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Lämmerzeit in Bärenstein

Der Hofladen vom Milchschafhof ist derzeit geschlossen. Die Milch brauchen die Lämmer selbst - und Schäfer Falk Bräuer ist Tag und Nacht auf den Beinen.

Von Siiri Klose
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Weiße Lämmer sind eigentlich gar nicht typisch für Falk Bräuers schwarze Schafherde. Doch dieses hier wollte unbedingt mit aufs Bild.
Weiße Lämmer sind eigentlich gar nicht typisch für Falk Bräuers schwarze Schafherde. Doch dieses hier wollte unbedingt mit aufs Bild. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Lämmer sind putzmunter, Falk Bräuer ist müde. Das eine hat mit dem anderen zu tun: "Leider lämmern Schafe vor allem nachts und morgens", sagt der Schäfer vom Milchschafhof Bärenstein. In jeder der letzten drei Nächte kamen Zwillinge und Drillinge zur Welt.

So viele, dass Bräuer jetzt keinen freien Stiez mehr hat. "So heißen die Einzelboxen, in denen die Mutterschafe mit ihren Lämmern die ersten zwei, drei Tage verbringen", sagt Bräuer. So können sich die Tiere aufeinander einstellen, die Lämmer in Ruhe trinken lernen.

Alles für entspannte Schafe

Bräuer, das ist aus jedem seiner Sätze herauszuhören, tut alles für entspannte Schafe. Stellt ein hohes Brett vor die Stalltür, damit die Zugluft nicht kalt hereinweht. Füttert mit der Flasche zu, damit die Euter der Drillingsmütterschafe nicht zu heftig beansprucht werden. Gibt Kraftfutter, aber nicht zu viel.

Vor allem aber beobachtet er seine Schafe. Zwischen 45 und 50 hat er im Sommer auf der Weide. Jetzt, im Vorfrühling, werden es allerdings täglich mehr: Zwei, drei Lämmer kommen gerade pro Nacht auf die Welt. Bräuer schätzt, dass es am Ende circa 50 sein werden.

Ostfriesische Milchschafe in schwarzer Zucht

"Ein Frühjahr ohne kleine Tiere - das kann ich mir gar nicht vorstellen", sagt er und lacht über seine Müdigkeit hinweg, als sich die einzigen beiden weißen Lämmer der Herde immer wieder mit aufs Bild drängeln. Denn eigentlich sind Falk Bräuers Tiere schwarz. "Ostfriesische Milchschafe in schwarzer Zucht" lautet die korrekte Bezeichnung der Rasse.

Diese Rasse hält Falk Bräuer seit 22 Jahren - schon immer als Lebensunterhalt, schon immer biozertifiziert. Schwarze aus Sympathie, "aber auch, weil sie keinen Sonnenbrand kriegen wie die Weißen." Auch die dunkle Wolle hat ihre Vorteile: "Es gibt kein natürliches Färbemittel, mit denen sich diese Farbe erreichen ließe."

Anderthalb Tonnen Schafkäse im Jahr

Zweimal im Jahr werden die Schafe geschoren, Bräuer lässt die Wolle bei Betten Rieger in Görlitz verspinnen. Strickwolle, Strümpfe und Schaffelle verkauft er im Hofladen - der allerdings erst ab Ende April wieder geöffnet hat. Denn Bräuers Hauptprodukt, die Milch, brauchen die Lämmer gerade selbst.

"Ich produziere anderthalb Tonnen Schafkäse im Jahr", sagt er. Den größten Teil davon verkauft er über die Läden der Dresdner Verbrauchergemeinschaft. "Das funktioniert gut, weil ich Preise und Produkte selbst bestimmen kann." In den Läden der Dresdner VG werden die Preise verlangt, die bei Bräuers Art der Schafhaltung tatsächlich anfallen.

Nachfrage wächst ständig

Das fängt beim achtwöchigen Kindergarten pro Lamm und Mutterschaf an und hört in der hofeigenen Schlachterei auf. "Im Herbst schlachte ich pro Jahr circa 20 Lämmer", sagt Bräuer. "So haben sie wenig Stress und ich weiß, dass alles in Ordnung ist."

Anfangs war Bräuer der Einzige im Osterzgebirge, der über die Verbrauchergemeinschaft verkaufte, "inzwischen sind noch vier, fünf weitere Schafhöfe dazugekommen." Für ihn sei das keine Konkurrenz. "Die Nachfrage ist über all die Jahre auch gleichmäßig mitgewachsen." Besonders beim Fleisch wäre die Nachfrage riesig.

Herde wegen trockener Sommer reduziert

Dem entgegen stehen die trockenen Jahre der Vergangenheit. Bräuer, der bisher eigentlich auch Heu verkaufen konnte, musste zuletzt sogar zukaufen. "Gegen Trockenheit sind wir ohnmächtig, das lässt sich nicht mit flexiblerem Wirtschaften oder höheren Preisen ausgleichen", sagt er.

Als Schäfer ist er ständig in Kontakt mit Natur und Klima. "Früher war der Sommer mal die entspannteste Zeit im Jahr, den Winter musste man überstehen", sagt er. Das habe sich komplett gedreht. "Jetzt weiß ich im Winter, wie viele Schafe und wie viel Futter ich habe. Aber im Sommer ist ständig die Angst da, dass es nicht genug regnet." Seine Herde hat er deshalb bereits auf 35 Milchschafe reduziert, statt der 50, die ein einzelner Schäfer normalerweise bewältigen kann.

Rasse widersetzt sich intensiver Tierhaltung

Bis zu zehn Jahre alt werden die Milchschafe auf seinem Hof. "Die Ostfriesen haben die höchste Milchleistung, sind aber auch am empfindlichsten." Sie müssten im Winter einen Stall haben, brauchen gutes Futter und müssen sorgfältig gemolken werden - sobald die Lämmer im Mai auf Heu und Gras umgestiegen sind, melkt Falk Bräuer die Milchschafe mit Hand: "Diese Rasse entzieht sich der intensiven Tierhaltung."

Vielleicht werden sie deshalb auch so selten gehalten. "Die Schwarzen werden erst seit ungefähr 50 Jahren gezüchtet", sagt Bräuer. Er führt ein Herdenbuch, in dem nicht nur die Abstammung seiner Tiere vermerkt ist, sondern auch ihre Eigenschaften - beispielsweise, ob sie ihre Lämmer mütterlich umsorgen oder nicht annehmen. Manche erdrücken auch ihr Lamm. "Solche Eigenschaften kann ich nicht brauchen", sagt er. Die Tiere kommen in eine Bioschlachterei.

Rumänen und Tschechen züchten auch

Seine Lämmer kann er gut verkaufen. "In Rumänien und Tschechien gibt es regelmäßig Interessenten, die noch Ostfriesen züchten." Weil es nur circa 300 schwarze Schafe dieser Rasse in Deutschland gibt, ist der Genpool klein, weshalb Bräuer alle paar Jahre einen weißen Bock einkreuzt. "Der letzte war tatsächlich aus Ostfriesland", sagt er.

Auf ihn gehen auch die beiden weißen Lämmer zurück, die ständig Bräuers Nähe suchen: "Selbst schuld, ich hab bei ihnen ja auch Milch zugegeben." Schüchtern ist überhaupt kein Lamm im strohgepolsterten "Kindergarten"-Abteil vor den Stiezen. Im Gegenteil, sie laufen Bräuer neugierig nach, schieben ihre Minimäulchen in seine Taschen, knabbern an den Gummistiefeln. "Das pure Leben", sagt Falk Bräuer müde, aber glücklich.

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