Dresden
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Alles Geld für einen Gigolo

Eine betrogene Betrügerin sagt, sie sei vor Liebe blind gewesen. Jetzt wird auch gegen den Mann ermittelt.

Von Alexander Schneider
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Blick aufs Dresdner Amtsgericht.
Blick aufs Dresdner Amtsgericht. © Marion Doering

Überraschung im Unterschlagungsprozess gegen eine 30-jährige Dresdnerin. Die junge Mutter hat als Angestellte in ihrer Firma mehrere Tausend Euro abgezweigt. Das Geld, sagte die Deutsche nun in ihrem Prozess am Amtsgericht Dresden, sei für einen Mann gewesen, der sich die Treffen mit ihr habe bezahlen lassen. Neben knapp fünfeinhalb Tausend Euro, die sie aus der Essenkasse ihrer Firma genommen hatte, habe sie sich auch privat hoch verschuldet, um den Geliebten zu bedienen. „Ich war blind vor Liebe“, sagte sie.

Die Staatsanwaltschaft hatte der Angestellten unter anderem veruntreuende Unterschlagung in 84 Fällen vorgeworfen. Ab Mitte 2015 soll sie wöchentlich zwei Jahre lang Geld genommen haben, das ihre Kollegen und Kolleginnen für ihr Mittagessen eingezahlt hatten. Die Firma hatte die Rechnungen des Caterers zwar regelmäßig vom Unternehmenskonto beglichen, sodass die versickerten Summen zunächst unbemerkt blieben. Von Woche zu Woche entnahm die 30-Jährige bis zu 130 Euro.

Die Dresdnerin hat alle Taten schon nach ihrer Entdeckung zugegeben und bei der Polizei umfassend dazu beigetragen, diesen Betrug aufzuarbeiten. Sie flog natürlich aus der Firma. Im Gerichtssaal wiederholte die Frau ihr Geständnis – und war auch hart zu sich selbst, als sie die peinliche Liebesaffäre mit einem mutmaßlichen Betrüger zugab.

„Ich habe einen Mann kennengelernt und war sehr in ihn verliebt. Er hat aber Geld für unsere Treffen genommen.“ Auch wenn er ihr immer signalisiert habe, dass auch er eine feste Beziehung mit ihr anstrebe, sei es doch nie dazu gekommen. Stattdessen nahm er das Geld der Frau und erfand offenbar immer neue Gründe, sie anzuzapfen. So sei er angeblich auch aus seiner Wohnung geflogen, was aber offenbar nicht stimmte, denn auch heute noch lebe der Mann in der alten Wohnung.

Auf etwa 20 000 Euro insgesamt bezifferte die Angeklagte die Summe, die sie dem Mann über die Jahre gegeben habe. Teilweise habe sie ihre eigene Miete nicht gezahlt, um dem Geliebten zu helfen. Sie habe den Betrüger inzwischen angezeigt. Ein Polizist bestätigte, dass nun auch gegen den Verdächtigen ermittelt werde.

Das Essensgeld habe sie immer zurückzahlen wollen, sagte die Frau. Doch dazu sei es nie gekommen. Aus zwei Gründen blieben die Unterschlagungen so lange unbemerkt. Zum einen hatte die Angeklagte interne Buchungen gefälscht, sodass zunächst nichts zu fehlen schien. Zum anderen, sagte Verteidiger Achim Schmidtke, wurden diese Buchungsvorgänge nicht überprüft. Erst aufgrund der langen Krankheit einer Vorgesetzten kam der Schwindel ans Licht. Seine Mandantin zahle das Geld derzeit in Raten zurück. Ihre größte Angst sei gewesen, dass sie für die Taten ins Gefängnis muss. „Darunter hat sie sehr gelitten“, so Schmidtke.

Strafrichter Roland Wirlitsch verurteilte die nicht vorbestrafte Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, die er zur Bewährung aussetzte. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr, Schmidtke neun Monate gefordert. „Man muss sich schon fragen“, so Wirlitsch, „warum das Ganze nicht früher aufgeflogen ist?“