Nach Corona: Den Hotels fehlt der Knall

Ein bisschen verhalten findet Jan Kempe das Buchungsverhalten potenzieller Gäste gerade. Im letzten Jahr konnte sich der Inhaber des Naturhotels Bärenfels nach dem Ende des ersten Lockdowns vor Anfragen kaum retten, das ganze Osterzgebirge erlebte 2020 den besten Tourismussommer aller Zeiten. Je mehr Monate die Hotels dann ab November geschlossen bleiben mussten, desto mehr wuchs die Hoffnung auf einen neuen Ansturm zur Öffnung.
Die Kempes öffneten Hotel und Restaurant bereits Mitte Juni. "Letztes Wochenende war tatsächlich auch wahnsinnig viel los", sagt Kempe. Zumindest im Restaurant. Kein Wunder bei "in Butter gebratener Kräuterforelle von nebenan" oder dem Wildgulasch nach Art des Hauses. Schließlich sind in der Nachbarschaft alle gespannt, wie es beim neuen Küchenchef Patrick Hesse schmeckt. Denn Marco Möller, der aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste, hatte hohe Maßstäbe gesetzt. "Um so glücklicher sind wir, dass wir Patrick Hesse gewinnen konnten", sagt Kempe.
Verwirrung über verschiedene Regeln
Doch bei den meisten Anrufen geht es nicht um Zimmer- oder Tischreservierungen, sondern um Inzidenzen: "Wir erleben eine große Unsicherheit", sagt Kempe. "Welche Coronaregeln gerade gelten, ob es sicher bei uns ist, wie es mit der Delta-Variante aussieht."
Anders als im vergangenen Jahr, als alle Bundesländer einheitlich nach dem ersten Lockdown die Coronabeschränkungen lockerten und mit einem gefühlten Knall wieder öffneten, hat diesmal jedes Bundesland andere Regeln - und das Naturhotel in Bärenstein steuern Gäste aus ganz Deutschland an.
Lange Telefonate beim Landhotel Heidehof
"Der Juli ist gut voll, aber im August ist noch Luft nach oben", sagt Kempe. Die Buchungen kommen kurzfristiger, merkt er. Dieselbe Erfahrung hat auch Sabine Liebschner vom Landhaus Heidehof in Dippoldiswalde schon gemacht: "Die Leute sind unsicher. Sehr unsicher. Wir verbringen viel Zeit damit, am Telefon die Regeln zu erklären."
Auch wenn das gar nicht mehr viele sind: Bei der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz von fünf Coronaansteckungen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind keine Tests mehr möglich. "Sogar die Saunabesuche und Massagen sind wieder möglich", sagt Liebschner.
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Natürlich haben sie das Selbstbedienungsbuffet an die Hygieneregeln angepasst: "Dort liegen alle Portionen abgepackt und hinter einem Spuckschutz." An den Tischen bräuchten die Gäste keine Masken aufsetzten, "nur dort, wo eben der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann." Aber das sei weder im Biergarten noch im Restaurant der Fall. Mit der Forderung nach Kontaktverfolgung hätten Hotels ohnehin keine Probleme: "Der Kontakt wird doch bei einer Buchung sowieso angegeben", sagt Liebschner.
Inhaber des Hotels Wettin mit Reparaturen beschäftigt
Das Hotel Wettin in Neuhermsdorf hat noch nicht wieder offen: "Wir hatten die Schließzeit genutzt, um die Fußböden in einigen Zimmern zu erneuern", sagt Erica Doghmani, "und wie das so ist: Wir haben immer mehr Reparaturbedarf gesehen." Die Arbeiten sind noch nicht fertig.
"Aber die Nachfrage ist auch nicht so groß", sagt Doghmani. Normalerweise bilden Wanderer die Laufkundschaft im Restaurant: "Da ist noch nicht viel los", sagt sie. Am 25. Juli wollen die Doghmanis das Hotel wieder öffnen. Auch letztes Jahr, erinnert sie sich, wären die Buchungen erst Ende Juli, Anfang August richtig hochgegangen: "Und dann blieb das so. Hätten wir im Winter aufhaben dürfen, dann hätten wir auch die Ausfälle aus dem ersten Lockdown wieder reingehabt."
Hochzeitsfeiern fallen kleiner aus
Sebastian Kliemann, der Juniorchef im Freitaler Hotel und Gasthaus "Zur Linde", bemerkt vor allem an Hochzeiten das unsichere Reiseverhalten: "Da kommen normalerweise Familienmitglieder aus verschiedenen Bundesländern zusammen."
Die übernachten dann natürlich gleich in dem Hotel, in dem auch gefeiert wird: "Aber derzeit bleibt die Gästeliste eher auf Sachsen beschränkt." Doch "Zur Linde" ist ohnehin eher eine Adresse für Geschäftsreisende als für Touristen. "Und unsere Gastronomie wird gut von Einheimischen ausgelastet."
Alle Wirte des Wirtestammtischs konnten wieder öffnen
Jochen Löbel als Sprecher des Wirtestammtischs Osterzgebirge, fasst die Lage kurz zusammen: "Der Start war verhalten, die verschiedenen Regeln in einzelnen Bundesländern verwirren und führen zu kurzfristigen Buchungen", sagt er. In den Vor-Corona-Jahren sei ohnehin der Spätsommer bis Herbst die beste Zeit für den Tourismus im Erzgebirge gewesen. Und diesmal seien die Lockerungen einen Monat später als letztes Jahr eingetreten: "Erst im Juni - da ist die Sommerurlaubsplanung schon längst durch", sagt Löbel.
Ohnehin würden Urlauber durchschnittliche 3,5 Tagen im Osterzgebirge verweilen. "Kurzreisen plant keiner langfristig." Deshalb sei die Stimmung der 23 Mitglieder des Wirtestammtischs, alles Inhaber von Hotels und Restaurants zwischen Dippoldiswalde, Altenberg und Frauenstein, in der Masse trotzdem optimistisch. "Die Coronahilfen wurden letztlich doch so verteilt, dass alle wieder aufmachen konnten", sagt Löbel.