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Am Altmarkt entsteht die sozialistische Großstadt

Er ist das Herz Dresdens und wird nach dem Krieg völlig verändert wieder aufgebaut. Eine neue Zeit soll anbrechen.

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© Friedemann

Von Ralf Hübner

Der Altmarkt wird umgebaut. Wieder einmal. Voraussichtlich ab 2020 wird das Pflaster aufgerissen. Strom, Wasser- und Abwasserleitungen zu den Marktständen werden neu verlegt. Vor 65 Jahren hat am 31. Mai 1953 der damalige SED-Generalsekretär Walter Ulbricht nahe der Webergasse den Grundstein für die Neubebauung des im Krieg zerstörten Platzes gelegt.

Schon damals wurde groß gebaut. Der Altmarkt sollte die neuen Machtverhältnisse architektonisch widerspiegeln, den „historischen Sieg der Arbeiterklasse“, wie Ulbricht betonte, den Umbau Dresdens zur sozialistischen Großstadt. Die Grundsteinlegung war mehrmals verschoben worden, vom 1. Januar auf den 13. Februar und schließlich den 31. Mai. Einen fertigen Plan gab es dennoch nicht. Erst Anfang Juli lagen den Bauarbeitern erste Zeichnungen für die Westseite des Platzes vor.

Ein Streitpunkt war dessen künftige Größe gewesen. So wie andere DDR-Städte sollte auch Dresden einen Fest- und Aufmarschplatz für etwa 100 000 Menschen erhalten. Obwohl es auch andere Vorschläge gab, fiel die Wahl schon 1951 auf den Altmarkt, das bürgerliche Zentrum, der von ursprünglich 1,3 auf etwa 2,5 Hektar erweitert werden sollte. Kritiker warnten, dass er in dieser Größe den früheren saalartigen Charakter nicht mehr haben werde.

Der Altmarkt, 1370 erstmals urkundlich erwähnt, ist der älteste Platz und Kern der Stadt. Mit ihm beginnt die planmäßige Anlage eines Straßennetzes und dort stehen die wichtigen Gebäude der Stadt sowie die Häuser der Ratsgeschlechter. Er ist Schauplatz fürstlicher Lustbarkeiten, von Turnieren und Ringrennen. Auch Tierhatzen sind beliebt. Bei einem großen Ritter- und Turnierspiel 1553 etwa führt die Stechbahn vom Schloss bis zum Markt. Bei der Hochzeit Christian II. mit Hedwig von Dänemark 1602 kostümieren sich die Mitglieder der Hofgesellschaft als Tataren, Mönche, Bergleute, Afrikaner oder Türken. Auch die Hochzeit von Kurprinz Friedrich August II. mit der Kaisertochter Erzherzogin Maria Josepha von Österreich 1719 wird unter anderem dort gefeiert.

Der Hof verfolgte das Schauspiel auf dem Altmarkt vom Rathaus aus. Doch der freistehende, dreigeschossige Renaissancebau auf der Nordseite erschien den Landesherren ungünstig und wurde unter August dem Starken 1707 abgebrochen. Mit dessen Billigung erwirbt die Stadt 1709 als Ersatz das gräflich Taubische Haus, das 1741 bis 1745 nach Entwürfen von Johann Christoph Knöffel ausgebaut wird. Als 1910 das Neue Rathaus am Ring fertig ist, zieht dort die Hauptverwaltung der Straßenbahn ein.

Nach der Beschießung der Stadt im Siebenjährigen Krieg stehen im Juli 1760 die Häuser am Altmarkt in Flammen. Während der Napoleonischen Zeit lagern dort Truppen. 1830 und 1849 ist der Altmarkt Schauplatz revolutionärer Unruhen. Zur Erinnerung an den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wird 1880 in der Mitte ein vier Meter hohes Germania-Denkmal errichtet.

In den folgenden Jahrzehnten wird viel um- und neu gebaut. Geschäftshäuser und Cafés bestimmten das Bild wie das Café Kreutzkamm und das Kaufhaus Renner, damals das größte Kaufhaus der Stadt mit zeitweise bis zu 1 200 Angestellten, sechzig Schaufenstern und der ersten Rolltreppe in Dresden, die Marienapotheke, das Deutsche Familien Kaufhaus (DeFaKa), das Residenzcafé und das Café Central. Nach den Luftangriffen 1945 werden auf dem Platz 6 865 Leichen aufgestapelt und verbrannt.

Dem Wiederaufbau geht im Herbst 1952 ein Architekturwettbewerb voraus. Die neuen zumeist siebenstöckigen Häuser erinnern mit der Sandstein-Putzfassaden, den Erkern, Satteldächern, Dachgauben sowie gesprengten Giebeln an den Dresdner Barock. Auf individuelle Wohn- und Geschäftshäuser wird verzichtet. In den unteren Geschossen sind Läden und Gastronomie vorgesehen. Ein Arkadengang macht das Ensemble unverwechselbar. Die Treppenanlagen im Inneren wurden im Stil der 1950er-Jahre üppig und in geschwungener Leichtigkeit gestaltet. Die Kreuzkirche bleibt als einziges historisches Gebäude am Platz erhalten.

Der Altmarkt gilt allgemein als gelungenes Beispiel für den sogenannten Sozialistischen Klassizismus. Die geschlossenen Baukörper im Osten und Westen wirken jedoch wie Riegel zu anderen Innenstadtbereichen. Viele Nebenstraßen und Gassen gingen verloren und damit die Durchlässigkeit des Platzes. Im Norden wurde er 1969 durch den Kulturpalast geschlossen, im Süden wurde 2010 das letzte Haus gebaut.