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Andrang bei der Tafel

Die Einrichtung versorgt so viele Bedürftige mit Lebensmitteln, dass die Öffnungszeiten nicht mehr ausgereicht haben.

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© Matthias Seifert

Von Eric Weser

Gröditz. Es ist Mittwochmorgen gegen um Neun. Die Temperaturen sind frostig, doch die Schlange steht trotzdem brav vor der Tür des Flachbaus in der Stadtmitte. Es sind junge Gesichter darunter aber vor allem ältere. Unter den Wartenden ist Lieselotte Maschler, die sich auf ihren Rollator stützt. Wie alle hier hat die 81-Jährige große Einkaufstüten dabei. Sie will Lebensmittel abholen bei der Gröditzer Tafel, die sich hinter der Tür befindet. „Ich krieg‘ ja bloß meine Rente und die reicht ja nich’“, erzählt die Witwe, die gleich um die Ecke wohnt.

Während draußen gewartet wird, herrscht drinnen Trubel: Emsig packen die ehrenamtlichen Helfer um Monika Schaffer Brotlaibe, Wurstpackungen und Joghurtbecher in Taschen, die zwischen ihnen hin- und hergereicht werden. Dann wird noch ein Beutel mit Gemüse und Obst befüllt. Ist alles fertig, heißt es für die Besucher 3,50 Euro Obolus an der Kasse zahlen und hinaustreten, damit der oder die Nächste bedient werden kann – in diesem Fall Lieselotte Maschler. Die Abfertigung läuft wie am Schnürchen.

Viel Zulauf durch Asylsuchende

Egal ob arme Rentner oder Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener oder Asylbewerber: Bei der vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betriebenen Gröditzer Tafel können sich Bedürftige mit Tafelausweis regelmäßig Lebensmittel abholen. Und das seit inzwischen mehr als zehn Jahren: Im November 2015 feierte die Einrichtung an der Fröbelstraße den runden Geburtstag.

Der markiert auch eine Neuerung in der Gröditzer Tafel-Geschichte: Bis zuletzt fand die Ausgabe einmal die Woche statt, immer freitags um Elf. Seit diesem Jahr gibt es einen zweiten Ausgabetermin am Mittwoch ab 8.30 Uhr. Der große Andrang mache das nötig, so ASB-Mitarbeiter Frank Geschawitz, der hier den Hut aufhat. Seit die Pulsener Tafel Ende 2015 zugemacht hat, kommen Bedürftige aus deren früherem Einzugsgebiet nach Gröditz.

Doch es sind vor allem Bewohner aus der Gröditzer Asylbewerber-Unterkunft, die der Tafel in den letzten Monaten immensen Zulauf bescheren. Heute ist ein Mann aus Syrien da. Acht Kinder habe er, wissen die Helfer, die die meisten Tafel-Kunden kennen. Wann denn das neunte Kind komme, flachst Frank Geschawitz und deutet lachend einen Babybauch an. Der Syrer spricht so gut wie kein Wort Deutsch, scheint den Scherz aber zu verstehen und feixt. „Kein Schwein“, formuliert er dann noch eine kurze Bitte an die packenden Helfer. „Pute...Chicken“, erklärt ihm Monika Schaffer, was sie da in seinen Beutel steckt. Man lacht miteinander, verständigt sich mit einigen Brocken Englisch, Mimik und ein paar Gesten.

Sonderwünsche nur selten erfüllen

So reibungslos läuft der Umgang aber nicht mit allen Asylsuchenden, berichten die Ehrenamtlichen. Einige hätten sich im Vorjahr tüchtig daneben benommen. Mittlerweile habe sich das gebessert. Unter den einheimischen Bedürftigen hat man mit den Gästen kein Problem. „Sie stören mich nicht, Hauptsache, sie stellen sich an“, sagt zum Beispiel Lieselotte Maschler. – Damit die Gröditzer Tafel immer genug Nachschub hat, tourt ASB-Mitarbeiter Frank Geschawitz mit seinen Helfern und einem großen Transportauto umher. Verschiedene Lebensmittelmärkte und Bäckereien in Gröditz und Umgebung sind ihr Ziel. Auch eine Fischzucht gehört zu den Spendern. Im Lager mit den vielen Kühltruhen hinter der Ausgabe bewahren die Helfer alles von der Tiefkühlpizza bis zur Konservendose auf. „Je nach Haltbarkeitsdatum gehen die Sachen dann raus“, so Frank Geschawitz. „Die Hygiene macht uns ja da auch Vorschriften.“

Doch bei der Tafel gibt es nicht immer nur Lebensmittel. Auch Toilettenpapier, Putzmittel und Zahnpasta werden ausgegeben. Im großen Lagerraum ragt ein Spielzeug-Bagger aus einer Kiste, in der noch viel mehr Spielsachen liegen. Eine Unternehmensspende aus der Vorweihnachtszeit. Nicht alles habe verteilt werden können, erzählt Frank Geschawitz. Ostern und der Kindertag rücken aber näher. Bis dahin soll das Spielzeug ausgegeben sein. – Trotz allem sind es Grundnahrungsmittel wie Brot und Butter, die nach Erfahrung von Frank Geschawitz am meisten nachgefragt werden. Mitunter gebe es Sonderwünsche, so der 59-Jährige. Aber die können die Tafel-Helfer nur selten erfüllen. Wegen neu hinzugekommener Spender könne seit einiger Zeit jedoch abgepackte Wurst angeboten werden. „Das hatten wir anfangs nicht“, sagt Frank Geschawitz.

Inzwischen ist es nach zehn Uhr. In einer halben Stunde ist Schluss mit der Mittwochs-Ausgabe. Letzte Bedürftige trudeln ein. Anstehen müssen sie nicht mehr. Eine gerade eingetroffene Ladung Gemüse mit Chicorée, Eisbergsalat und Blumenkohl wird von den Helfern kurz überprüft – und ohne Umweg ins Lager direkt ausgegeben.

Über 30 Bedürftige sind am Mittwochvormittag da gewesen, zeigt die Statistik der Helfer. Sie rechnen damit, dass es beim „Stammtermin“ am Freitag wieder deutlich mehr werden. Dann werde die Schlange bis zum Tor hinaus reichen.