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Alles Müller in Großerkmannsdorf

Seit 125 Jahren ist „Müllers Gasthof“ im Familienbesitz. In vierter Generation also. Das wird am Freitag gefeiert.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Großerkmannsdorf. Wer könnte bei diesem Angebot schon Nein sagen? „Wenn Du meine Tochter Linna heiratest, kaufe ich Dir einen Gasthof“, hatte der Großerkmannsdorfer Landwirt Dittel zum jungen Max Müller gesagt. Was sich dabei gut traf: Linna und Max Müller mochten sich auch ganz ohne dieses verlockende Angebot, die beiden kannten sich schon aus der Schule und waren schwer verliebt. Es wurde geheiratet – und weil sich der damalige Besitzer des Gasthofs in Großerkmannsdorf sowieso mit Verkaufsplänen trug, griff der Schwiegervater prompt zu und Max Müller war Gastwirt. Da war er gerade mal 23 gewesen.

© Thorsten Eckert
© Thorsten Eckert

Der Kaufvertrag trägt dabei das Datum 5. Februar 1891 – im Grundbuch ist der Kauf dann am 25. April 1891 vermerkt. Also vor nun 125 Jahren. „Das feiern wir natürlich“, sagt Thomas Müller, der Ur-Enkel Max Müllers. Er betreibt den Gasthof – der ja seit Jahren auch „Müllers Gasthof“ heißt – nun also in vierter Generation.

36 000 Mark hatte der Schwiegervater damals übrigens für den Gasthof an der Ortsdurchfahrt hingeblättert. 34 000 Mark davon fürs Haus, 2 000 Mark fürs Grundstück. Was heute nach einem Schnäppchen klingt, „war damals eine riesige Summe“, weiß Thomas Müller.

Nebenbei als Kohlehändler gearbeitet

Bis 1939 stand Max Müller hinterm Tresen, dann übernahm sein Sohn Arthur den Gasthof. „Und weil es in der Nazizeit die Auflage gab, dass Landgasthöfe Fremdenzimmer haben müssen, baute mein Opa dann auch die ersten Zimmer“, erzählt Thomas Müller, und kramt in alten schwarz-weißen Fotos. Die ersten Zimmer hatten damals noch kein eigenes Waschbecken, sondern nur eine Schüssel mit Wasserkrug, erst nach und nach wuchs der Komfort in den Pensionszimmern. Und überhaupt investierte Arthur Müller eine Menge Kraft und Geld in die ersten größeren Renovierungsarbeiten. Ein paar Jahre zuvor – 1928 – war ja dann auch die Turnhalle gleich neben dem Gasthof eingeweiht worden. „Die Nazis hatten in der Turnhalle dann Kriegsgefangene untergebracht, die auf den Feldern der Landwirte in Großerkmannsdorf arbeiten mussten – meinen Opa hatten sie verpflichtet, sich um die Versorgung zu kümmern“, weiß Enkel Thomas Müller. Und überhaupt schrieben die Kriegs- und Nachkriegstage etliche Kapitel ins Geschichtsbuch des Gasthofs. So waren nach Kriegsende die Zimmer dann nicht von Feriengästen belegt, sondern von Ausgebombten aus Dresden, die hier eine zwischenzeitliche Bleibe gefunden hatten. Arthur Müller konnte in dieser Zeit jedenfalls allein vom Gastwirt-Sein nicht leben, „also hielt er sich unter anderem auch als Kohlehändler über Wasser“. Wesentlich fröhlicher ging’s dann später in der Turnhalle zu. Die diente nämlich bis Anfang der 1960er Jahre zwei Dresdner Betrieben als Kinderferienlager. Versorgt vom Gasthof Müller.

