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Amri ist tot und Fragen sind offen

Nach dem Tod des mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri bleibt viel ungeklärt: Hatte er Helfer? Wie kam er von Berlin nach Italien? Und wie geht es weiter mit der Abschiebung sogenannter Gefährder?

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© dpa

Berlin. Die Ermittlungen nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag in Berlin sollen über Weihnachten mit Hochdruck fortgesetzt werden. Nach Angaben von Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), arbeitet eine dreistellige Zahl von Beamten an den Feiertagen an dem Fall. Zugleich fordern Politiker insbesondere aus der CDU/CSU, dafür zu sorgen, dass sogenannte Gefährder unter abgelehnten Asylbewerbern schneller abgeschoben oder länger in Abschiebehaft genommen werden können. CSU-Chef Horst Seehofer machte sich in einem Interview der „Welt am Sonntag“ erneut für eine Asylbewerber-Obergrenze stark.

Polizisten sichern in Mailand am Morgen des 23. Dezember den Ort, an dem der mutmaßliche Lkw-Attentäter von Berlin von Polizisten erschossen worden war.
Polizisten sichern in Mailand am Morgen des 23. Dezember den Ort, an dem der mutmaßliche Lkw-Attentäter von Berlin von Polizisten erschossen worden war. © Reuters

Seehofer will die Begrenzung nach einem Sieg der Union bei der Bundestagswahl 2017 auf jeden Fall einführen. „Die Obergrenze kommt, für den Fall dass wir regieren. Das gebe ich hier zu Protokoll“, sagte Bayerns Ministerpräsident. Seehofer nannte dabei eine Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen im Jahr. Er forderte zugleich Abkommen mit den Staaten Nordafrikas, um Asylbewerber dorthin zurückbringen zu können.

Am Freitag hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf schnellere Abschiebungen nach Tunesien gedrungen. Aus dem Land stammte auch der mutmaßliche Terrorist Anis Amri, der am Freitag in einem Vorort von Mailand von italienischen Polizisten erschossen worden ist. Amri ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Mann, der am Montag in Berlin mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gerast ist. Bei dem Attentat starben 12 Menschen, 53 wurden teilweise lebensgefährlich verletzt. Sicherheitsbehörden hatten den Tunesier zuvor als Gefährder zwar im Blick gehabt. Seine Abschiebung war allerdings gescheitert, weil er keinen Pass hatte.

„Gefährder, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, müssen unverzüglich abgeschoben werden“, forderte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet in der „Bild“-Zeitung (Samstag). Für diese Gruppe abgelehnter Asylbewerber müsse „die Abschiebehaft maximal ausgedehnt werden“. Der CSU-Innenpolitiker Stefan Mayer setzte sich in der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag) dafür ein, einen neuen Haftgrund zu schaffen für Ausreisepflichtige, „von denen eine unmittelbare Gefahr ausgeht“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter dagegen sieht keinen Bedarf für eine Rechtsänderung: „Nach allem, was man bislang erkennen kann, haben wir im vorliegenden Fall kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit“, sagte er der „Saarbrücker Zeitung“ (Samstag).

In der Debatte um die politischen Folgen des Berliner Anschlags geht es auch darum, ob die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Bei Bürgern dieser drei Länder könnten damit beschleunigte Asylverfahren möglich werden. Die Grünen lehnen dies ab: Dieser Fall habe „nichts mit der Diskussion über die sicheren Herkunftsstaaten zu tun“, sagte die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Mona Neubaur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Samstag). CSU-Innenpolitiker Mayer hingegen bezeichnete es in der „Passauer Neuen Presse“ als „unerträglich“, dass die vom Bundestag bereits beschlossene Einstufung als sichere Herkunftsländer im Bundesrat blockiert werde.

In den Ermittlungen im Fall Amri soll jetzt unter anderem untersucht werden, ob die Waffe, die er bei seinem Tod bei sich trug und aus der er Schüsse auf zwei italienische Polizisten abfeuerte, dieselbe ist, mit der in Berlin der Fahrer des gestohlenen Lastwagens erschossen wurde. Außerdem geht es darum zu klären, ob der 24-Jährige ein Unterstützernetzwerk, Mitwisser oder Gehilfen hatte, kündigte Generalbundesanwalt Peter Frank an. Ein Sprachrohr der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat am Freitag ein knapp dreiminütiges Video veröffentlicht, auf dem der mutmaßliche Berlin-Attentäter zu sehen sein soll. In der Aufnahme schwört er IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi die Treue. Die Echtheit des Videos ist nicht unabhängig bestätigt.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich unterdessen gegen einen Richtungswechsel in der europäischen Flüchtlingspolitik ausgesprochen. „Europa muss den Menschen, die aus den Kriegsgebieten und vom Terror fliehen, Zuflucht bieten“, sagte Juncker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Er forderte, Flüchtlinge nicht „unter einen Terrorismus-Generalverdacht zu stellen“. Auch einer „Rhetorik der Ausgrenzung“ sollte niemand folgen: „Unsere Werte, unsere Art des Zusammenlebens in Freiheit, im Miteinander und in Offenheit sind die besten Waffen gegen den Terror“, sagte Juncker.

Auch der künftige US-Präsident Donald Trump äußerte sich zu den Folgen des Berliner Anschlags - er mahnte größere Entschlossenheit im Kampf gegen den Terror an. „Der Terrorist, der so viele Menschen in Deutschland getötet hat, sagte kurz vor (dem) Verbrechen: „Gemäß Gottes Willen werden wir euch Schweine abschlachten. Ich schwöre, wir werden euch abschlachten““, twitterte Trump am Freitagabend. „Dies ist eine reine religiöse Drohung, die zur Wirklichkeit geworden ist. Solch ein Hass! Wann werden die USA und alle Länder zurückschlagen?“ (dpa)