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Als Amphibienwesen durch die Wildnis

Beim Swimrun im Engadin legen die Teilnehmer in Zweierteams 53 km durch die Wildnis zurück, davon 6,5 km durch Gebirgsseen.

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© dpa

Von Kirsten Opitz

André Hook und sein Partner Wolfgang Grohé bahnen sich ihren Weg durch die alpine Wildnis. Mit Neoprenanzug und Trailrunningschuhen überwinden die beiden Berge und schwimmen durch eiskalte Gebirgsseen – Stunde um Stunde, immer weiter Richtung Ziel.

„Man kommt sich ein bisschen wie ein kleines Amphibienwesen vor, das nicht am Rande des Sees halt macht, sondern sich den direkten Weg durch die Wildnis sucht“, sagt Hook. Der 38-Jährige bildet mit seinem Schwager Grohé das beste Swimrun-Team Deutschlands – und das als „verdammte Bürohengste“.

Hook lebt in zwei Welten: Auf der einen Seite der Job als Prokurist einer Ölfirma, auf der anderen Seite die Anforderungen als Extremsportler. „Es ist schon schwierig, Arbeit, Familie und den Sport unter einen Hut zu bekommen. Wir trainieren morgens schon um 5 Uhr, dann sitzen wir um 8 am Schreibtisch, und der normale Tag fängt an.“

Kürzlich machte Hook wieder einen Ausflug in die andere Welt: Beim Ötillö Swimrun im schweizerischen Engadin wollte er nach Platz acht 2014 und Platz vier 2015 endlich aufs Treppchen. Zur Vorbereitung auf 46,5 km Laufen und 6,5 km Schwimmen in acht Passagen rannten Hook und Grohe auch mal in einem Gebäude am Hamburger Hafen 20 Mal acht Stockwerke hinauf und wieder herunter – das macht fit für die Berge. Ein Swimrun verbindet das Bedürfnis der Menschen, in einer immer technischer werdenden Umwelt zurück zur Natur zu finden und gleichzeitig ein Abenteuer zu erleben, das spricht meist Menschen jenseits der 30 an.

„Viele können nicht mehr so wie früher in den Ferien vier Wochen die Welt entdecken und große Abenteuer erleben. Für die ist so ein Swimrun über 24 oder 48 Stunden ein Mikro-Adventure in der Wildnis, weg vom Alltag“, sagt Hook. Aus der „Spaßveranstaltung für ein paar Verrückte“ ist eine große Bewegung geworden. Die Sportartikelindustrie stellt spezielle Anzüge und Schuhe her – Berühmtheiten wie Pippa Middleton, Schwester der englischen Herzogin Kate, haben in Schweden bereits das Abenteuer gewagt. Auch Hook und Grohe werden im September bei der WM wieder mit dabei sein.

Der amerikanische Nachrichtensender CNN bezeichnete den Ötillö in Schweden mal als das „härteste Eintagesrennen der Welt“. Und so ganz falsch ist diese Einschätzung nicht, findet Hook. Sein Geheimnis: Einfach nur von Abschnitt zu Abschnitt denken und in den Wettkampf hineinwachsen. Und wenn man wirklich mal nicht mehr kann, hat man immer noch den Partner, der einen motiviert.

Zur Not gibt es auch noch das Verbindungsseil, an dem man sich aus dem Tief ziehen lassen kann. Die gemeinsame Erfahrung ist die Schinderei allemal wert: „An wunderschönen Orten in der Natur Sport zu machen, da wo es richtig wild wird, das ist einfach etwas ganz Besonderes.“ Hooks Wunsch ging in Erfüllung. Im Engadin kam das Duo nach 6:34:23 Stunden als Zweites ins Ziel nach 75 kilometern, 10 Kilometern Schwimmen und 65 Kilometern Querfeldeinlauf. (sid)