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Als Künstler unvergessen

Der Maler Jens Hackel nahm sich das Leben. Vier Jahre nach seinem Tod bekommt Bischofswerda einen Großteil seines Nachlasses.

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© K.-U. Gottlöber

Von Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Der entscheidende Satz folgte, als die Recherche zu einem völlig anderen Thema aus Sicht des Redakteurs schon gelaufen war. „Und dann auch noch der Tod von Jens Hackel. Er wird uns sehr fehlen“, sagte die damalige Bischofswerdaer Schulamtsleiterin Beate Müller am Telefon. Wenige Tage zuvor, im März 2011, hatte sich Jens Hackel das Leben genommen. Der Maler und Grafiker war zuletzt bei der Stadt angestellt, hatte im Rahmen einer geförderten Maßnahme die Kunstwerkstatt in der Grundschule Süd vorbereitet. Er wurde nur 45 Jahre alt.

Dieses Bild nannte Jens Hackel „Stillleben mit Pfanne“. Es ist eine Pastellzeichnung.
Dieses Bild nannte Jens Hackel „Stillleben mit Pfanne“. Es ist eine Pastellzeichnung. © Repro: Falk Nützsche
Auf diesem Holzschnitt verewigte Jens Hackel die Freie Gruppe Oberlausitz.
Auf diesem Holzschnitt verewigte Jens Hackel die Freie Gruppe Oberlausitz. © Repro: Falk Nützsche

Die Nachricht vom Tod des Künstlers mit der markanten Lockenfrisur und der runden Brille löste in der Stadt und der Region große Betroffenheit aus. „Schwer ist, wenn ein geliebter Mensch uns verlässt. Noch schwerer wird es, wenn wir begreifen, dass die hinterbliebene Lücke mit nichts zu schließen ist“, schrieb der Maler Karsten Richter, Künstlername „Tuomar“, in einem Nachruf, den die SZ druckte.

Jens Hackel, Jahrgang 1966. Aufgewachsen in Schönbrunn. Schule und Tischlerlehre. Anschließend Armee. Ein fast typischer DDR-Entwicklungsweg, hätte sich Jens Hackel der Anpassung an das damalige System nicht verweigert. Er geriet in Konflikt mit der Staatssicherheit, wurde kurzzeitig von ihr eingesperrt. Im Spätsommer 1989 brachte er aus Berlin die ersten Flugblätter des Neuen Forums mit nach Bischofswerda – und riskierte damit sehr viel. „Man war jung, wollte revolutionär sein. Man musste aber auch mit den Konsequenzen rechnen, die für mich nicht so richtig absehbar waren Zum Glück kam dann die Wende“, sagte Jens Hackel in einem Interview 2008. Drei Jahre später schrieb Karsten Richter in seinem Nachruf: „Die Wende rettete ihm das Leben, aber die Seele war beschädigt.“

Nach der Wende boten sich in der DDR neue Freiheiten. Und neue Freundschaften. So zum Maler Falk Nützsche. Beide arbeiteten am Nachlass des Bischofswerdaer Expressionisten Carl Lohse und an der Schaffung der nach ihm benannten Galerie. Mit dem Maler Rolf Werstler sowie dem Bildhauer Thomas Franz schlossen sich Hackel und Nützsche 1993 zur Freien Gruppe Oberlausitz zusammen, die bis zu Beginn der 2000-er Jahre bestand. Frei stand für die Freiheit des Denkens und Arbeitens. In dieser Hinsicht sahen und sehen sich die Künstler in einer Linie mit Carl Lohse. Jens Hackel blieb ein kritischer Geist, auch unter den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen. Er benannte Ungerechtigkeiten. Brandmarkte Unehrlichkeit. Sah, wie Leute, die schon in der DDR Karriere machten, auch nach der Wende wieder obenauf waren. Er spürte fehlende Anerkennung als Künstler. Er lebte von Hartz 4.

383 Arbeiten gehen an die Stadt

Von den vier Mitgliedern der Freien Gruppe Oberlausitz sei Jens Hackel derjenige gewesen, der am expressionistischsten war, sagt Falk Nützsche.„Jens Hackel hat seine Handschrift durchgehalten. Er hat sich nicht verbogen. Hat sich keiner Mode unterworfen. Er hat aus seinem Inneren heraus Kunst geschaffen“, sagt Falk Nützsche über den Künstler. Als Mensch schätzte er an ihm vor allem die Fairness und ein hohes Maß an Toleranz. Acht Jahre lang teilten sich Falk Nützsche und Jens Hackel das Atelier im Druckhaus an der Neustädter Straße. Nach Hackels Tod katalogisierte Falk Nützsche den Nachlass des Kollegen und Freundes. 383 Arbeiten, darunter Ölbilder, Grafiken, Collagen, Aquarelle und Drucke, bekommt jetzt die Stadt Bischofswerda geschenkt. Zuvor waren bereits 58 Werke des Künstlers dem Ernst-Rietschel-Kulturring Pulsnitz übergeben worden. Bedacht werden auch noch die Stiftung Oberlausitzer Künstler in Königshain und das Bautzener Stadtmuseum.

Der Schenkungsvertrag mit der Stadt Bischofswerda wird an diesem Freitag im Rahmen der Eröffnung der neuen Ausstellung in der Carl-Lohse-Galerie unterzeichnet. Für den scheidenden OB Andreas Erler der letzte Amtsakt. Unter dem Titel „Nachgefolgt“ sind in der neuen Ausstellung Arbeiten von Jens Hackel, Falk Nützsche, Rolf Werstler und Thomas Franz zu sehen – neben denen von Carl Lohse. Für die Stadt Bischofswerda sei die Schenkung „eine Verpflichtung“, sagt Falk Nützsche. Jens Hackel hatte sich für die Stadt engagiert, vor allem für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses. Und er sah auch seine Heimatstadt kritisch. So malte er „Die kleine Narrenstadt“ – ein Bild aus vergangenen Zeiten, in denen spitze Zungen behaupteten, Kultur in Bischofswerda beschränke sich auf Fasching und Schiebocker Tage.

Ausstellungseröffnung: Freitag 19 Uhr, Carl-Lohse-Galerie, Dresdener Straße 1. Zu sehen bis zum 24. Oktober. Geöffnet Die/Do 12-18 Uhr sowie Fr/So 13-17 Uhr