Von Lars Kühl
Sie ist die höchste Auszeichnung, die Dresden vergeben kann: die Ehrenbürgerschaft. Die Liste ist lang, beginnt 1833 mit dem Geheimen Regierungsrat Johann Paul von Falkenstein und endet vorerst vor zehn Jahren, als Eberhard Burger für seine Verdienste um den Wiederaufbau der Frauenkirche derart gewürdigt wurde. 58 Künstler, Wissenschaftler, Politiker, Geheimräte, aber auch Prinzen und Bürgermeister stehen auf ihr, darunter Staatsminister Bernhard August von Lindenau, Kronprinz Albert, Reichskanzler Otto von Bismarck, Unternehmergenie Karl August Lingner, Reichspräsident Paul von Hindenburg, Komponist Richard Strauss, Dichter Martin Andersen Nexö, SED-Chef Otto Grotewohl, Opernsängerin Liesel Schuch-Ganzel, Wissenschaftler Manfred von Ardenne oder Denkmalschützer Hans Nadler.
Eigentlich war die Liste um drei Namen länger, doch die Ehrungen für die Nationalsozialisten Adolf Hitler, Reichsstatthalter Martin Mutschmann und Reichsinnenminister Wilhelm Frick wurden nach dem Zweiten Weltkrieg verständlicherweise wieder aufgehoben.
Bei Paul Alfred Stübel gibt es dafür überhaupt keinen Grund. 125 Jahre ist es her, dass er seine Ehrenbürgerschaft erhielt. Am 9. August 1891 war er die Nummer 28. Anlass war ein Dienstjubiläum. 25 Jahre war Stübel damals Ratsmitglied der Stadt (Dresdner Geschichtsbuch, Band 2). Neben dem Brief in Form einer silbernen Gedenktafel gab es noch ein Album obendrauf. Drinnen vieles, was Dresden Stübel mit zu verdanken hat: Bauwerke, gebannt auf Aquarellen. Damit wurden zwei Bereiche vereint, die der Stadtsohn so gut konnte: anpacken und Kunst fördern.
Paul Alfred Stübel war eine der Persönlichkeiten Dresdens, die die Stadt nachhaltig geprägt haben. 18 Jahre war er ihr Oberbürgermeister, der zweite überhaupt. Seine Begabung lag ihm offensichtlich im Blut. Schon sein Vater Carl Julius Stübel war unter anderem Stadtsenator und fast 45 Jahre Ratsmitglied. Auch er bekam die Ehrenbürgerschaft Dresdens: 1874.
Überhaupt hat die Familie Stübel in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Der Gastwirt Andreas Stübel war im 17. Jahrhundert von einem kleinen Ort aus Hessen nach Sachsen gezogen. Seine Nachfahren wurden in Dresden Gelehrte, Pfarrer, Lehrer und eben Beamte. Paul Alfred Stübel wurde am 3. April 1827 in einem Haus an der Frauenkirche geboren. Von 1839 bis 1841 besuchte er die Kreuzschule, bevor er auf die Fürstenschule St. Afra in Meißen ging. In Leipzig studierte er anschließend die Rechtswissenschaften. 1853 ließ er sich in Dresden als Advokat nieder. Drei Jahre später begann er schließlich im Stadtverordnetenkolloquium und leitete fortan den Finanzausschuss. 1866 wurde der Patrizierspross in den Stadtrat gewählt und mit der Führung des Bauamtes betraut.
Eine Aufgabe, die Stübel lag. Interessiert an technischen Innovationen, mit der Schaffenslust der Neuzeit, schlug er immer wieder Reformen vor. Das Pflaster und die Schleusen auf Dresdens Straßen waren damals so marode, dass Stübel eine völlige Neugestaltung des Tiefbauwesens durchsetzte. Auch der Bau eines ersten Wasserwerkes geht auf ihn zurück. Nach wie vor steht es an der Elbe: die Saloppe. Inzwischen werden in das markante Gebäude Luxuslofts eingebaut.
Stübel ließ zahlreiche, heute noch wichtige Straßen anlegen, wie die damalige Wettiner (heute Schweriner). Auch die Allee nördlich des Großen Gartens gehört dazu. Nach dem Tod Stübels am 9. März 1895 erhielt sie seinen Namen, den sie bis in die Gegenwart behalten hat. Andere Ehrungen, wie die Benennung eines Platzes, sind dagegen Geschichte. Wir kennen diesen heute als Straßburger Platz. Auch der beeindruckende Brunnen, den die Stadt dort 1901 errichten ließ, ist seit 1960 verschwunden, nachdem er im Zweiten Weltkrieg beschädigt worden war. Das Vermächtnis Stübels ist trotzdem groß.
Der angesehene Mann mit dem lebhaften Geist hatte sich so verdient gemacht, dass er im November 1877 mit 79 von 89 Stimmen Dresdens Oberbürgermeister wurde. Auch im Amt förderte er, neben der Einrichtung der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums, das Baugeschehen maßgeblich weiter. Das war nötig, denn die Stadt erlebte zwischen 1867 und 1890 eine wahre Bevölkerungsexplosion, als die Einwohnerzahl von 156 000 auf 276 000 stieg. Brücken, Schulen, Kirchen, öffentliche Gebäude, Krankenhäuser, Wasser- und Beleuchtungsanlagen gehen auf Stübel zurück, dazu viele Parks, unter anderem die erweiterte Bürgerwiese. Die Schönheit, immer auf der Höhe der Zeit, durfte bei ihm nie zu kurz kommen. Nicht umsonst wählte auch die Akademie der bildenden Künste Paul Alfred Stübel zum Ehrenmitglied.