Von Juliane Richter
Der Schrecken sitzt noch immer tief. Wenn Jwan und Saad jetzt das Asylbewerberheim im Lindenhof Stetzsch verlassen, begleitet sie mittlerweile ein mulmiges Gefühl. Denn am Freitagabend wurden beide Männer unerwartet angegriffen, als sie mit zwei Fahrrädern auf dem Weg zur Elbe waren. „Manchmal schauen wir da den Schiffen zu“, erzählt der 24-jährige Jwan aus Syrien.

Er und Saad sind gerade einige Hundert Meter geradelt und fahren auf dem Fußweg der Flensburger Straße, als ihnen ein weißer Transporter entgegenkommt. Sie schenken ihm keine große Beachtung und werden deshalb total überrumpelt, als ihnen im Vorbeifahren eine brennende Flüssigkeit ins Gesicht gesprüht wird. Beide glauben, dass es Pfefferspray ist. Die jungen Männer stürzen zu Boden und können kaum mehr etwas sehen. Deshalb registrieren sie auch nur noch, dass der Transporter weiterfährt. Wie viele Personen darin gesessen haben und wie der Fahrer aussieht, wissen sie nicht. Der 32-jährige Saad aus dem Irak schüttelt am Tag danach nur betrübt den Kopf und glaubt zumindest erkannt zu haben, dass es ein Mercedes-Sprinter war. Beide werden von einem Notarzt ambulant behandelt. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Körperverletzung. Jwan findet deutliche Worte zu der Tat. „Ich bin aus Syrien geflohen, weil ich nicht mehr auf die Straße gehen konnte. Ich hätte jederzeit getötet werden können. Aber hier kann ich ja nun auch nicht mehr auf die Straße gehen“, sagt er.
Schon bevor er nach Dresden kam, habe er von den Problemen gehört, die die Menschen hier mit Flüchtlingen haben. Wenn er in der Stadt unterwegs ist, werde er auch mal skeptisch gemustert. Er versuche dann, den Menschen aus dem Weg zu gehen. Den ersten Schritt zur Kontaktaufnahme traue er sich nicht. „Vielleicht werde ich dann geschlagen.“
Aus dem Polizeibericht vom 27. September
Mehrmals wiederholt er, dass viele Syrer keine andere Wahl als die Flucht aus dem eigenen Land haben. Dort müssten sie ein wunderbares Leben zurücklassen mit eigenen Häusern, manchmal die Familie, Freunde. „Ich selbst habe sechs Jahre studiert.“ Wie es nun für ihn weitergeht, weiß er nicht. In Dresden fühlt er sich nach dem Angriff nicht mehr wohl, am liebsten würde er in eine andere deutsche Großstadt ziehen. Und irgendwann, wenn wieder Frieden herrscht, will er zurück nach Syrien. Auch Saad, mit dem er ein Sechs-Mann-Zimmer in dem ehemaligen Hotel bewohnt, hat mit Dresden abgeschlossen. Er würde gern nach Leipzig gehen, wo er zwischenzeitlich untergebracht war.
Besonders schockiert von der Tat ist auch Heimleiter Daniel Molitor. Bisher leben 40 männliche Flüchtlinge in seiner Unterkunft. „Diese Tat kann uns nicht einschüchtern. Das war nur ein feiger Angriff. Unsere Tür steht trotzdem immer offen“, sagt der 32-Jährige. Wie am Sonnabend, dem Tag nach der Tat, als einige Anwohner zum Begegnungscafé kommen und sich mit den Asylbewerbern bei Kaffee und Plätzchen zusammensetzen. Der Umgang ist freundlich, fast herzlich. Daniel Molitor wünscht sich mehr Besucher, die ihre Vorbehalte überwinden oder gar im Gespräch mit den Flüchtlingen abbauen.
Zunächst hofft er aber auch, dass der oder die Angreifer gefasst werden, und appelliert besonders an die Nachbarn der ruhiggelegenen Flensburger Straße. Wer den Vorfall gesehen hat und Hinweise zu den Tätern geben kann, soll sich bitte bei der Polizei melden.