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Kaum noch was frei: Ansturm auf Kleingärten im Osterzgebirge

Seit den Corona-Lockdowns sehnen sich alle nach einem Kleingarten. In den Sparten ist der Generationswechsel im vollen Gange.

Von Siiri Klose
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Im Juni feiern alle Generationen das 50. Spartenjubiläum: Elisabeth Kreutze, Thomas Fritsch und Danny Schönherr von der Kleingartenanlage Am Taubernberg in Dippoldiswalde.
Im Juni feiern alle Generationen das 50. Spartenjubiläum: Elisabeth Kreutze, Thomas Fritsch und Danny Schönherr von der Kleingartenanlage Am Taubernberg in Dippoldiswalde. © Karl-Ludwig Oberthuer

Wer jetzt keinen Garten hat, bekommt keinen mehr. So könnte Jürgen Kluge frei nach Reiner Maria Rilke antworten. Doch ganz so drastisch sieht der Vorsitzende des Kleingartenbundes Weißeritzkreis e. V. die Lage nicht. "Wir haben zwar kein Problem mit dem Leerstand", sagt er. "Aber es gibt immer mal wieder freie Parzellen, weil wir mitten drin sind im Generationswechsel."

Der Kleingartenbund hat seinen Sitz in Freital-Deuben. Die Straßenbäume grünen, die Vorgärten blühen, und allein in der unmittelbaren Umgebung gibt es vier Kleingartenanlagen. Insgesamt sind es 174 Spartenvereine von Wilsdruff bis Altenberg und von Klingenberg bis Kreischa, die der Kleingartenbund berät, betreut und auch rechtlich zur Seite steht.

Das macht 6.000 Kleingärten, 3.000 davon allein in Freital. Sechs davon sind auf der Webseite des Kleingartenbundes als "frei" aufgelistet. "Das sind meist topografisch schwierige Parzellen, steile Hanglagen beispielsweise", sagt Kluge, "wir haben rund zwei Prozent Leerstand, die normale Fluktuation."

Gärten nahe Dresden sind besonders gefragt

In Dresden sind die Kleingärten längst Mangelware. Das macht sich auch in den Kommunen Wilsdruff, Freital, Bannewitz und Kreischa bemerkbar. "Die Sparten dort liegen verkehrsgünstig für die Dresdner", sagt Kluge. "Außerdem wollen viele am Wochenende raus aus dem Talkessel." Entsprechend schwer ist es, dort noch einen Garten zu ergattern.

Jürgen Kluge ist der Vorstandsvorsitzende des Kleingartenbundes Weißeritzkreis ie. V. mit Sitz in Freital-Deuben.
Jürgen Kluge ist der Vorstandsvorsitzende des Kleingartenbundes Weißeritzkreis ie. V. mit Sitz in Freital-Deuben. © Egbert Kamprath

Aber auch junge Freitaler und Dippoldiswalder interessieren sich mehr fürs Gärtnern. "Die Zeiten, in denen das Kleingärtnerwesen aus der Mode war, sind vorbei", sagt Kluge. Nach der Wende erschien das billige Obst und Gemüse im Supermarkt attraktiver als der beschwerliche Eigenanbau und Reisen attraktiver als Wochenenden auf der Parzelle. "Damals gab es viele brach liegende Gärten. Aber die jungen Leute jetzt schätzen den Anbau wieder."

Selbstgezogenen Pflanzen beim Wachsen zusehen

Zumal für Gartentomaten andere Regeln gelten als für Großhandelsgemüse: "Da kommt es nicht auf Transport- und Lagerfähigkeit an, sondern auf den Geschmack." Es gibt ein neues Bewusstsein zur Ernährung: "Die Leute wollen wissen, was in ihrem Essen drin ist, woher es kommt. Und sie genießen es, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen, die sie selbst herangezogen haben."

Die Corona-Lockdowns taten ihr übriges: "Von unseren 20 Parzellen standen vor Corona vier leer", sagt Sepp Büttner von der Dippoldiswalder Anlage Schwarzbachtal e. V. Doch dann gehörten die Kleingärtner zu den wenigen Glücklichen, die noch ein Ziel hatten in der veranstaltungslosen Zeit. Und offensichtlich sind die Gärten attraktiv geblieben: "Seit gestern haben wir eine Warteliste", sagt der 28-jährige Büttner.

Kein Problem mit den Regeln

Als er den Vereinsvorsitz übernahm, bestellten die meisten Pächter seit DDR-Zeiten ihre Gärten. "Inzwischen haben wir eine durchmischte Altersstruktur", sagt er. Die Neuen stammen alle aus Dippoldiswalde: junge Familien und alleinstehende Frauen, die ihr Leben umstrukturieren wollen. Mit den besonderen Regeln im Kleingarten kämen alle gut klar.

