Merken

An der Kreuzung zweier Großprojekte

Jahrelang träumte man in Hoyerswerda von Ostumfahrung und Bahnausbau. Jetzt ist beides da und es gibt schon neue Wünsche.

Von Uwe Schulz
 5 Min.
Teilen
Folgen
Östlich von Hoyerswerda kreuzen sich die neue Ostumfahrung der Stadt und die Niederschlesische Magistrale, auf der unter anderem die Odeg-Züge nach Görlitz verkehren.
Östlich von Hoyerswerda kreuzen sich die neue Ostumfahrung der Stadt und die Niederschlesische Magistrale, auf der unter anderem die Odeg-Züge nach Görlitz verkehren. © Uwe Schulz

Hoyerswerda. Um 10.30 Uhr verlässt der Triebwagen der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft Odeg den Bahnhof Hoyerswerda, hält drei Minuten später am Haltepunkt Neustadt, beschleunigt und passiert kurz darauf östlich der Stadt mitten im Wald eine Brücke, auf der Pkw und Vierzigtonner die doppelgleisige Bahnstrecke überqueren. Ende Dezember 2018 ist das für einen Hoyerswerdaer schon fast normal. Doch vor einem Monat fuhr dieser Zug noch nicht, vor zwei Jahren stand die Brücke noch nicht und vor fünf Jahren reichte der dichte Kiefernwald bis an die Bahntrasse heran. Seit dem 9. Dezember 2018 verkehren nach acht Jahren erstmals wieder Personenzüge zwischen Hoyerswerda und Görlitz. Schon seit dem 13. August ist der erste Teilabschnitt der neuen Hoyerswerdaer Ostumfahrung für den Straßenverkehr freigegeben, der zweite Abschnitt und damit die Gesamtstrecke ging am 20. Dezember in Betrieb. Die Schnittstelle Eisenbahn und Straße ist damit ein ganz besonderer Punkt. Hier kreuzen sich zwei Verkehrsadern, die es in sich haben.

Die Ostumfahrung war schon mal zu DDR-Zeiten angedacht, schaffte es 1992 in den Bundesverkehrswegeplan. Doch dort sah es viele Jahre nicht gut aus für das Projekt. 2013 wurde Baurecht vermeldet, aber da hatte der Bund nicht das Geld. Doch angesichts der immer maroder werdenden Infrastruktur im Land gab es einen Paradigmenwechsel: Und so wurden allein im Jahr 2015 die Gelder für 80 Projekte freigegeben. So konnte gebaut werden.

Die Trasse wurde freigeschlagen, Archäologen und Kampfmittelbeseitigungsdienst machten ihren Job. Neue Straßenanbindungen wurden geschaffen. Und schließlich begann noch vor dem offiziellen ersten Spatenstich der Bau der Straßenbrücke über die Magistrale. Die Straße ist mittlerweile auf voller Länge befahrbar. Restarbeiten zum Beispiel an der Fahrradbrücke und der Begrünung stehen noch an. 

Ausbau mit zwei Gleisen

Die Niederschlesische Magistrale ihrerseits ist ein Bahnprojekt von europäischer Bedeutung. Ende der 1980er-Jahre wurde ein Teil der Strecke schon elektrifiziert. Da ging es aber um die DDR-Kohleindustrie und somit verfolgte man beim Streckenausbau auch andere Ziele, schuf beispielsweise den „Kohlering“. Ab Knappenrode Richtung Osten gab es daher keine Oberleitungen mehr, und die Strecke war auch nur eingleisig. Zudem gab es am Silbersee einen wegen Rutschungsgefahr geschwindigkeitsreduzierten Abschnitt.

Auch für dieses Infrastrukturprojekt fehlte trotz der Ideen und schon weit gediehenen Pläne das Geld. Letztlich fügte sich alles. Zum Fahrplanwechsel 2010 fuhr auf der Strecke der letzte Zug. Von Hoyerswerda nach Görlitz und umgekehrt ging es für Fahrgäste nur per Schienenersatzverkehr, der letztlich bis Anfang dieses Monats verkehrte und der Verkehrsgesellschaft Hoyerswerda eine schöne Einnahme bescherte. Die Bergbausanierer der LMBV sicherten den Damm am Silbersee, brachten bis runter zum gewachsenen Boden sogenannte Rüttelstopfsäulen aus Schotter ein, auf denen dann die neue Bahntrasse aufgebaut werden konnte. Während der Arbeiten ereigneten sich tatsächlich Rutschungen, die zeigten, dass es eine reelle Gefahr auf diesem Abschnitt gab.

Auf zu neuen Projekten

Dann übernahm die Bahn, riss die alte Strecke ab und baute zweigleisig alles neu. Da es ein Streckenneubau wurde, kamen die Anwohner in diesen Abschnitten auch in den Genuss von Schallschutzmaßnahmen, die es für die Anlieger der Bestandsstrecke in Zeißig und der Kernstadt Hoyerswerda beispielsweise nicht gibt.

Hier wurden immerhin Brücken instandgesetzt, einige Hundert Meter Gleis samt Unterbau ausgetauscht. Jetzt fahren die Personenzüge zwischen Hoyerswerda und Görlitz schneller als zuvor und auf einem perfekt verlegten Gleis. Die ersten schweren Güterzüge nutzen ebenfalls die Strecke. Noch hält sich das Verkehrsaufkommen in Grenzen. Aber das wird sich wohl noch ändern.

Jetzt gibt es also die Bahnlinie. Nach Görlitz und Dresden und Leipzig geht es mit S-Bahn bzw. Regionalbahn. Nach Bautzen und nach Cottbus ist Hoyerswerda nur per Bus angebunden. Deshalb gibt es jetzt im Rahmen des Strukturwandels in der Lausitz die Forderungen nach der Wiederaufnahme der Bahnverbindung nach Bautzen und nach einer Verbesserung der Anbindung nach Dresden, die dann nicht mehr nördlich über Ruhland führen soll, sondern über Kamenz.

Bei den Fernstrecken hat die Deutsche Bahn Ostsachsen und somit auch Hoyerswerda ohnehin nicht auf dem Schirm. Die neue Eurocity-Linie Berlin-Breslau-Krakau wird beispielsweise über Frankfurt/Oder und Zielona Gora geführt, könnte aber auch über die Niederschlesische Magistrale und damit über Hoyerswerda fahren.

Bei den Bundesstraßen ist ebenfalls längst nicht alles so, wie man es sich wünscht. Es muss noch ein Stück der ansonsten schon sehr gut hergerichteten B 96 Richtung Bautzen ausgebaut werden, Richtung Schwarze Pumpe müssen die Bergbausanierer auf der B 97 ein Stück Kippe sichern, auf dass dort die verhängten 30 km/h wieder verschwinden. Bei Nachfragen zu einem möglichen Zeithorizont gibt es nur unverbindliche Antworten.

Vor allem aber fordern die Politiker der Region einen Ausbau der B 97 Richtung Dresden, sodass die Anbindung für das gesamte Lausitzer Seenland in die Landeshauptstadt und an die A 4 besser wird. Auch die Milau-Strecke von Leipzig Richtung Weißwasser, auf jeden Fall aber über Hoyerswerda, ist wieder im Gespräch.

Im Gegensatz zur Ostumfahrung ist hier im Prinzip keine neue Trasse erforderlich, wohl aber ein Ausbau. Auch der, man ahnt es, ist nicht einfach. Grunderwerb und nicht selten damit verbundene Planfeststellungsverfahren ziehen sich in die Länge. Doch für neue Verkehrserschließungen stehen die Chancen der Lausitz in den nächsten Jahren so gut wie noch nie.