Von Thomas Riemer
Großenhain. Wenn man einen Fitz drin hat, macht es keinen Spaß.“ Ungeduldig verfolgt Pia Lüdemann, wie Papa Jens Angelhaken und Pose quasi von hinten aufrollt und die „Perücke“ langsam entfernt. Dabei ist die Zehnjährige normalerweise alles andere als ungeduldig. Denn beim Angeln ist sie es gewohnt, manchmal stundenlang darauf zu warten, dass es an der Strippe „zuckt“.
Am Ufer der Flutrinne nahe der Martin-Scheumann-Straße in Großenhain herrscht an diesem Samstagnachmittag Trubel. Der Anglerverein „Röderaue“ Großenhain e.V. hat zum Schnupperangeln eingeladen. Rund 30 Kinder sind gekommen, viele mit ihren Eltern und blutige Anfänger. Jens Lüdemann, Jugendwart des Vereins, freut sich. „Wir sind richtig glücklich über diese Resonanz“, sagt er. Denn: hier finden die Kinder Ablenkung vom Alltag, kommen mal weg vom Computer, sind in der Natur. Die nötige Ausrüstung für Anfänger stellt der Verein zur Verfügung. Die Kinder werden zu Anfang über das Angel-Einmaleins belehrt – und schon kann es losgehen. „Das ist natürlich noch nicht der aktive Sport, aber die Kinder finden dabei Ruhe und Entspannung“, sagt Jens Lüdemann. Das Ergebnis verblüfft. „Die Kinder sind wie ,runtergefahren‘. Selbst die Eltern sind oft überrascht, wie lange ihre Sprösslinge geduldig still sitzen können.“ Selbst die zwischenzeitliche Einladung zu einer stärkenden heißen Bockwurst kann die Kleinen kaum vom Fluss weglocken.
Wolfgang Thieme ist derweil zwischen den ausharrenden Grüppchen der Petrijünger mit der Strichliste unterwegs. Jeder Fang wird akribisch registriert. Bleie, Rotfedern, Döbel, Kaulbarsch, Karpfen – das sind jene Fische, die in diesem Bereich der Flutrinne am häufigsten an den Haken gehen. „In der Flutrinne ging Angeln eigentlich immer ganz gut“, sagt Thieme, der seit 1965 selbst aktiver Angler ist und sich nach der Wende dem Verein Röderaue anschloss. Der ging aus mehreren Sport- und Betriebsgruppen hervor in einer Zeit, da niemand so recht wusste, wie es weitergeht. Angelgewässer brachen aus unterschiedlichen Gründen weg, ebenso die Betriebe, in denen die Angler organisiert waren. Heute gibt es in Großenhain zwei Vereine, die sich um die Natur und um Anglernachwuchs kümmern. Rund 200 Mitglieder hat allein der Anglerverein Röderaue. „Und der Anteil junger Leute nimmt wieder zu“, sagt Wolfgang Thieme.
Franz Opitz wirft derweil seine Angel immer wieder neu aus. Seit zwei Jahren gehört der 12-Jährige zum Verein. Aber warum angeln – und nicht Fußball? „Ich mag es, draußen zu sein, habe zu Hause selbst Fische“, sagt Franz. So etwa fünf Mal im Monat frönt er seinem Hobby, ist dann mit einem sogenannten Angelpaten – Vereinschef Thomas Kühn – unterwegs. Sein größter Fang bislang war immerhin ein 80 Zentimeter großer Hecht in den Torflöchern bei Krauschütz. Beim Schnupperangeln am Sonnabend ist sein Ertrag mäßig. „Vor und nach Regen beißen sie am besten“, sucht Franz angesichts der unbarmherzig brennenden Sonne nach einem möglichen Grund. Für ihn wie auch die anderen jungen Angler hat der „alte Hase“ Wolfgang Thieme aufmunternde Worte parat. „Angeln ist nicht nur Glückssache. Das Angeln erlernt man nur durch Angeln.“ Immerhin: Nach vier Stunden Schnupperangeln hat Thieme fast 60 Erfolge und acht Fischsorten auf seiner Liste notiert. Und wer nichts an den Haken bekommen hat, schiebt keineswegs Frust. „Da war man halt mal an der frischen Luft“, sagt Franz Opitz und lacht.
Jugendwart Jens Lüdemann ist zufrieden. Die nächsten beiden Termine fürs Schnupperangeln stehen bereits fest. Im Juni trifft man sich wieder an der Flutrinne, im September nahe Nasseböhla. Wolfgang Thieme ergänzt mit einem Blick auf die geduldigen Kinder am Ufer: „Wenn die alle wiederkommen, dann ist doch der Zweck erfüllt.“
Infos auch unter www.anglerverein-röderaue.de