Auf Koch umgeschult

1971 wollte Arthur Müller dann die Gastwirt-Schürze eigentlich an den sprichwörtlichen Nagel hängen. Einer der Söhne übernahm mit seiner Frau das Geschäft. „Er hielt es allerdings nicht lange aus, schon Ende 1973 ist er als Restaurantleiter ins Hotel Neptun nach Rostock gegangen“, beschreibt Thomas Müller. Und so übernahm Arthur Müller mit Mitte 70 dann noch einmal die Regie im Gasthof; fand dann aber 1976 einen Pächter. Der hörte allerdings fünf Jahre später wieder auf – und so übernahmen dann Thomas Müllers Eltern die Gaststätte. „Was für sie nicht leicht war – denn mein Vater war Ingenieur bei Robotron in Radeberg, meine Mutter arbeitete als gelernte Apothekerin als Chefarzt-Sekretärin im Krankenhaus im benachbarten Großröhrsdorf“, weiß Thomas Müller. Dass seine Mutter für ihre Apotheker-Ausbildung einst auch eine Weiterbildung zur Verkaufsstellenleiterin hatte absolvieren müssen, war dabei ein Glücksfall. „Denn nur so durften meine Eltern den Gasthof überhaupt übernehmen – die DDR-Zeit war schließlich die einzige Zeit, in der man eine entsprechende Ausbildung vorweisen musste, um einen Gastronomiebetrieb führen zu dürfen…“ Und Heino Müller kümmerte sich dann auch um neue Küchentechnik. Was in den Jahren der DDR nicht wirklich leicht war… „Aber als damals am sogenannten Fresswürfel am Dresdner Zwinger die Küchentechnik ausgetauscht wurde, hat mein Vater die noch fast neue Technik nach Großerkmannsdorf gelotst“, kann sich Thomas Müller noch gut erinnern. Denn zu dieser Zeit half er ab und an schon mal mit aus. Wobei er eigentlich Elektroniker bei Robotron lernte. „Aber ich wollte später Tourismuswirtschaft studieren – das ging allerdings mit meinem Beruf nicht, also lernte ich noch mal um, wurde Koch“, erzählt er. In der Wendezeit wurde er mit dieser Ausbildung fertig. Und blieb letztlich im Familienbetrieb, übernahm ihn dann 1997 gemeinsam mit seiner Mutter. Seit 2002 ist er nun alleiniger Chef.

Noch eine Menge vor

Und auch Thomas Müller hat eine Menge Spuren hinterlassen. Sichtbare. 2012 wurde die Fassade des Gasthofs in historischem Stil wieder hergerichtet. Die Zimmer im Obergeschoss sind alle modern saniert, die Terrasse im Garten ist wieder hergerichtet. „Und ich kann mit dem Geschäft eigentlich zufrieden sein“, freut er sich. Immerhin vier Angestellten gibt er Arbeit. „Nur in Sachen Pensionszimmer könnte es etwas besser laufen – aber wir haben in Großerkmannsdorf eben insgesamt über 150 Gästebetten, das ist schon ein gewaltiger Wettbewerb.“ Aber vor allem im Sommer ist Thomas Müller auch beim Thema Pension ganz zufrieden, „vor allem viele Motorradgruppen kommen dann zu uns.“

Und auch für die Zukunft hat Thomas Müller mit seinem Gasthof noch eine Menge vor. Er will die beliebte Reihe „Kunst trifft Land“ weiter ausbauen; hier präsentiert er ja bekanntlich seit einiger Zeit Kleinkunst in Großerkmannsdorf. „Unsere Veranstaltung im Mai mit der Jazzband Plumpere ist bereits ausverkauft“, kann er nicht ohne Stolz verkünden. Nun will er sich auch noch stärker aufs Thema Seminare konzentrieren. „Da haben wir auch gute Bedingungen, das wollen wir jetzt ein bisschen stärker anschieben.“

Jetzt wird aber erst mal Jubiläum gefeiert. Am Freitag lädt er Neugierige, Geschäftspartner und Gäste ab 15 Uhr zum Kaffeeklatsch ein. „Dann wollen wir gemeinsam ein bisschen in historischen Fotos und Erinnerungen kramen“, lädt Thomas Müller ein. Und wer weiß, vielleicht erfährt er dabei ja auch noch die eine oder andere „neue“ Geschichte aus alten Zeiten…