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Afghanistan-Veteran fährt Motorradfahrer tot

Aus Frust über die Bundeswehr greift der Eibauer Soldat wieder zur Flasche und baut zwischen Kiesdorf und Ostritz einen Unfall. Die Frage vor dem Zittauer Amtsgericht ist nur: Trank er vorher oder nachher?

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Der junge Mann erweckt den Eindruck, als habe er für diesen Termin seine besten Klamotten herausgesucht. In bordeauxfarbenem Sakko, grauer Hose und Krawatte erscheint Matthias H. an diesem Tag vor dem Amtsgericht Zittau, der Bart in Form gestutzt. Der gepflegte Auftritt kann nicht schaden. Denn was die Staatsanwaltschaft Görlitz dem 32-jährigen Zeitsoldaten aus Eibau vorwirft, ist nicht schmeichelhaft: Fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung.

Am 9. Juni 2017 war Matthias H. gegen 22 Uhr mit seinem Renault zwischen Kiesdorf und Ostritz unterwegs. In einer leichten Rechtskurve geriet er auf die Gegenfahrbahn und prallte frontal in ein entgegenkommendes Kleinkraftrad – dessen Fahrer starb noch an der Unfallstelle. Und am Unfallort stellte die Polizei bei Matthias H. einen Atemalkoholwert von über 1,6 Promille fest. So viel ist unstreitig. Das Gericht unter Vorsitz von Amtsrichter Kai Ronsdorf muss nun aber klären, wann Matthias H. diesen Alkohol getrunken hat. Der Angeklagte behauptet nämlich, erst unmittelbar nach dem Unfall noch in seinem Autowrack 0,35 Liter Kräuterlikör auf ex getrunken zu haben.

Der tödliche Unfall markiert das traurige Ende einer Alkoholkarriere, die gerade erst ein glückliches Ende genommen zu haben schien. Matthias H. schilderte dem Gericht von seinem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. „Da hat‘s geknallt und gescheppert. Ich habe deswegen heute noch schlaflose Nächte“, sagte er. 2016 geriet die Beziehung zu seiner damaligen Lebensgefährtin ins Kriseln – unter anderem wegen des weit entfernten Bundeswehrstandortes, der nur eine Wochenendbeziehung zuließ. Matthias H. schildert, er habe intensiv angefangen zu trinken. Aber er habe das Problem auch erkannt. „Ich habe im Januar 2017 einen qualifizierten Entzug begonnen“, sagt er. Die Bundeswehr habe ihm zugesagt, ihn danach an eine heimatnahe Dienststelle zu versetzen.

Nur einen Tag vor dem Unfall erklärte man ihm im Bundeswehr-Krankenhaus in Berlin, er habe den Entzug erfolgreich absolviert und sei wieder voll einsatzfähig – die zugesagte Versetzung aber habe man ihm verweigert. Am Unfalltag sei er dann seit 5 Uhr morgens am Gefechtsübungszentrums Gardelegen im Einsatz gewesen und bei Dienstschluss in die Heimat aufgebrochen. Auf der dreistündigen Fahrt gärte in ihm der Frust. Und in Bautzen siegte der über die Abstinenz. „An einer Tankstelle habe ich dort einen halben Liter Bier getrunken und eine Flasche Goldkrone und Gebirgskräuter gekauft“, erzählt er. Das Hochprozentige habe er erst daheim verzehren wollen. Dann aber kam der Crash. „Ich war geschockt und hatte Angst vor dem, was mich außerhalb des Autos erwartet“, antwortete Matthias H. auf die Frage des Richters nach dem seltsamen Verhalten. Richter Ronsdorf verlas auch den ärztlichen Untersuchungsbericht, der auf einen hohen Alkoholgewöhnungsgrad des Angeklagten schließen lasse. So habe der Arzt im Görlitzer Krankenhaus einen sicheren Gang und eine deutliche Aussprache attestiert. „Das ist bei jemandem, der zum ersten Mal einen solchen Promillewert hat, nicht der Fall“, sagte Ronsdorf. Auch hielt er ihm vor, nach dem Unfall der Polizei gegenüber selbst auf Nachfrage nichts von dem Alkoholkonsum nach dem Crash gesagt zu haben.

Der Richter legte Matthias H. nahe, seine Version der Alkoholisierung mit Blick auf deren Einfluss auf die Strafzumessung zu überdenken. „Ich weiß nicht, was bei dem Gutachten rauskommt, das hier verlesen wird“, sagte er. Die Verhandlung wird am. 11. Dezember um 13 Uhr fortgesetzt.