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AfD fördert Antiasyl-Proteste

Dafür müssen sich die Initiativen einen gemäßigten Anstrich geben. Das kommt nicht bei allen Anhängern gut an.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Matthias Weigel, Andrea Schawe und Peter Anderson

Freital/Heidenau. Wochenlang hat André Barth die asylfeindlichen Demonstrationen in der Region observiert. Der Landtagsabgeordnete und AfD-Kreischef trat als unbeteiligter Beobachter auf. Am Freitag, zur Demo der Bürgerinitiative Heidenau, gab es für den Rechtsanwalt mit Wahlkreis im Osterzgebirge aber kein Halten mehr. Barth mischte sich unter die 120 Teilnehmer, die gegen die Asylpolitik auf der Straße gingen. Zuvor hatte bereits AfD-Kreisrat Tobias Fuchs am Platz der Freiheit gesprochen und zum „bürgerlichen Protest“ aufgerufen.

Die Bürgerinitiative Heidenau geht auf die Straße: Volksverräter-Rufe sind hier nicht mehr in.
Die Bürgerinitiative Heidenau geht auf die Straße: Volksverräter-Rufe sind hier nicht mehr in. © SZ/Domokos Szabo
AfD-Kreischef André Barth hat eine Weile die Demos nur beobachtet. Am vergangenen Freitag reihte er sich in Heidenau ein.
AfD-Kreischef André Barth hat eine Weile die Demos nur beobachtet. Am vergangenen Freitag reihte er sich in Heidenau ein. © Karl-Ludwig Oberthür

Heidenau ist kein Einzelfall. Die Alternative für Deutschland ist dabei, die asylfeindlichen Proteste in Sachsen für sich zu instrumentalisieren. Mit mehreren Initiativen in der Region haben die Rechtspopulisten angebandelt. So auch in Wilsdruff, Freital und Meißen. Mehrfach schon traten in der Vergangenheit AfD-Politiker auf Demos oder in deren Umfeld auf. Darunter auch der Heidenauer Kreisrat Hans-Jörg Borasch, der in Freital zur Initiative „Europa 2.0“ sprach – diese demonstriert gegen „Bürgerkrieg in Deutschland“ und „Asylwahnsinn“. In Meißen stellt die AfD schon länger Technik zur Verfügung. In Heidenau und Freital waren Plakate und Flyer auffällig in den markanten AfD-Blautönen gestaltet.

Aus dem Engagement macht die eurokritische Partei kein Geheimnis mehr. Sie will es sogar bewusst ausweiten – im Zuge einer „Herbstoffensive“. „Wir haben beschlossen, ab sofort regelmäßig den Protest der Bürger mit Demonstrationen auf die Straße zu bringen“, heißt es. Zudem werde man bei Bedarf verschiedene Bürgerinitiativen mit Rednern, Organisatoren und Technik unterstützen. „In der AfD wurde dafür speziell eine sachsenweite Arbeitsgruppe gegründet“, sagt Barth.

Nachdem die AfD in Dresden bei Pegida abgeblitzt ist und Anführer Lutz Bachmann eine eigene Partei gründen möchte, will die AfD nun offensichtlich Wähler und Sympathisanten im Umland abfischen. „Wichtig ist, den Protest über Dresden hinaus ins Land zu transportieren.“ Man wolle das nicht den extremen, politischen Rändern von Links- oder Rechtsaußen überlassen. Schnittmengen zu Pegida bleiben wohl aber bestehen. Immerhin ist der skurrile Rechtsanwalt Jens Lorek als Versammlungsleiter der Demonstrationen in Freital und Heidenau aktiv. Der Mann mit schwarzem Mantel und Hut trat mehrmals auch als Beistand der Pegida-Bewegung auf.

Dafür, dass das Anbandeln der AfD mit den Besorgtbürgern funktioniert, ist aber offensichtlich ein neuer, gemäßigter Anstrich für die Protestinitiativen nötig. Während früher auf Anti-Asyl-Demos mitunter Böller flogen und man rassistische Parolen grölte oder im Internet gnadenlos gegen Flüchtlinge gehetzt wurde, gibt man sich nun friedlicher. Man distanziert sich – zumindest auf dem Papier – von radikalen Meinungen oder zuletzt in Heidenau von Volksverräter-Rufen gegen Kommunalpolitiker. Man wolle den Dialog mit den Rathäusern fortführen, um Probleme gemeinsam zu lösen. Nun wird „Merkel muss weg“ zur Losung der Demonstranten.

Angst vor feindlicher Übernahme

Auch im Internet achtet man nun deutlicher darauf, dass Hetze und Hasstiraden ausbleiben. Dass sich dennoch sichtbar Rechtsextreme unter den Sympathisanten tummeln, müsse man aber in Kauf nehmen: „Auf die Besucher von Demonstrationen kann der Veranstalter keinen Einfluss nehmen, solange diese nicht gegen Gesetze oder Auflagen verstoßen“, so Barth. Eine Auswahl der Teilnehmer nach Gesinnung sei nicht möglich. „Voraussetzung für die Unterstützung seitens der AfD ist aber, dass die Bürgerbewegungen auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“, betont Barth gegenüber SZ.

Der Köder der AfD mit professioneller und finanzstarker Unterstützung stößt derweil auf gemischte Reaktionen bei den Asylkritikern. Einerseits begrüßt man das, nachdem zuletzt die Zahl der Teilnehmer stetig sank, sich die Gruppen immer weiter zersplitterten: In Heidenau lobte eine Rednerin den Schulterschluss – das sei besser als Konkurrenzdenken. Die AfD könne versuchen, die Dinge im Parlament zu lösen, „wir hier auf der Straße.“ Man bleibe aber „parteipolitisch neutral“. Auf Facebook schreiben Nutzer: „AfD … ist einzige Rettung, CDU und der Rest haben ausgedient!“

In Meißen hingegen gab es bereits erste Austritte aus der sogenannten Initiative Heimatschutz, bis hoch ins Leitungsteam. Auf Facebook schreibt ein Nutzer: „Das ist keine Partnerschaft das ist eine Übernahme … um Potenzielle Wähler stimmen zu bekommen.“ (Fehler im Original)

Die rechtsextreme NPD sowie diverse Kameradschaften wollen der neuen Konkurrenz das Feld indes nicht kampflos überlassen. Denn das würde die eigenen Strukturen und Positionen weiter schwächen. In Freital feindet die radikale und selbst ernannte Bürgerwehr „FTL/360“ die Beteiligten offen an. Von „Verrätern“ an der Sache, von „einknicken“ ist die Rede. Die NPD macht verstärkt mit eigenen Demos mobil, wie gestern in Großenhain.

Die Bürgerinitiativen indes wollen ihre neue Stärke und Einheit erstmals in Freital am 3. Oktober bei einem gemeinsamen Sternmarsch „für den Frieden“ zeigen. Ein erster Härtetest dafür, ob die AfD-Offerte den erhofften Aufschwung bringt.