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An Bosniens Mini-Rivera klingeln die Kassen

Das sonst verschlafene Adria-Aschenputtel ist aus Mangel an Alternativen plötzlich sehr gefragt: Ungewohnter Touristen-Andrang in Neum.

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Neum ist der einziger Küstenort von Bosnien-Herzegowina. Er erlebt einen touristischen Boom.
Neum ist der einziger Küstenort von Bosnien-Herzegowina. Er erlebt einen touristischen Boom. © imago images

Von Thomas Roser

Dank Corona mausert sich Bosniens Adria-Aschenputtel zur goldenen Gans. „Alle Hotels in Neum sind voll, so viele Reservierungen habe ich in dem Ort in 20 Jahren noch nie erlebt“, freut sich Davor Kresic, der Vorsitzende des Verbands der Tourismus-Beschäftigten, über den ungewohnten Rummel an Bosniens Riviera. „Bosnisches Meer als neue Touristen-Attraktion“, titelt sogar in Serbien das nova.rs-Portal: „Als einer der wenigen ist es nämlich noch mit einem serbischen Pass zu erreichen.“

Von Reisenden zwischen den kroatischen Touristenhochburgen Split und Dubrovnik wird die zehn Kilometer kurze Fahrt über das Territorium von Bosniens Meereszugang bisher als eher lästiges Transithindernis durchfahren. Doch die Viruskrise hat dem Mittelmeeranrainer mit der nach Monaco kürzesten Küste einen bislang ungeahnten Andrang beschert: Auch aus Mangel an Alternativen machen sich nicht nur heimische, sondern vor allem auch serbische Touristen in die eher schmucklosen Großhotels im sonst eher beschaulichen, jetzt aber überfüllten Neum auf.

Während die Gastronomen in Süddalmatien, aber auch im nahen Montenegro, über leere Betten und die schlechteste Saison seit Jahrzehnten klagen, brummt in den Schänken und Pizzerias von Neum im Corona-Sommer das Geschäft. Für serbische Meeresjünger, denen wegen der wieder stark aufgeflackerten Epidemie die sonst bei ihnen sehr populären Sommerfluchten nach Griechenland und Montenegro verwehrt bleiben, ist Neum ebenso eine Alternative wie für Bosnier selbst, die sich wegen der 14-tägigen Einreisequarantäne nicht an die kroatische Adria aufmachen können.

Sogar Rauchen in öffentlichen Einrichtungen und Gaststätten ist zur Freude überzeugter Balkan-Schmaucher im bosnischen EU-Abseits noch immer gestattet. Ansonsten spricht für Neum eigentlich nur der geringe Preis: Auch wegen der wesentlich geringeren Kosten sind die Bettenburgen des gerade mal 3.200 Seelen zählenden Küstenorts in den letzten Jahren zum populären Hochzeitseldorado kroatischer Eheglückssucher mutiert.

Das Geschäft mit den Großhochzeiten liegt in Neum wegen Corona in diesem Jahr zwar darnieder. Doch dafür lassen die Sonnensucher an Bosniens Adria-Riviera den Rubel rollen. Nur in den Läden sind Gesichtsmasken zu sichten: Angst vor der Ansteckung scheinen die Gäste und Kellner auf den überfüllten Kneipenterrassen und Stränden offenbar keine zu plagen.

Eine neue Überlandstraße soll das bisher nur über ziemlich holprige Pisten erreichbare Neum schon ab dem nächsten Jahr besser mit dem bosnischen Hinterland verbinden. Die unfreiwilligen Transitbesucher an Bosniens Riviera dürften derweil spätestens ab 2022 der Vergangenheit angehören: Nach der Fertigstellung der neuen Meeresbrücke zwischen dem kroatischen Festland und der Halbinsel Peljesac ist die in Süddalmatien geografisch zerrissene EU zumindest verkehrstechnisch wieder geeint – und Reisende können den bosnischen Küstenkorridor dann in wenigen Minuten umfahren.