Dem Wesen nach sind Kleingartenvereine in erster Linie Vereine, die kommunales oder privates Land für einen gemeinnützigen Zweck gepachtet haben - in diesem Fall, um ihren Mitgliedern das Gärtnern zu ermöglichen. Sie dürfen also keinen Gewinn machen - was den niedrigen Pachtzins erklärt, der laut Bundeskleingartengesetz höchstens das Vierfache vom erwerbsmäßigen Obst- und Gemüseanbau betragen darf.

Gemeinnützigkeit ermöglicht niedrige Pacht

Im Osterzgebirge bedeutet das durchschnittliche 8 Cent pro Quadratmeter und Jahr, dazu kommen ein Mitgliedsbeitrag für den Verein - zwischen 150 und 200 Euro kommen pro Jahr zusammen. Ein paar Pflichten gibt es auch: Die Hecken sind deshalb auf 1,20 Meter Höhe begrenzt, damit die Gartenanlagen auch Spaziergängern zur Erholung dienen können. Die berühmte Ein-Drittel-Anbauregel lässt sich auch mit Johannisbeersträuchern und Apfelbäumen erfüllen. Und warum nicht mehr als drei Kubikmeter Wasser im Bassin? "Da geht es vor allem darum, dass mehr Wasser mit Chemikalien sauber gehalten werden muss. Wohin soll das dann abgelassen werden?", sagt Jürgen Kluge vom Kleingartenbund. Abwasserleitungen führen meist nicht bis in die Gärten.

Kluge stört es, wenn Kleingärtner als manische Regelüberwacher dargestellt werden. "Die Verkehrsordnung hat mehr Regeln, und trotzdem können sich alle dran halten." Ein Drittel Nutzpflanzenanbau - das macht laut Urteil des Bundesgerichtshofs den Charakter eines Kleingartens aus. "Biergarten, Badeparadies, Hundeauslauf - dafür sind Kleingärten nicht gedacht. Wer so etwas möchte, kann eben nicht zu uns kommen."

Jubiläum mit allen Generationen feiern

Wer sowas wie eine Gemeinschaft möchte, ist hingegen willkommen. "Wir feiern im Juni unser 50-jähriges Bestehen", sagt Thomas Fritsch, der den Vorstand der Sparte "Am Taubenberg" in Paulsdorf an der Malter vor fünf Jahren übernahm. "Da wollen wir auch die Gründergeneration aus den siebziger Jahren einladen."

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In letzter Zeit wechselten auch bei den 54 Parzellen am Taubenberg Stück für Stück die Pächter, "Jüngere Leute kamen, das ist gut." Für Dresdner wäre allerdings die Anfahrt zu lang: "Man muss bedenken: Arbeit, Kinder - wie viel Zeit bleibt dann noch? Ein Kleingarten ist eben auch nochmal Arbeit."

Doch aus der Region kämen genügen Interessenten. "Nur bei den ganz Jungen ändert sich noch zu viel im Leben: Arbeitsplatz, Beziehungen", sagt er. Damit der Generationswechsel gelingt, hat er einen einfachen Tipp: "Miteinander reden." Ein bisschen Hilfsbereitschaft verhilft ebenfalls zu einer freundlichen Nachbarschaft: "Ich habe auch schon für meinen alten Nachbarn den Rasen mit gemäht und die Bäume verschnitten. Im Gegenzug hat er meine Tomaten gegossen."

Super Lösungen von den Neuen

Auch Vereinsvorsitzende Katja Vogel von der Ortsfachsparte Kleingärtner- und Siedler e. V. in Lauenstein agiert mit einer Mischung aus Regeln und Nachsicht: "Wer in seinem neu übernommenen Garten erst mal die Laube auf Vordermann bringen muss, mäht im ersten Jahr erst mal nur den Rasen, und wer lange krank ist, setzt eben ein Jahr aus", sagt sie - und freut sich über die Ideen der Neuen: "Hochbeete sind doch tatsächlich viel schonender für den Rücken, Blühwiesen sind gut für Insekten, Beete lassen sich auch mit Holz statt Beton einfassen - das sind doch super Lösungen."

Größtenteils Familien mit Kindern rücken in die frei werdenden Gärten in Lauenstein nach, eine aus Dresden ist auch dabei. "Für sie zählt nicht nur der Garten, sondern auch die Umgebung, die Landschaft und das Freibad." Das ist nämlich auch nicht weit weg.