Als Wilhelmine Reichard im Ballon ohnmächtig wurde
Von Anja Weber
Freital. Dick und grau hängen die Regenwolken am Wachberg. Der Wind pfeift über die Baumwipfel. So muss das Wetter am 30.September 1811 gewesen sein. Ein Tag, der in die Geschichte der deutschen Ballonfahrt eingehen soll, als „Wunder vom Wachberg“. In Saupsdorf hat die berühmteste Frau Freitals, Wilhelmine Reichard, Schlagzeilen geschrieben. Und genau hier sollen ihr Mut und ihre Kühnheit ganz spezielle Ehrung erfahren. Deshalb lädt das Team der Berggaststätte am 30. September zu einem ersten Treffen der Ballonfahrer ein. Denn genau an diesem Tag vor 205 Jahren stieg die junge Frau in Dresden zu ihrer dritten Gasballonfahrt auf – trotz schlechter Witterungsbedingungen.
Sie wollte die Dresdner, die zahlreich den Aufstieg verfolgten, nicht enttäuschen. Schon der Aufstieg verlief problematisch. Das Netz verwickelte sich in den Alleebäumen, mehrmals musste Wilhelmine Ballast abwerfen. Dann stieg der Ballon mit mäßiger Geschwindigkeit und war nach zwölf Minuten verschwunden. Wilhelmine schrieb später: „Kaum befand ich mich über den Wolken und empfand den erquickenden Einfluss der Sonnenstrahlen, als heftige Windstöße den Ball nach verschiedenen Richtungen schleuderten.“ Wilhelmine hatte außerdem eine Höhe erreicht – 7 800 Meter, ein Rekord –, die sie ohnmächtig werden ließ: „Ich erwachte nur noch einen Augenblick, und dieser war der schrecklichste meines Lebens.“ Doch die mutige Ballonfahrerin hatte Glück. Der jähe Absturz des kaputten Ballons am Wachberg wurde durch Bäume abgefangen. Wilhelmine konnte verletzt geborgen werden.
Der Anfang einer Geschichte, die bis in die heutige Zeit reichte. In Freital, dem späteren Wohnort der Familie Reichard, beschäftigt man sich seit Längerem mit der Geschichte der ersten deutschen Ballonpionierin. Immer wieder wurde sie zu bestimmten Anlässen geehrt. Die Kulturwissenschaftlerin Heide Monjau forschte in den 90er-Jahren innerhalb einer Frauengeschichtswerkstatt im Leben der Familie Reichard. Sie recherchierte in Museen und Archiven, befragte Nachfahren und Experten der Szene, wertete Briefe und Nachlässe aus. Entstanden ist eine Biografie in Buchform. Als sich dann am 30. September 2011 der Absturz zum 200. Mal jährte, wurde auf Betreiben des Kreisarchivars Wolfgang Burkhardt in Erinnerung an dieses geschichtsträchtige Ereignis auf dem Wachberg eine Gedenktafel enthüllt.
Wer waren die Reichards?
Danach war es wieder eine Weile still um Wilhelmine Reichard. Als Mitglieder des Freitaler Vereins im Fernsehen den Beitrag über die wiedereröffnete Wachberggaststätte sahen, wuchs eine Idee. „Sie waren offenbar froh, wieder einen Ansprechpartner zu haben und meldeten sich bei uns“, sagt Helmar Frei, der das erste Ballonfahrertreffen organisiert. Erste Gespräche folgten, und man habe erkannt, dass man mit der Ballonpionierin auch ein Alleinstellungsmerkmal für den Wachberg und für Saupsdorf herausarbeiten könne.
Das Treffen am 30. September soll nun eine Art Workshop sein, um zu besprechen, wie man Wilhelmine Reichard ehren kann. Eingeladen dazu sind Ballonfahrer und -fahrerinnen sowie auch eine Pilotin, die eine Flugschule leitet, Gäste aus Freital und der Heimatverein von Saupsdorf. Auch Anbieter von Heißluft-Ballonfahrten sind dabei – und ganz wichtig: auch die Nachfahren von Wilhelmine Reichard. Diese haben ihr Kommen bereits zugesagt.
„Das Treffen ist öffentlich. Wer Interesse hat, sollte gern kommen, sich aber vorher anmelden“, sagt Helmar Frei. Ziel ist es, zu beratschlagen, welche Ideen künftig weiterentwickelt werden können und wie der Wachberg auch zu einer Art Pilgerstätte für Ballonfahrer oder Ballonverrückte werden könnte. Es gibt da bereits einige Vorstellungen. So könnte eine Gedenkstätte eingerichtet werden. Auch ein Obelisk ist geplant.
Da die Plätze begrenzt sind, sollten sich Interessierte vorher telefonisch anmelden unter 035974 50330. Die Veranstaltung in der Wachbergbaude beginnt 18 Uhr.