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Streit um die deutschen Meisterschaften in Altenberg

Rodeln, Bob, Skeleton – so viele Fahrten wie selten sind geplant, doch die Bundestrainer dabei nicht einer Meinung.

Von Tino Meyer
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Die Überraschung des Tages: Die Altenbergerin Jessica Degenhardt wird Dritte bei den deutschen Meisterschaften.
Die Überraschung des Tages: Die Altenbergerin Jessica Degenhardt wird Dritte bei den deutschen Meisterschaften. © Egbert Kamprath

Altenberg. Die mittlerweile 39. Eiszeit hat in Altenberg begonnen. Doch so viel wie diesen Winter war auf der weltweit beliebten wie gefürchteten Bob- und Rennschlittenbahn noch nie los. Michael Geisler, Landrat im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und damit de facto Eigentümer des SachsenEnergie-Eiskanals, spricht von einem enormen Mehraufwand. Als außergewöhnlich bezeichnet Bahnchef Jens Morgenstern die Situation. „Die Bahn ist immer schon gut ausgelastet, doch diesmal sind wir ausgebucht bis oben hin“, sagt er.

Tatsächlich gibt es kaum einen Tag ohne leistungssportliche Aktivitäten auf der anspruchsvollen Kunsteispiste im Kohlgrund, zudem sollen und müssen der Nachwuchs sowie touristische Angebote wie Ice-Tubing und Gästebobfahren Berücksichtigung finden. Morgenstern und sein Team stehen vor einer echten Herausforderung. „Wir sind überzeugt, dass wir das hinbekommen, und das wie immer auch mit Qualität“, sagt Morgenstern.

„Meisterschaft gehört aufgewertet“

Nach den unerwarteten Vorfällen in Königssee (Unwetter-Katastrophe) und Oberhof (defektes Kühlsystem) ist Altenberg in diesem olympischen Winter mehr denn je gefragt. Lehrgänge müssen verschoben und Trainingseinheiten neu geplant werden, auch der Wettkampfkalender ist betroffen. Deshalb finden diesmal gleich drei Weltcups im Osterzgebirge statt: am zweiten (Bob/Skeleton), dritten (Rodeln) und vierten (noch mal Bob/Skeleton) Adventswochenende.

Nach den zwei Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaften in Folge (2020, 2021) ist das erneut ein Novum – doch längst nicht das einzige. Dass die deutschen Meisterschaften aller drei Kufensportarten in Altenberg ausgefahren werden, hat es ebenfalls noch nicht gegeben. Nur sind bei Bobfahrern, Rodlern und Skeletonis die Unterschiede in Sachen Bedeutung der nationalen Titelkämpfe gravierend, wie die vergangene Woche wieder gezeigt hat.

Im Skeleton war am Dienstag bestenfalls die zweite deutsche Reihe am Start (SZ berichtete). Alle für die Olympischen Spiele im Februar infrage kommenden Athleten – mit Axel Jungk vom BSC Sachsen Oberbärenburg vorneweg – trainierten zeitgleich auf der neuen Bahn im chinesischen Yanqing. Noch skurriler wird es bei den Bobfahrern, die ihre deutsche Meisterschaft während der Olympischen Spiele terminiert haben.

Norbert Loch, der Rodel-Bundestrainer, kann das nicht verstehen. Er setzt den nationalen Wettstreit seit Jahren schon bewusst an den Anfang der Saison und integriert ihn in die Qualifikationsrennen für den Weltcup. „Ich bin der Meinung, dass diese Meisterschaft aufgewertet gehört. Ein deutscher Meistertitel ist schließlich auch ein Titel, doch da liege ich mit den Schwesterdisziplinen Bob und Skeleton immer ein bisschen im Streit“, sagt Loch, und er fügt mit Blick auf den zweifellos eng getakteten Terminkalender fragend hinzu: „Wir schaffen es jedes Jahr, wieso sollen es die anderen nicht schaffen?“ Und so gab es gestern bei der Meisterschaft der Rodler in Altenberg einige der Besten der Welt zu sehen.

Bundestrainerlob für Talent Degenhardt

Dass am Ende sogar eine Einheimische auf dem Siegerpodest stand, gehörte zu den Überraschungen des Tages. Jessica Degenhardt vom RRC Altenberg belegte den dritten Platz, knapp hinter Anna Berreiter und deutlich vor der internationale erfahrenen Dajana Eitberger. Wirklich überraschend kam das Ergebnis allerdings nicht, zumindest für Degenhardt.

„Das ist meine Heimbahn, und ich habe gehofft, dass ich durch die vielen Fahrten, die ich hier schon hatte, den Vorteil nutzen kann. Dass ich so nah dran bin an den Weltcupfahrerinnen, hilft mir, jetzt noch motivierter zu arbeiten. Jetzt weiß ich, wo ich stehe“, sagt die 19-Jährige, die in dieser Saison weiter Erfahrungen sammeln soll – und zudem erneut den Junioren-Weltmeistertitel gewinnen will. „Es freut mich vor allem, dass Jessica Degenhardt ihr Können gezeigt hat. Für die Zukunft haben wir mit ihr ein heißes Eisen im Feuer“, sagt Loch.

Den Titel gewann Weltmeisterin Julia Taubitz in Abwesenheit der am Freitag im Training gestürzten Olympiasiegerin Natalie Geisenberger. Bei den Männern siegte Johannes Ludwig, während Olympiasieger Felix Loch auf den enttäuschenden vierten Platz fuhr. Bei den Doppelsitzern setzten sich Toni Eggert/Sascha Benecken durch.