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Afghanistan wählt

Viele Afghanen trotzen den Taliban: Bei der Präsidentenwahl ist der Andrang in einigen Wahllokalen so groß, dass die Öffnungszeit landesweit verlängert wurde. Mancherorts gegen die Stimmzettel aus.

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© Reuters

Kabul. Trotz Anschlagsdrohungen der Taliban haben am Samstag zahlreiche Afghanen einen Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Hamid Karsai gewählt. Wegen des Andrangs und der verspäteten Öffnung von Wahlzentren wurde deren Schließung um eine Stunde auf 17.00 Uhr (Ortszeit/14.30 Uhr MESZ) verschoben, wie die Unabhängige Wahlkommission (IEC) am Samstagmittag mitteilte. In mehreren Wahlzentren seien die Stimmzettel ausgegangen, die aus den jeweiligen Provinzhauptstädten nachgeliefert werden sollten.

Taliban drohen mit Anschlägen

Aufgrund der schlechten Sicherheitslage mussten nach IEC-Angaben am Wahltag weitere 211 Wahlzentren geschlossen bleiben - 748 andere waren schon vor der Wahl für geschlossen erklärt worden. 6212 Wahlzentren im Land seien geöffnet, hieß es. Die Taliban hatten eine Welle von Anschlägen auf Wahllokale angedroht, die zunächst ausblieb. Allerdings kam es zu vereinzelten Zwischenfällen.

Vize-Innenminister Mohammad Ajub Salangi sagte: „Landesweit wurden Dutzende Aufständische durch afghanische Sicherheitskräfte getötet.“ Zur Wahl waren die 352.000 afghanischen Polizisten und Soldaten in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden.

Die Behörden teilten mit Blick auf die Provinzen mit, in Badghis sei ein Wähler getötet worden. In Logar seien zwei Wähler verletzt worden, als in einem Wahlzentrum ein Sprengsatz detonierte. In Parwan seien Wahlzentren von Taliban-Kämpfern mit Maschinengewehren und Raketen beschossen worden. In Wardak seien ebenfalls Wahlzentren beschossen worden. Aus Kundus wurden vier verletzte Wähler gemeldet. In der Hauptstadt Kabul blieb es zunächst ruhig.

Mehr als zwölf Millionen Stimmberechtigte waren zur Wahl aufgerufen. Karsai regiert seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001. Er durfte nach der Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren. Die Abstimmung markiert den ersten demokratischen Machtwechsel in der Geschichte des Landes. In Kabul bildeten sich trotz schlechten Wetters Schlangen an den Wahllokalen. Die Stadt wurde zur Festung ausgebaut, Sicherheitskräfte errichteten etliche Checkpoints. Wähler wurden vor den Wahllokalen auf Sprengstoff und Waffen durchsucht.

Nach seiner Stimmabgabe in Kabul sagte Karsai: „Als Bürger Afghanistans bin ich glücklich und stolz.“ Er rief seine Landsleute dazu auf, „ihre Häuser zu verlassen und trotz des Regens, des kalten Wetters und der Drohungen der Feinde wählen zu gehen“.

Sorgen bereitet potenzieller Wahlbetrug. Das Innenministerium meldete, ein Polizist und ein Geheimdienstoffizier seien in der ostafghanischen Provinz Wardak festgenommen worden, als sie versucht hätten, Stimmen zu fälschen.

Mögliche Stichwahl Ende Mai

Acht Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge Karsais. Als Favoriten gelten die früheren Außenminister Abdullah Abdullah und Salmai Rassul sowie Ex-Finanzminister Ashraf Ghani. Sollte kein Bewerber eine absolute Mehrheit erhalten, ist für den 28. Mai eine Stichwahl vorgesehen. Erste vorläufige Teilergebnisse der Wahlkommission werden erst gegen Mitte der kommenden Woche erwartet.

Überschattet wird die Wahl von dem tödlichen Anschlag auf die deutsche Foto-Reporterin Anja Niedringhaus im Osten des Landes. Die preisgekrönte Mitarbeiterin der US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wurde am Freitag von einem Polizisten erschossen. Die mit Niedringhaus reisende kanadische AP-Reporterin Kathy Gannon wurde bei dem Attentat in der Provinz Chost verwundet. Die beiden Reporterinnen waren zur Wahlberichterstattung nach Chost gereist.

Die Wahl ist die letzte, bevor der Kampfeinsatz der Nato-geführten Schutztruppe Isaf in Afghanistan zum Jahresende ausläuft. Die Isaf steht am Wahltag nur zur Unterstützung in Notfällen bereit, sollten die afghanischen Sicherheitskräfte sie anfordern.

Alle drei Favoriten haben angekündigt, im Falle eines Sieges das Sicherheitsabkommen mit den USA zu unterzeichnen, das Voraussetzung für einen kleineren Nato-Einsatz zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte von 2015 an ist. Karsai hatte die Unterschrift trotz Appellen aus dem In- und Ausland verweigert. Neben dem Präsidenten wurden am Samstag auch die Provinzräte für die 34 afghanischen Provinzen gewählt. (dpa)