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Angehende Ärzte üben Umgang mit Patienten

Anstatt wie früher am Krankenbett Mediziner-Latein zu sprechen, wird heute lieber Klartext geredet.

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© René Meinig

Von Katalin Valeš

Das Stethoskop baumelt lässig um seinen Hals, der Kragen sitzt etwas schief und der oberste Knopf des Arztkittels ist nicht zugeknöpft. Die kurzen Hosen verschwinden unter dem Kittel fast völlig. Das Klemmbrett hält er etwas unbeholfen in der Hand. „Wie geht es ihnen?“ fragt Alexej Baumgärtner mit ruhiger Stimme Frau Braun, alias Marianne Heubaum, die sich vor Schmerzen im Krankenbett krümmt. Später wird er bei ihr eine Magenverstimmung diagnostizieren und für seine Art, mit der Patientin umzugehen, viel Lob und Anerkennung bekommen.

Alexej Baumgärtner studiert im neunten Semester Medizin in Dresden. Seine Patientin ist in Wahrheit eine Schauspielerin.

Im Nebenraum sitzen Kommilitonen mit einer Tutorin und beobachten ihn über einen Fernsehbildschirm. Nachdem Alexej Baumgärtner mit der vermeintlichen Patientin gesprochen hat, muss er einer Assistenzärztin berichten. Sie ist im echten Leben zwar seine Kommilitonin, aber die Zuschauer und die besondere Situation machen Baumgärtner trotzdem etwas nervös. Konzentriert versucht er, die vorgegebene Reihenfolge einzuhalten und auch ja nichts zu vergessen. Die Assistenzärztin schaut streng, aber zufrieden. Ein kleinwenig hat das Ganze was von einer Prüfungssituation. Hinterher werten die Studierenden gemeinsam mit der Schauspielerin und mit Tutorin Nadine Damm, selbst Medizinstudentin aus, wie Alexej Baumgärnter mit der Patientin umgegangen ist. Bei dem Training sollen besonders die kommunikativen Fähigkeiten in der konkreten Behandlungssituation geübt werden. Baumgärnter hat seine Sache gut gemacht, auch wenn sein Outfit an diesem Tag noch nicht so ganz professionell wirkt, der Medizinstudent erhält viel Lob für seinen strukturierten, verständnisvollen Umgang mit der vermeintlichen Patientin. Auch fachlich gibt’s nichts auszusetzen. Alexej Baumgärtner ist trotzdem noch nicht ganz zufrieden mit sich: „Mir fehlt einfach noch die Routine und die Ruhe,“ sagt er selbstkritisch. Das sei wichtig im echten Leben, ist er sich bewusst.

Ruhe bewahren muss auch Alessa Kampmann ein Stockwerk tiefer. Ihr Wartezimmer ist voll schlecht gelaunter Patienten, die ihren Ärger lauthals Luft machen. Bei einer Patientin, die eigentlich wegen zu hohen Blutdrucks in die Praxis kam, geht plötzlich die Geburt los. Ihre Schreie sind ohrenbetäubend. Kampmann muss handeln und spannt kurzerhand Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU), die zufällig in der Nähe ist, als Geburtshelferin ein.

Auch diese Situation ist gestellt. Alessa Kampmann ist noch keine Ärztin, sondern studiert im zehnten Semester Humanmedizin und Sozialministerin Babara Klepsch ist nicht zufällig da, sondern wollte sich am Medizinisch Interprofessionellen Trainingszentrum (MITZ) des Dresdner Uniklinikums über diese besondere Lernform informieren. Durch die filmreife Leistung von Schauspielerin Christina Kraft, die als Schwangere alles gegeben hat, haben das die Beteiligten allerdings für einen Moment vergessen. „Der Adrenalinspiegel steigt definitiv. Man möchte ja auch nichts falsch machen“, sagt die Studentin, als die Übung vorbei ist.

Sozialministerin Klepsch zeigte sich überrascht, wie authentisch die nachgestellte Situation war: „Ich habe richtig Gänsehaut bekommen“, sagt sie.

Am MITZ üben nicht nur angehende Mediziner, sondern auch Pflegekräfte in Ausbildung. Seit zehn Jahren gibt es das Trainingszentrum schon. Leiter Henryk Pich findet Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Patienten und Medizinern und die gute Zusammenarbeit im Team wichtiger denn je: „Die Zeiten, in denen am Krankenbett noch Latein gesprochen wurde, sind lange vorbei. Nach heutigen Erkenntnissen ist es für die Behandlung von großer Bedeutung, dass die Patienten verstehen, was die Ärzte sagen.“

Pro Semester nehmen bis zu 1500 Studierende an den einzelnen Kursen und Trainings teil. 65 Schauspieler und Schauspielerinnen sind dafür im Einsatz.