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Als wäre der Atomreaktor nie da gewesen

Längst sind die 951 Kernbrennstäbe abtransportiert. Nun ist die Hülle des Forschungsreaktors abgetragen.

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© SZ-Archiv

Von Kay Haufe

Rossendorf. Sie sieht fast aus wie eine normale Wiese, umgeben von Kiefern, würde nicht das gelb-schwarze Strahlenwarnzeichen am Zaun hängen, der sie abgrenzt. Hier, am Rande des Forschungsstandortes Rossendorf, stand bis vor wenigen Monaten noch die Gebäudehülle des DDR-Forschungsreaktors. Von 1957 bis 1991 wurden darin am Zentralinstitut für Kernforschung zahlreiche Experimente in den Bereichen Humanmedizin, Biologie, Landwirtschaft und Materialwissenschaften durchgeführt. Die erzeugten Neutronen wurden unter anderem zur Produktion von Radioisotopen und von Radiopharmaka verwendet.

Der Castor-Transport 2005 von Rossendorf nach Ahaus musste von der Polizei gesichert werden.
Der Castor-Transport 2005 von Rossendorf nach Ahaus musste von der Polizei gesichert werden. © Ronald Bonß
Mit Minibaggern wurde der Betonmantel des Reaktors 2009 unter Schutzbedingungen abgetragen.
Mit Minibaggern wurde der Betonmantel des Reaktors 2009 unter Schutzbedingungen abgetragen. © Steffen Füssel

Doch 1991 war Schluss für den Leichtwasserreaktor sowjetischer Bauart. Nach über 33 Betriebsjahren wurde er am 27. Juni 1991 abgeschaltet. Dann passierte lange Zeit nichts, bis das sächsische Umweltministerium 1998 eine Teilgenehmigung zur Stilllegung erteilte. Die abgebrannten Brennelemente wurden 1999 / 2000 in 18 Castor-Behälter verladen und gelagert, bis sie nach juristischem Streit Mitte 2005 unter Protest von Atomkraftgegnern in drei Lkws zum Transportbehälterlager Ahaus gefahren wurden. Im Jahr darauf wurden unverwendete Brennstäbe und Pellets aus Dresden in das Rosatom-Zwischenlager Podolsk in Russland ausgeflogen, denn die rund 300 Kilogramm Uran waren russischer Herkunft.

Mit dem Abriss der Reaktoranlage und ihrer umgebenden Anlagen wurde indes schon viel eher begonnen. Seit Januar 2001 kümmern sich die Fachleute des Vereins für Kernverfahrenstechnik und Analytik, dem heutigen VKTA – Strahlenschutz, Analytik und Entsorgung, darum und erlebten regelmäßig Überraschungen. So mussten die Behälter für das Reaktorwasser, die eigentlich nach ihrer Reinigung im Erdreich bleiben sollten, mühsam ausgebaut werden. Aber nicht, weil sie so stark radioaktiv belastet waren, sondern die umgebende Betonhülle einen giftigen Anstrich aufwies. Zudem sorgten unbekannte Rohrleitungs- und Lüftungssystem in den Betonkammern des Reaktormantels für Verzögerungen im Zeitplan. Doch es gab es auch positive Nachrichten. Der 50 Meter hohe Schornstein der Filterhalle, über den die Luft aus dem Reaktor abgeleitet wurde, war weit weniger kontaminiert als angenommen. Die Fachleute konnten ihn leicht reinigen und freigeben, der Metallanteil wurde anschließend als Schrott verkauft. Insgesamt blieben vom gesamten Reaktor samt Gebäude nur rund zwei Prozent an belastetem Material übrig.

Allerdings zog sich der gesamte Abriss weit länger hin als zunächst geplant. Eigentlich sollte schon 2011 vom Gebäude nichts mehr zu sehen sein. Doch das Land Sachsen drehte 2010 den Geldhahn zu. Erst 2012 ging es langsam weiter. Inzwischen ist der Abriss bis zur grünen Wiese erfolgt. Nun muss nur noch eine Schicht Mutterboden aufgetragen werden. Kontinuierlich wird gemessen, ob es noch radioaktive Strahlung gibt, was nicht der Fall ist, wie der Direktor des VKTA, Dietmar Schlösser, bestätigt. Der Zaun um das Areal bleibt allerdings so lange stehen, bis das Umweltministerium den besonderen Schutz, den das Atomgesetz dafür vorsieht, nicht mehr für erforderlich hält. Der Plan ist, dass dies noch 2018 passiert. „Dann hätten wir unseren Zeitplan eingehalten“, sagt Schlösser. Interesse an der Fläche hat bereits das Helmholtz-Forschungszentrum angemeldet, das dort einen Neubau errichten will.

Doch auch nach dem Abriss hat der VKTA genügend zu tun. Er ist weiterhin für die rund 1 900 Kubikmeter Abrisstrümmer der Rossendorfer Altanlagen verantwortlich, die im Zwischenlager untergebracht sind. Diese Abfälle müssen in Behälter verpackt werden, die später ins Endlager Konrad kommen. Außerdem betreibt er die Landessammelstelle für radioaktive Abfälle r anderem Materialien aus dem Helmholtz-Forschungszentrum aufnimmt.