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Astro-Alex sendet der SZ ein exklusives Video aus dem All

Der ISS-Kommandant macht beim Weltraumexperiment Metabolic Space mit. SZ-Redakteur Stephan Schön auch - allerdings an der TU Dresden.

Von Stephan Schön
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Alexander Gerst, Astronaut und Kommandant der ISS, salutiert scherzhaft beim Selfie während einer anstrengenden Versuchsreihe für die TU Dresden mit neuen medizinischen Sensoren auf der Internationalen Weltraumstation ISS.
Alexander Gerst, Astronaut und Kommandant der ISS, salutiert scherzhaft beim Selfie während einer anstrengenden Versuchsreihe für die TU Dresden mit neuen medizinischen Sensoren auf der Internationalen Weltraumstation ISS. © Alexander Gerst/Esa/Nasa

Es gibt Orte in Sachsen, die sind dem Himmel näher als andere. Der hier mitten in Dresden ist so einer. Hier gibt es ein Stück Raumstation. Hier läuft das gleiche Experiment ab, wie oben im All, zeitweise zumindest. Es ist ein extrem präziser und mobiler Gesundheits-Check.

Metabolic Space nennt sich das und wurde vom Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden gemeinsam mit Ingenieuren der Leipziger Cortex Biophysik GmbH entwickelt. All dies speziell für Alexander Gerst und seine jetzige Mission im All. Und für 30 Probanden hier im TU-Labor. Der Commander der Raumstation ISS ist die wichtigste Versuchsperson. 30 freiwillige Versuchsobjekte am Boden im TU-Labor sollen die medizinischen Daten ergänzen. Es sind Studenten, Forscher und ich.

Wie cool ist das denn, parallel zum Versuch im All ein Teil davon zu sein, wenn auch ziemlich geerdet am Boden mit der Schwerkraft. Es ist der Selbstversuch zum Experiment von Gerst im All.

Projektleiter Tino Schmiel von der TU berichtet über die geradezu endlosen Genehmigungen. Reihenweise Tests in Moskau und in Houston waren zuvor nötig. Ethikkommissionen, DLR-Freigabe, Medical Board der europäischen Raumfahrtagentur Esa, Sicherheits-Checks bei Esa und Nasa.

Und auch Alexander Gerst selbst hat „Ja“ gesagt. Er hätte das Experiment letztlich als zu gefährlich ablehnen können. Nicht mal einen Grund dafür hätte er nennen müssen. Aber warum ablehnen? Metabolic Space macht Spaß. „Man sieht mir deutlich an, dass Spacetex & Metabolic Space zu meinen Lieblingsexperimenten gehören,“ twitterte er vor ein paar Wochen aus All. Statt sechsmal eine halbe Stunde sich aufs Weltraumfahrrad zu schwingen, hat er ganze acht Versuchsreihen mit dem Dresdner Experiment hingelegt – freiwillig und Spaß dabei gehabt.

Freiwillig ist auch der Versuch im Raumfahrt-Labor der Dresdner Uni. Die Angaben zum Gesundheitszustand sind dann jedoch Pflicht. Alle persönlichen und medizinischen Daten werden der Wissenschaft in vollem Umfang zur Verfügung gestellt – Unterschrift. Dann Maske auf. Sensoren auf der Haut. Schläuche an die Atmemaske. Herzsensor, Blutdruck. Thermosensor für die Körperkerntemperatur.

Die komplette Messelektronik befindet sich dabei im Brustgurt am Körper und überträgt kabellos meine Daten zum Rechner von Tino Schmiel. Und es sind eine Menge Daten, die hier angezapft werden. Besser ist der Fitness-Zustand von mir wohl nie gecheckt worden. In der Raumstation von Gerst landen die Daten auf seinem Laptop. Acht Gigabyte sind es insgesamt. Tino Schmiel hat die inzwischen aus dem All gesendet bekommen. „Wir haben die Sessions im All von Toulouse aus überwacht“, berichtete der Projektleiter. Dabei hatten die Forscher Kontakt zu Gerst. Sie konnten live beobachten, wie sich ihr Metabolic Space in der Schwerelosigkeit macht.

