Dresden. Mehrere Monate nach der tödlichen Attacke auf den jungen Eritreer Khaled in Dresden hat der Angeklagte zum Prozessauftakt ein Geständnis abgelegt. Der 27-Jährige berief sich dabei am Montag im Landgericht auf Notwehr. Khaled habe ihn angegriffen und er sich aus dem Schwitzkasten befreien wollen, hieß es in der von seiner Verteidigerin Elena Bogdanzaliew verlesenen Erklärung. Khaled sei demnach ein Freund gewesen, den er aus München kannte.
In seiner Panik hätte der Angeklagte Hassan S. etwas aus Khaled Hosenbund gegriffen und damit zugestochen. Als der andere fiel, sei er weggelaufen. Erst später will er das Messer in der Hand bemerkt und weggeworfen sowie das Geschehene realisiert haben. S. war Tage später anhand der DNA-Spuren als Verdächtiger identifiziert und verhaftet worden.
Laut Anklage waren die beiden Asylbewerber aus Eritrea am 12. Januar im Hinterhof einer Plattenbausiedlung im Stadtteil Leubnitz-Neuostra, wo sie wohnten, in Streit geraten. Mit einem Küchenmesser mit 15-Zentimeter-Klinge habe Hassan S. mindestens vier Mal auf Khaled eingestochen, „um die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden“ - und dabei dessen Tod billigend in Kauf genommen. Der 20-Jährige, der als Vierjähriger mit seiner Mutter in den Sudan geflüchtet und im September 2013 als Asylbewerber nach Dresden gekommen war, verblutete und erstickte zugleich. Khaled sei ein Freund gewesen, den er aus München kannte, gab S. im Gericht an.
Kritik an Qualität des Dolmetschers
Die Verteidigung fordert, dass Angaben aus der ersten Vernehmung nicht verwertet werden dürften - wegen eines angeblich nicht ausreichend qualifizierten Dolmetschers. „Der Angeklagte ist zutiefst bestürzt und bedauert den Tod von Khaled, für den er bis heute keine Erklärung hat.“
Der 27-Jährige ist wegen Totschlags angeklagt. Nach einer kurzen Prüfung der Fakten entschließt sich das Gericht, den Prozess mit einer geänderten Reihung der Zeugen fortzuführen. Als erste Zeugin berichtete eine Polizistin über den Fund des Toten am Morgen des 13. Januar auf der Grünfläche vor einer Plattenbausiedlung in Dresden. Auf den ersten Blick hätte es so ausgesehen, als sei der junge Afrikaner aus einem Fenster gestürzt oder gesprungen. Die Ermittlungen hätten dann ergeben, dass der Tote in einer Wohngemeinschaft im Nachbarhaus lebte.
Als nächster Zeuge sagt der Notarzt aus, der den Totenschein ausgestellte hat. Er konnte damals zwar eine schwere Schulterverletzung bei dem Toten diagnostizieren, doch sei diese nicht die Ursache für den Tod gewesen, so der Mediziner. Weil die Leichenstarre bereits eingesetzt hatte und dadurch am Fundort keine Fremdeinwirkung festgestellt werden konnte, sei der Leichnam gleich in die Gerichtsmedizin zur Obduktion gebracht worden. Allerdings sei man zu Beginn von einer Unterkühlung oder inneren Blutungen als Folge eines Sturzes als Todesursache ausgegangen. Erst in der Gerichtsmedizin fanden die Pathologen die tödlichen Wunden.
Nach der Pause folgt die Spannung erwartete Aussage eines Beamten der Mordkommission. Dessen Vernehmungsprotokolle hatte die Verteidigung zu Prozessbeginn stark kritisiert und für unbrauchbar erklärt. Nach Ansicht der Anwälte von Hassan S. sei der Verhaftete auf seiner Fahrt zum Revier sprachlich unzureichend über seine Rechte belehrt worden, weil der im Polizeiwagen anwesende Dolmetscher nicht optimal übersetzt hätte.
Polizist widerspricht Vorwürfen der Verteidigung
Dem Vorwurf widerspricht der Kriminalhauptmeister vehement: Sowohl während der Festnahme in der Wohnung wie auf der anschließenden Fahrt zum Präsidium sei der Verdächtige über seine Rechte aufgeklärt worden, sagt der 46-Jährige. Und vor der regulären Vernehmung sei es dann zu einer dritten Belehrung gekommen. Ein weiterer Vorwurf der Verteidigung lautete, dass der Polizist den verhafteten Hassan S. vor und während der Autofahrt verbal dazu gedrängt hätte, die Tat zu gestehen.
Auch diese Darstellung verneint der Polizist: Bei der Festnahme hätten dem Verdächtigen die Schweißperlen auf der Stirn gestanden und er habe Hassan S. gefragt, ob er es gewesen sei. Der Verdächtige hätte die Frage mit einem Nicken beantwortet und erwidert, dass er sich später auf der Wache äußern wolle. Während der Fahrt dorthin sei dann so gut wie gar nicht geredet worden, auch nicht über das Messer. Die Anwälte von Hassan S. nehmen die Aussage zur Kenntnis und monieren, dass diese Details in keinem Protokoll notiert seien.
Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt, für den das Schwurgericht insgesamt fünf Verhandlungstage angesetzt hat und für den Freitag sind eine an der Festnahme beteiligte Polizistin geladen sowie der aus Kassel anreisende Dolmetscher. Verteidiger Andreas Boine hatte zu Prozessbeginn kritisiert, dass der Übersetzer bei Hassan S. erster Vernehmung dessen Muttersprache Tigrinya nicht ausreichend beherrscht habe.
Insgesamt sollen zwölf Zeugen bei der Aufklärung der Straftat helfen. Khaleds Mutter tritt dabei als Nebenklägerin auf.