Merken

Angela Merkel verliert ihren besten Mann

Als Ulrich Wilhelm sein Amt als Regierungssprecher der Großen Koalition antrat, wurde gemutmaßt, der freundliche Münchner werde eher ein Vorleser von Sprechzetteln als die Stimme der Kanzlerin. Nun, viereinhalb...

Teilen
Folgen

Von Sven Siebert, Berlin

Als Ulrich Wilhelm sein Amt als Regierungssprecher der Großen Koalition antrat, wurde gemutmaßt, der freundliche Münchner werde eher ein Vorleser von Sprechzetteln als die Stimme der Kanzlerin. Nun, viereinhalb Jahre später, wird darüber diskutiert, ob Angela Merkel die Lücke schließen kann, die der 48-Jährige mit seinem baldigen Weggang reißt. Wilhelm, inzwischen einer der engsten Berater der Regierungschefin, wurde gestern zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt.

Wilhelm ist ein Phänomen. Der gelernte Jurist und Journalist erfreut sich unter den Korrespondenten großer Sympathie. Der Staatssekretär weiß, was die Kanzlerin sagt oder denkt, er gibt bereitwillig Auskunft, ruft zurück, bescheißt nicht, sondern sagt doch lieber nichts, als Unwahrheiten zu verbreiten. Auch wer sich die Zähne an ihm ausgebissen hat, ist ihm nicht böse.

Denn Wilhelm ist von legendärer Freundlichkeit – selbst wenn er todmüde ist. Und das ist der Regierungssprecher oft. Er begleitet die Kanzlerin auf fast jede Auslandsreise, auf jedes Gipfeltreffen und in jede nächtliche Verhandlungsrunde. Er weiß, was in den Zeitungen steht, wenn am frühen Morgen im Kanzleramt die engste Runde zur ersten Lagebesprechung zusammentritt. Wenn Merkel irgendwo eine Rede hält, sitzt Wilhelm im Publikum und nutzt die Zeit, Interviews zu autorisieren. Im Normalfall, so hat er selbst berichtet, hat sein Arbeitstag 16 bis 18 Stunden.

Mitarbeiter fürchten angesichts des Arbeitspensums schon länger um die Gesundheit des auch als Chef beliebten Leiters des Bundespresseamtes. Eine komplette zweite Legislaturperiode wäre das nicht durchzuhalten, heißt es.

Das muss Wilhelm nun auch nicht mehr. Am 1. Februar tritt er die Nachfolge des BR-Intendanten Thomas Gruber an. Er wird damit Chef einer der größten und wohlhabendsten Rundfunkanstalten. Sein künftiges Gehalt, so heißt es, übersteige das seiner jetzigen Chefin deutlich – und die bekommt rund 250000 Euro im Jahr.

Wilhelm wird voraussichtlich Ende Juli aus dem Amt scheiden – Nachfolger unbekannt. Er kehrt dann nach München zurück, wo er Frau und zwei Kinder zurückgelassen hatte. Vor seiner Berliner Zeit diente Wilhelm dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber als Regierungssprecher und Staatssekretär. Im Wahlkampf 2002 fiel er Merkel auf. Wilhelm ist CSU-Mitglied und Sohn eines langjährigen bayerischen Landtagsabgeordneten.

Einwände gegen seine Kandidatur gab es, weil viele darin einen Verstoß gegen das Gebot des Staatsferne des Rundfunks sehen. Wilhelm sagt, er wolle mindestens sechs Monate Abstand zwischen seinem politischen und seinem öffentlich-rechtlichen Amt schaffen. Aber auch Vertreter der anderen Parteien sprachen nur aus Prinzip gegen Wilhelms Kandidatur – nie gegen seine Person.