Und Gerst selbst? Er findet es cool: "Fast wie eine Runde Mountainbiken im Siebengebirge. Aber nur fast", postet er auf Twitter. "Was man nicht alles für die Entwicklung neuer Textilien und Instrumente tut, um Astronauten sowie Erdlingen zu helfen, gesund zu bleiben."

Metabolic Space kann den Status der grundlegenden Körperfunktionen erkennen. Es geht um den Stoffwechsel des gesamten Organismus. Bislang sind dafür ziemlich große Geräte nötig, die weder beim Training noch einfach so nebenbei verwendet werden können - nicht im All nicht auf der Erde.

Aber genau darum geht es, die Körperfunktionen im Alltag und beim Training zu prüfen. Kleine, schnelle Sensoren messen, was in der Atemluft von Alexander Gerst enthalten ist, aber auch Atemrichtung, Atemstärke und Atemfrequenz. Herzschlag und Körperkerntemperatur. „Die kann beim Training schon mal über 39 Grad ansteigen“, sagt Tino Schmiel. An Brust und Stirn werden solche Daten genommen. Sie geben den Medizinern am Boden Hinweise zur Gesundheit und Fitness des Astronauten. Sie warnen vor versteckten Gesundheitsrisiken vor allem bei der Rückkehr zu Erde.

Die Maske sitzt, der Brustgurt auch. Dann, in die Pedale. Jetzt geht’s bergauf. Ganz ordentlich. Die Pedale treten sich schwer. Es wird warm, ziemlich warm. Die Grundstraße in Dresden hinauf. Oder die Landeskrone in Görlitz mit dem Rad. Eine halbe Stunde lang mit wechselnder Belastung, aber es geht keinen einzigen Meter vorwärts.

SZ-Wissenschaftsredakteur Stephan Schön macht das Experiment am Boden - unter Laborbedingungen bei der TU Dresden.
SZ-Wissenschaftsredakteur Stephan Schön macht das Experiment am Boden - unter Laborbedingungen bei der TU Dresden. © SZ

Geschwitzt wird im Weltraumlabor der Uni. Das Fahrradergometer ist lediglich ein Mittel zum Zweck. Anstrengend soll es sein. Zum Schwitzen, Alexander Gerst im All schwitzt bei der Trainingseinheiten auch. Mehr noch als die Versuchspersonen am Boden, dabei fällt ihm diese Übung ganz gewiss leichter. Aber in der Schwerelosigkeit fehlt halt die sonst stets vorhandene minimale Luftbewegung. Die Körperwärme staut sich. Spezialtextilien vom Experiment Spacetex sollen da helfen. Auch die werden getestet. Letztlich landen all die medizinischen Daten im Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten an der Berliner Charité. Dort werden sie ausgewertet. Auch meine Daten. Dafür habe ich ja unterschrieben.

Drei Tage ist Alexander Gerst noch im All. Dann kommen er und seine Crew mit der Sojus-Kapsel zur Erde zurück. Seine Daten vom Dresdner Experiment sind allerdings schon da. Und seit einigen Tagen auch ein Video von ihm mit dem Dresdner Experiment. Mit seiner privaten Kamera hat Alexander Gerst sich beim Training aufgenommen. Das Video hat er in voller Länge den Dresdner Forschern und eine Ausschnitt davon an Sächsische.de geschickt. Lange vor dem Start schon hatte die Redaktion dies angefragt. Aber Raumfahrt ist kompliziert und anstrengend. Nicht nur im All. Alexander Gerst selbst musste die Videobilder zunächst freigeben für die Veröffentlichung der SZ. Das Okay vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt war nötig als der Manager für dieses Experiments. Die Nasa in Houston hat zugestimmt und letztlich Gersts Arbeitgeber, die Europäische Raumfahrtorganisation Esa.

Das ist der lange Weg der Videos vom All zur Erde. Dafür ist es die wohl exklusivste Bildbestellung, die die Sächsische Zeitung je aufgegeben hatte – direkt in den Orbit.