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Als Stuntman bei der Defa

Jürgen Scheibe war in der DDR freischaffender Kaskadeur. Er ritt bei Dreharbeiten die Szenen, die für andere zu gefährlich waren.

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© Anne Hübschmann

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Tauscha/Großenhain. Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ waren Glanz und Gloria auch für Jürgen Scheibe. In einer schmucken Uniform durfte der gebürtige Tauschaer bei den Dreharbeiten der bekannten Fernsehserie durchs Bild reiten, und zwar immer dann, wenn es brenzlich wurde. „Stürz mal hier ab, fall mal da um mit Deinem Pferd“, sagte der Regisseur zu dem damals 30-Jährigen.

Auszug aus Jürgen Scheibes Sozialversicherungsausweis.
Auszug aus Jürgen Scheibes Sozialversicherungsausweis. © Anne Hübschmann
Filmszene mit Arno Wyzniewski aus „SachsensGlanzundPreußensGloria“
Filmszene mit Arno Wyzniewski aus „SachsensGlanzundPreußensGloria“ © privat

Fotos dieser bekannten Produktion des Fernsehens der DDR hat der heute 65-Jährige bis heute in seinem Fotoalbum aufbewahrt. Dass er als Kaskadeur – sprich Stuntman – zum Film kam, hat eine ganz eigene Geschichte. Der Tauschaer war schon als Kind Judoka und Turner, ging auf die Kinder- und Jugendsportschule in Dresden. „Sportlehrer wollte ich werden“, erzählt Jürgen Scheibe, der der Bruder des früheren Tauschaer Bürgermeister Hans-Ulrich Scheibe ist.

Er studierte am Institut für Lehrerbildung in Großenhain. Doch eine Schlägerei mit einem NVA-Unteroffizier wegen eines Mädchens sorgte für Scheibes Exmatrikulation. Es verschlug ihn dann nach Moritzburg zum Fuhrbetrieb Gerhard Lilie. „Dort bin ich den ganzen Tag Pferdeschwänzen hinterher gerannt“, erzählt der schmale aufgeschlossene Mann. Sein Chef stellte allerdings auch Pferde für Babelsberger Filmproduktionen bereit. So kam Geschirrführer Scheibe zum Film, nachdem der Tauschaer ein Angebot vom Zirkus Busch fürs Hochtrapez abgelehnt hatte.

Den ersten Defa-Einsatz hatte der Kaskadeur 1982 im Film „Die Gerechten von Kummerow“. Da spielten Rolf Hoppe, Fred Delmare oder Erik S. Klein mit. Jürgen Scheibe durfte einen Pferdewagen fahren. Dann kam der Indianerfilm „Der Scout“ mit Rolf Hoppe und Gojko Mitic. Scheibe ritt als Schauspieler-Double durch explodierende Sprengladungen. „Ich hatte das Pferd erst wieder vor der Autobahn im Griff“, erzählt er. Gedreht wurde auf dem Flugplatz Langerwisch bei Potsdam. Doch mit Gojko geriet der Tauschaer aneinander. Mitic wollte sich einfach ein Pferd aussuchen. „Aber das entscheidet dessen Besitzer“, soll ihn Scheibe angeherrscht haben.

„Front ohne Gnade“ war eine Historienserie des Fernsehens der DDR. Hier spielten Dorit Gäbler und Renate Blume-Reed mit. Kaskadeur Scheibe musste eine Treppe runterstürzen und war in eine (Film)-Schlägerei verwickelt. „Ich habe damals nicht schlecht verdient“, erinnert sich der 65-Jährige. Pro Szene gab es 400 Mark. Wurde die Szene mehrfach gedreht, wurde mehrfach gezahlt. „Für dreimal hinfallen gab es also 1 200 Mark“, erinnert sich der Tauschaer.

So ganz zufrieden war Jürgen Scheibe allerdings doch nicht: Er stellte 1983 einen Ausreiseantrag. Der wurde genehmigt, den Job beim Fernsehen bzw. der Defa war Scheibe damit aber los. Als er 1983 ausreiste, hat er eine Offiziersuniform, die er damals bei „Sachsens Glanz“ trug, einfach mitgenommen. Nach der Wende kam Jürgen Scheibe wegen des Todes seines Vaters in die Heimat zurück. Heute lebt er im Betreuten Wohnen der Diakonie am Großenhainer Bobersberg. Die Uniform hatte Scheibe seinem Freund Michael Ganzmüller in Tauscha geschenkt. Dort wurde sie 2008 bei einem Brand Raub der Flammen.