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Angriffe auf Flüchtlinge in Bautzen

Nach den Attacken fordert der Oberbürgermeister Konsequenzen. Doch auch an seinem Verhalten gibt es Kritik.

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© xcitepress

Von Ulli Schönbach & Madeleine Arndt

Wieder Bautzen, wieder der Kornmarkt. Sechs Wochen nach den gewalttätigen Ausschreitungen auf der „Platte“ steht die Stadt erneut im Fokus. In drei Fällen wurden am Dienstag Flüchtlinge bedroht oder attackiert. Wie die Polizeidirektion Görlitz mitteilt, warfen Angreifer unter anderem Steine auf Asylbewerber. Bei einem vierten Vorfall ging die Gewalt von einem 20-Jährigen aus Libyen aus. Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) verurteilte die Gewalt am Mittwoch scharf: „Hier sind offensichtlich rechte Gruppen der Meinung, für die Mehrheit der Bevölkerung zu handeln – das ist eindeutig nicht der Fall“, sagte er. Zugleich forderte er eine stärkere Reaktion aus der Mitte der Gesellschaft: „Wir haben in Bautzen ein paar Hundert Leute, die sich für Flüchtlinge einsetzen: Sie sind das Rückgrat unserer Zivilgesellschaft. Aber die schweigende Mehrheit muss sich positionieren.“

Bereits am Dienstagabend hatte Zeit-Online unter der Überschrift „Rechtsextreme machen wieder Hetzjagd auf Flüchtlinge“ über die Vorfälle berichtet. Ein Reporter sei zufällig vor Ort gewesen, so die Redaktion. Nach seinen Worten gingen am Holzmarkt „etwa 40 bis 50 Rechtsextreme“ auf zwei Flüchtlinge los.

Polizei bestätigt Vorfälle am Mittwochvormittag

Die Polizei dementierte dies zunächst. Laut dem Bericht von Zeit-Online sagte ein Polizeisprecher am Abend, „die Lage in Bautzen weise keine Besonderheiten auf“. Klarheit über die Vorfälle brachte erst ein umfangreicher Bericht am Mittwochvormittag. In dem zweiseitigen Schreiben weist die Polizei das Wort „Hetzjagd“ zwar zurück, sie bestätigt jedoch, dass Asylbewerber im Laufe des Abends mehrfach bedroht und angegriffen wurden.

Der größte Vorfall ereignete sich demnach am Holzmarkt. Dort kontrollierte die Polizei drei Asylbewerber. Einer von ihnen – ein 20-jähriger Libyer – soll einen Deutschen angegriffen haben. Der Libyer war betrunken und wurde in Gewahrsam genommen. Als seine Begleiter daraufhin fortgingen, liefen etwa 10 bis 15 Deutsche auf sie zu. Einige warfen Steine und trafen einen der Flüchtlinge am Bein. Nachdem die Polizei eingriff, rannten die Angreifer über verschiedene Hinterhöfe davon. Später stellte die Polizei vier Tatverdächtige im Alter von 19 bis 28 Jahren. Welche Rolle sie bei den Ereignissen spielten, wird ermittelt. Schon vor dem Angriff auf dem Holzmarkt hatte die Polizei Kräfte aus Bautzen und den Nachbarrevieren in der Innenstadt zusammengezogen. Einsatzschwerpunkt der 40 Beamten waren die Straßen rund um den Kornmarkt. Dort bedrohte am Abend eine Gruppe von acht Männern drei junge Flüchtlinge und zwei deutsche Frauen. Nach Zeugenaussagen handelte es sich bei den Männern um Angehörige der rechten Szene. Zwei von ihnen sollen mit einer Pistole oder einem ähnlichen Gegenstand auf die Asylbewerber gezielt haben. Die Polizei kontrollierte daraufhin Autos und Ausweise von verdächtigen Personen. Einen konkreten Hinweis auf die Gruppe gibt es aber noch nicht.

Schreckschusspistole gefunden

Ermittelt wird zudem gegen einen 29-jährigen Deutschen. Er soll gegen Mitternacht in der Steinstraße einen Asylbewerber mit einer Waffe bedroht haben. Die Polizei fand bei ihm eine Schreckschusspistole sowie geringe Mengen an Cannabis und Crystal. Der Mann war betrunken und stand unter Drogen.

In allen Fällen hat die Ermittlungsgruppe „Platte“ die Untersuchung übernommen. Diese wurde nach den Ausschreitungen auf dem Kornmarkt gebildet. Zudem ist die Polizei seither mit zusätzlichen Kräften vor Ort. Dies müsse auch künftig der Fall sein, forderte Bautzens Oberbürgermeister am Mittwoch: „Wir plädieren dafür, dass die Polizeipräsenz hoch bleibt.“

Ein Punkt, den auch die Fraktionschefs von CDU und SPD im Bautzener Stadtrat, Matthias Knaak und Roland Fleischer, unterstreichen. Zudem müssten sich noch mehr Bautzener gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren.

Deutliche Kritik an OB Ahrens kommt von Vertretern der Flüchtlingsinitiativen. Denn erst vor wenigen Tagen hatte sich dieser mit Vertretern rechter Gruppen getroffen. „Mit dem Gespräch haben Sie diesen Gruppen ohne Not ein Podium geboten und zur Enttabuisierung von extrem rechten Positionen beigetragen“, heißt es in einem offenen Brief. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von den Bautzener Stadträten Elisabeth Hauswald (CDU) und Claus Gruhl (Grüne).