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Angriff mit Molotowcocktails

Unbekannte haben in der Nacht zu Dienstag Brandsätze auf das Gelände des Bautzener Spreehotel geworfen.

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© Robert Michalk

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Fassungslos blickt Peter-Kilian Rausch hinab auf die schwarzen Flecken auf den Gehwegsteinen. Der Chef des als Asylheims genutzten Spreehotels könnte jetzt einfach von Glück reden, dass nicht mehr passiert ist. Tut er aber nicht. Peter-Kilian Rausch genehmigt sich stattdessen einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Nur wenige Meter vor den Scheiben seiner im Hotel befindlichen Wohnung waren in der Nacht zu Dienstag mehrere Molotowcocktails geschleudert worden. Der Anschlag endet glimpflich. Niemand wurde verletzt.

Als sich in der Nacht zum Dienstag offenbar drei Gestalten dem Gebäude nähern, schläft Peter-Kilian Rausch schon tief und fest. Sein Schlafzimmer geht zur anderen Seite des Hotels hinaus. Das Treiben der Angreifer bleibt dennoch nicht unbeobachtet. Eine Kamera filmt alles mit. Wie das Trio gegen 23 Uhr zunächst am Zaun mit Flaschen herumhantiert, sie entzündet und schließlich herüberwirft. Obwohl die Fassade keine 20 Meter vom Zaun entfernt ist, gehen die Molotowcocktails noch davor zu Boden. Nur eines der Geschosses brannte ab, richtete aber keinen Schaden an. Ein weiteres zündete, erlosch aber rasch wieder. Die zwei anderen Flaschen gingen erst gar nicht zu Bruch. Und: eine fünfte Flasche blieb unbenutzt vorm Zaun zurück.

Drei Gestalten auf Video

Was sich in der Nacht abgespielt hat, entdecken Peter-Kilian Rausch und seine Mitarbeiter trotz der Videoaufnahmen allerdings tatsächlich erst in den Morgenstunden. „Die Sicherheitsleute sitzen nicht ständig vor den Monitoren. Sie kümmern sich auch nachts um die Anliegen der Bewohner“, sagt der Hotelchef. Und: Auf den Aufnahmen sind zwar gut die drei Gestalten und ihr Tun am Zaun zu erkennen. Doch die Flasche, die zündet und abbrennt, habe genau neben einem Scheinwerfer gelegen. In dessen Licht seien die Flammen über die Linse der Kamera nicht so gut zu sehen gewesen, sagt Peter-Kilian Rausch.

Die Polizei rückt am Morgen mit rund einem Dutzend Beamter an. Den Angaben zufolge hatte das Operative Abwehrzentrum (OAZ) die Ermittlungen übernommen. Eine Spezialeinheit, die auch den Brandanschlag am Husarenhof untersucht. Kriminaltechniker sichern am Spreehotel Spuren, stellen unter anderem die unbeschädigte Glasflasche am Zaun sicher. Mit einem Fährtenspürhund grasen die Polizisten die Umgebung ab. Das Tier kann der Spur der Täter bis zu einem Parkplatz an der nahe gelegenen Bundesstraße folgen.

Zugleich werden die Bewohner des Heimes befragt. „Die meisten haben auch schon geschlafen, von alledem offenbar nichts mitbekommen“, erklärt Peter-Kilian Rausch. Entsprechend ruhig und unaufgeregt ist am Vormittag auch die Stimmung in der Einrichtung. Gegenwärtig leben in dem Hotel rund 230 Geflüchtete.

Wem galt der Anschlag?

Zu den möglichen Hintergründen des Brandanschlags hat sich die Polizei nicht geäußert. Dass die Molotow-Cocktails ausgerechnet vor den Fenstern seiner Wohnung landeten, beschäftigt den Hotelchef durchaus. „Das mag reiner Zufall sein, zumal es am einfachsten ist, sich von hinten ans Hotel heranzuschleichen“, sagt Peter-Kilian Rausch. Trotzdem fragt er sich jetzt, ob die Brandsätze ihm galten.

Seit Peter-Kilian Rausch vor zweieinhalb Jahren das Vier-Sterne-Hotel als Asylunterkunft zur Verfügung gestellt hatte, muss er in der Stadt regelmäßig mit Anfeindungen leben. „Mir wird der Stinkefinger gezeigt, ich werde angepöbelt“, erklärt Peter-Kilian Rausch. Vielleicht, so sagt er beim Anblick der schwarzen Flecken, sei es ein Signal gewesen, „dass man mich hier oben noch nicht vergessen hat.“

Zeugen gesucht

In jedem Fall will Peter-Kilian Rausch bei der Sicherheit aufrüsten. „Die Scheiben haben bereits eine Spezialfolie und gehen nicht so einfach kaputt“, erklärt der Hotelchef. Jetzt werde er mit Experten über weitere Maßnahmen beraten. Die Polizei setzt derweil bei den Ermittlungen auch auf Zeugen. Wer Hinweise zu Personen oder Fahrzeugen, die um die Tatzeit herum in der Nähe des Asylheims gesichtet wurden, geben kann, wird gebeten, sich zu melden.

Doch es ist eben auch nicht nur der jüngste Vorfall, der Peter-Kilian Rausch fassungslos und ratlos zurücklässt. Auch mit Blick auf den Brandanschlag auf den Husarenhof und die Krawalle am Kornmarkt fragt er sich längst: „Wo steckt denn eigentlich die Bautzener Mitte? Gibt es die nicht mehr? Es hilft nicht, immer nur auf die Berichterstattung in den Medien zu schimpfen.“ Peter-Kilian Rauch wünscht sich inzwischen nur noch eins: Dass das alles in Bautzen irgendwann vorbei ist.

Zeugenhinweise: Telefon 03581 468100