alexander Gauland (r) hält Gedankenspiele von Parteichef Jörg Meuthen (l) zu einer möglichen Teilung der Partei in einen "freiheitlich-konservativen" und einen "sozialpatriotischen" Flügel für falsch.
Alexander Gauland (r) hält Gedankenspiele von Parteichef Jörg Meuthen (l) zu einer möglichen Teilung der Partei in einen "freiheitlich-konservativen" und einen "sozialpatriotischen" Flügel für falsch. © Sina Schuldt/dpa

Die erste Reaktion der sächsischen AfD fällt kurz und deutlich aus. „Die Einheit der AfD ist unantastbar!“, verkündet der Landesverband via Facebook. Den Post ziert eine Deutschlandfahne.Er ist die Antwort auf ein Interview von AfD-Bundeschef Jörg Meuthen, in dem der Europaabgeordnete offen die Abspaltung des „Flügels“ anregte.

Der Internetplattform „Tichys Einblick“ sagte er: „Jeder weiß, dass der Flügel und dessen maßgebliche Exponenten uns ganz massiv Wählerstimmen im bürgerlichen Lager kosten.“ Meuthen fügte hinzu, er glaube zudem, dass die „ordoliberalen Ansichten des bürgerlich-konservativen Teils der AfD noch bessere Ergebnisse im staatpaternalistisch geprägten Wählermilieu des Flügels verhindern“.Damit plädierte Meuthen für ein bewusst herbeigeführtes Auseinanderbrechen der AfD, freilich mit einer Hoffnung: „Insgesamt ließen sich so mehr und nicht etwa weniger Wähler erreichen als in der derzeitigen, wenn man einmal ehrlich ist, permanent konfliktträchtigen Konstellation.“ 

Gauland lehnt Meuthens Gedankenspiele ab

Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland lehnte Meuthens Überlegungen ab. "Die Überlegungen von Jörg Meuthen sind wenig zielführend und extrem unpolitisch", kritisierte Gauland, der auch Ehrenvorsitzender der Partei ist. Das militärische Motto "getrennt marschieren, vereint schlagen" setze eine einheitliche Führung voraus, und genau die wolle Meuthen jetzt beseitigen, sagte er am Donnerstag.

Auch wenn Meuthen es so nicht umschrieb: Rein formales Vorbild könnten die Schwesterparteien CDU und CSU sein. Die AfD wäre dann vor allem im Westen aktiv, der „Flügel“ in den Ost-Ländern. Meuthen: „Mit einem selbstständigen Flügel könnte Björn Höcke Bodo Ramelow womöglich noch weit mehr in Bedrängnis bringen.Der Deutschen Presseagentur sagte der Parteichef, er verstehe seine Überlegungen als Beitrag zu einer Strategiedebatte.

Im März stufte der Verfassungsschutz den „Flügel“ als rechtsextrem ein. Daraufhin drängte die Parteispitze um Meuthen die lose Gliederung um den Thüringer AfD-Chef Höcke zur Selbstauflösung. Die Partei hat dort die besten Wahlergebnisse, wo der „Flügel“ stark ist – im Osten. Allerdings droht ohne Abgrenzung die Beobachtung der Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz.

Ob Meuthens Vorstoß Chancen auf eine Umsetzung hat, ist fraglich. Die Trennung einer Partei jedenfalls dürfte kompliziert sein, schon allein die Neuordnung der Finanzströme wäre konfliktträchtig. Zumal erfolgreiche Vorbilder fehlen: AfD-Abspaltungen von Bernd Lucke, Frauke Petry und André Poggenburg sind alle mehr oder minder gescheitert. Meuthen allerdings will den Verweis nicht mehr gelten lassen. Er sprach von einer vitalen Kraft des „Flügels“: „Die heutigen Protagonisten sind doch ganz andere Kaliber.“

Versöhnungsabgebot an den „Flügel“?

Meuthen ist nicht der einzige in der AfD, der Strategieüberlegungen anstellt. Kurz vor dem Interview veröffentlichte sein Co-Chef, der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla, eine Erklärung. „Es gibt nur eine AfD!“, heißt es in dem Papier, das auch die Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alice Weidel und  Gauland unterzeichneten. Die Auflösung des „Flügels“ bedeute die „Rückkehr zur inneren Einheit“ und sei ein wichtiger Schritt zur „Bündelung der Kräfte als freiheitlich-soziale Partei“. Fazit des Führungstrios: „Nur so können wir gesamtdeutsche Volkspartei werden.“

Damit stehen zwei Sichten gegeneinander. Die AfD als gesamtdeutsche Partei gegen das von Meuthen favorisierte Modell einer ähnlich ausgerichteten Kraft, die allerdings einen anders strukturierten und wohl vorrangig ostdeutschen Ableger hat. Beobachter stuften das Chrupalla-Papier, in dem die Gemeinsamkeiten in der AfD betont werden, als Versöhnungsabgebot an den „Flügel“ ein. Meuthens Überlegungen bedeuten dagegen eine konsequente Abtrennung. Chrupalla zeigte sich am Donnerstagabend "menschlich enttäuscht" von Meuthens Vorstoß. Wie die Debatte weitergeht, ist offen. Der für April geplante AfD-Sozialparteitag wurde wegen der Corona-Pandemie abgesagt.​ (mit dpa)