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Aldi-Rückzug nach 22 Jahren

Das Lager des Handelskonzerns nahe Hoyerswerda soll schließen. 86 Beschäftigte brauchen einen neuen Arbeitsplatz.

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© Gernot Menzel

Von Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Es war im August 1995, das Lausitz-Center in Hoyerswerdas Stadtzentrum stand im Rohbau, da wurde im Norden der Stadt eine gigantische Lagerhalle eröffnet. Aus dem Logistikzentrum in Nardt werden seither jede Menge Aldi-Märkte zwischen Görlitz, Guben, Riesa, Sebnitz und Zittau beliefert. Noch. Denn am Donnerstag teilte die Aldi Einkauf GmbH & Co. oHG mit, dass das Zentrallager nach 22-jährigem Betrieb Ende 2017 geschlossen wird. Zur Begründung hieß es, man strebe eine verbesserte Auslastung der Lkw-Flotte mit weniger Transporten an. Die besagten Märkte werden ab nächstem Jahr also von anderen Aldi-Lagern aus angesteuert, auch jene fünf in Hoyerswerda und Torno.

Das Lager wurde 1995 errichtet. Es ist mit 180 Metern Länge und 180 Metern Breite fast genauso groß wie die vier benachbarten Autohäuser (oben links) zusammen.
Das Lager wurde 1995 errichtet. Es ist mit 180 Metern Länge und 180 Metern Breite fast genauso groß wie die vier benachbarten Autohäuser (oben links) zusammen. © Gernot Menzel

Viele Fragen offen

Offen bleiben eine ganze Menge Fragen. Zum Beispiel: Wie viele Menschen sind betroffen? Aldi nennt keine Zahl. Letzte Angaben stammen von 2013. Damals waren in Nardt 86 Menschen beschäftigt. Aldi-Sprecher Matthias Kräling lässt auf Nachfrage aber wissen: „Wir werden gemeinsam mit dem Betriebsrat für unsere Kolleginnen und Kollegen faire Lösungen finden. Da wir diesen Gesprächen nicht vorgreifen können, ist es derzeit nicht möglich, Zahlen zu nennen. Fest steht aber, dass der ganz überwiegende Teil der Belegschaft weiterbeschäftigt werden kann.“ Unklar ist auch die Zukunft der riesigen Immobilie. Kräling sagt, er könne sich dazu derzeit nicht äußern. Fakt ist, dass es um jede Menge Platz geht: Die Halle in Nardt ist 21 000 Quadratmeter groß.

Auch Fragen nach dem Schicksal der Aldi GmbH & Co. KG Hoyerswerda lässt das Unternehmen unbeantwortet. Die Firma, die in der Stadt Steuern zahlt, gehört der erwähnten Aldi Einkauf und der Hoyerswerdaer Weiland GmbH. Die zugehörigen 50 Supermärkte eingeschlossen, hat sie 550 Mitarbeiter laut Jahresabschluss 2015. Über das letzte Jahrzehnt gerechnet, lag der Umsatz im Jahr im Schnitt bei 150 Millionen Euro. An Gewinn blieben üblicherweise um die zwei Millionen Euro übrig. Doch der genannte Jahresabschluss spricht auch von einem schwierigen Marktumfeld, von Flächenexpansion im Lebensmitteleinzelhandel, der Steigerung der Rohstoffkosten und unverändert hartem Preiskampf.

Wachsender Platzbedarf

Zuletzt rückte das Logistikzentrum im Jahr 2012 ins öffentliche Blickfeld, als in Hoyerswerda intensiv über den Neubau des Einkaufszentrums im Quartier am Zoo auch mit einem neuen Aldi-Markt diskutiert wurde. Man musste Projektentwickler Norbert Meckel dazumal nicht lange bitten, bis er erzählte, in welche Schwierigkeiten das Zentrallager geraten würde, wenn Aldi nicht mit dem wachsenden Platzbedarf mithalten könnte. CDU-Fraktionschef Frank Hirche machte sich das Argument zu eigen. Er sagt, er stehe nach wie vor dazu: „Denn das war die Aussage, die uns die Verantwortlichen von Aldi zum damaligen Zeitpunkt gegeben haben. Persönlich glaube ich, dass die von den Aldi-Verantwortlichen getroffene Entscheidung eine aus ihrer Sicht unternehmerische ist und dies ja wohl kaum mit der Bebauung der Zoowiese zu tun hat.“ Hirche teilt zudem mit, er wolle sich in der nächsten Woche vor Ort in Nardt einen Überblick verschaffen „und gemeinsam mit anderen nach Lösungsansätzen suchen.“

Freilich: Dass die Neueröffnungen und Vergrößerungen diverser Supermärkte aller möglichen Ketten in der schrumpfenden Stadt Hoyerswerda nicht ohne Konsequenzen bleiben würden, hatte 2015 auf eine Anfrage schon der damalige Aldi-Hoyerswerda-Chef Wolf Weiland erklärt: „Ein Bereinigungsprozess bleibt unausweichlich, da absehbar die Einwohnerzahlen weiter sinken werden und auch die Demografie zu einem veränderten Einkaufsverhalten führt.“ Ob die Verhältnisse in Hoyerswerda konkret einen Einfluss auf die jüngste Entscheidung haben, bleibt aber spekulativ. Schließlich ist die Situation in der gesamten von Aldi Hoyerswerda betreuten Region ziemlich ähnlich.

Bitter für die Mitarbeiter

Aldi ist auch etwas ganz anderes wichtig. Man spricht dort zwar von der Schließung von Regionalgesellschaften (betroffen ist eine zweite in Könnern bei Aschersleben), allerdings eher verschämt unter der Überschrift „Neuordnung der Logistik“. Die Anzahl der Filialen bleibe gleich. Die Botschaft ist klar: Nach wie vor soll man bei Aldi einkaufen gehen. Wolf Weilands Nachfolger Rüdiger Tix weist auch darauf hin, dass in den mitteldeutschen Aldi-Regionalgesellschaften fast 15 Prozent mehr Beschäftigte arbeiten würden als vor drei Jahren: „Und wir werden auch in Zukunft in der Region noch weiter Personal einstellen, um unseren erfolgreichen Weg und unser dynamisches Wachstum fortzusetzen.“

Für die Kommunalpolitik ist die Nachricht vom Donnerstag hingegen keine gute. Könnerns Bürgermeister Mario Braumann (parteilos) sagte der Mitteldeutschen Zeitung: „Das ist bitter für die Mitarbeiter und auch für die Stadt Könnern.“ Zwar war sein Kollege Stefan Skora (CDU) aus Hoyerswerda wegen einer Tagung im badischen Weinheim nicht zu erreichen, aber Frank Hirche nannte die Ankündigung auf Nachfrage „betrüblich sowohl für die Betroffenen als auch insgesamt für die Stadt und uns alle.“ Arbeitsplätze stünden zur Debatte. Da gelte es, zu handeln.