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Alkoholverbot nervt Händler und Anwohner

Der Straßenverkauf von Bier ist an Wochenendnächten in der Äußeren Neustadt weiter tabu. Initiativen der Parteien dagegen sind halbherzig.

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© Norbert Neumann

Von Marcus Herrmann

Mit einem kühlen Bier in der Hand lässt sich die Sommerhitze aushalten. Darum sitzen Marcus Wels und sein Kumpel Georg gerne an ihrem Stamm-Spätshop an der Ecke Louisen-/Rothenburger Straße. Von Montag bis Donnerstag ist das kein Problem. Nur Freitag- und Sonnabendnacht macht den beiden 25-Jährigen und vielen anderen Bewohnern der Neustadt eine Polizeiverordnung zu schaffen, die seit April 2007 besteht. Sie besagt, dass die Händler in der Äußeren Neustadt ab 22 Uhr und bis morgens um 5 Uhr keinen Alkohol im Straßenverkauf rausgeben dürfen.

Die Verordnung gilt für den Bereich, der durch die Bautzner und Königsbrücker Straße, den Bischofsweg und die Prießnitzstraße begrenzt wird. „Mich stört das total“, sagt Wirtschaftsstudent Wels. „Ich fühle mich dadurch in meiner Freiheit beschnitten, weil ich gerade am Wochenende nicht vor der Haustür Alkohol kaufen kann.“ Viele seiner Freunde fänden es einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Neustadt sei doch längst nicht mehr nur Pöbelei und Gewalt, sondern ein Szeneviertel mit alternativen Geschäften und tollen Restaurants, so Wels. Außerdem gäbe es genug Leute, die sich ihre Bier- oder Schnapsflaschen von außerhalb holen und trotzdem in der Neustadt konsumieren, sagt Krankenpfleger Georg. Er kennt sogar Läden, die zu den Sperrzeiten Alkohol verkaufen.

„Die freuen sich dann darüber, wenn sie Alkohol ausgeben können, und die Mehrzahl der Spätis guckt in die Röhre.“ Zwar gab es schon vor Inkrafttreten der Verordnung erste Anträge von Händlern auf Unterbrechung, doch die wurden vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Was ursprünglich Straftaten verhindern sollte, ist längst nicht mehr nur für Anwohner und Verkäufer, sondern auch für Touristen ein Einschnitt.

„Viele meiner Kunden kommen von außerhalb Sachsens als Ausflügler. Sie sind enttäuscht, wenn sie am Wochenende bei mir nichts kaufen können“, erzählt Haseeb Hashmi vom ABC-Spätshop an der Görlitzer Straße. Er fühle sich heute in der Neustadt sehr wohl. „Es gibt viel weniger Stress als noch vor wenigen Jahren. Darauf sollte die Politik reagieren.“ Was für den Verkäufer weniger Arbeit bedeutet, heißt für seinen Chef deutlich weniger Umsatz. Dass gerade das Geschäft am Wochenende wegbricht, habe hart ins Kontor geschlagen. „Wir würden den Leuten gerne etwas zu trinken geben, halten uns aber an die Verordnung“, sagt Hashmi. Er ist sich sicher, dass es für das Szeneviertel besser wäre, wenn die Straßenprohibition endlich aufgehoben würde.

Dieser Meinung sind auch mehrere Parteien im Dresdner Stadtrat. „Wir sprechen uns nach wie vor gegen ein grundsätzliches Alkoholverbot aus“, sagt Benita Horst, Geschäftsführerin des FDP-Kreisverbandes. Das Verbot sei überflüssig, so Horst. Deshalb sei die Fraktion gewillt, die Aufhebung zu unterstützen. Ein Antrag dagegen sei bisher aber nicht zustande gekommen. Ähnlich sieht es bei den Grünen aus. „Wir können seit zwei Jahren sehen, dass in der Neustadt das Bild der pöbelnden Suffis der Vergangenheit angehört“, sagt Grünen-Stadtrat Torsten Schulze. Einen neuen Antragsentwurf bereite die Partei zwar intern gerade vor. „Leider ist er in der jetzigen Form noch nicht mehrheitsfähig. Das Thema bleibt für uns aber aktuell“, versichert Schulze. Mit der CDU-Fraktion habe es mehrmals längere Diskussionen gegeben. Ein Einlenken aber nicht. Das wird es so schnell wohl auch nicht geben. Jedenfalls sieht der sicherheitspolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion Lothar Klein keinen Grund, am Verbot zu rütteln. „Die Stadt muss das Wohl der Mehrzahl der Bürger im Auge haben. Damit die am Wochenende ruhiger schlafen, existiert das Verbot schließlich. Das Wochenende soll einen Erholungsfaktor haben, der mit dem jetzigen Stand gewährleistet ist“, sagt Klein. Von einem Vorstoß oder einem Änderungsantrag aus den Reihen anderer Parteien wisse er nichts. Und selbst, wenn: „Eine bestehende Polizeiverordnung, die Bestand hat, zu ändern, ist sehr schwierig.“ Unrecht dürfte Klein damit nicht haben. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass das Oberverwaltungsgericht seine grundsätzliche Haltung aufgibt. Die besagt im Wesentlichen, dass die Nachteile bei einer Aussetzung der Verordnung überwögen.

Eine Statistik, die das belegt, gibt es allerdings nicht: „Einen Zusammenhang zwischen Ausschankverbot und der Straftatentwicklung können wir weder mit Erfahrungen noch mit Statistiken beantworten“, sagt Polizei-Pressesprecher Thomas Geithner. Dieser Fakt könnte den Parteien im Stadtrat, die gegen die Prohibition sind, zu einem Vorstoß ermutigen. Dazu müssten aber alle an einem Strang ziehen. Nur dann können Marcus Wels und sein Kumpel Georg bald wieder am Wochenende ihr Bierchen in der Neustadt kaufen.