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Online-Händler verlegt Sitz nach Leipzig

Der bayrische Internetkonzern Mercateo will sein Wachstum im Osten fortsetzen. Leipzigs Besonderheiten spielen dabei eine wichtige Rolle.

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So könnte der neue Hauptsitz von Mercateo in Leipzig aussehen.
So könnte der neue Hauptsitz von Mercateo in Leipzig aussehen. © OFB Projektentwicklung GmbH

Von Sven Heitkamp

Es ist ein seltenes Ereignis in der neueren deutschen Wirtschaftsgeschichte: Das bayrische Internet-Unternehmen Mercateo verlegt seinen Hauptsitz vom Westen in den Osten – und eröffnet seine Konzernzentrale in Leipzig. Und das nicht nur mit einem kleinen Vorstandsstab, sondern im großen Stil: Mehr als 500 Beschäftigte sollen künftig in Leipzig arbeiten, um die Internetplattform für Geschäftskunden weiter voranzutreiben, kündigte Vorstand Peter Ledermann am Mittwoch in Leipzig an. Mercateo gilt als mittlerweile größter Online-Marktplatz für Geschäftskunden in Europa und betreibt zudem die Vernetzungsplattform www.unite.eu.

Das knapp 20 Jahre alte, familiengeführte Unternehmen wurde diesen Herbst sowohl als einer der „50 Macher des Ostens“ als auch als „Digitaler Pionier im Mittelstand“ gekürt.

Schon jetzt hat Mercateo 220 Mitarbeiter auf mehreren Büroetagen in der Leipziger City verteilt sowie in einer alten Kaffeerösterei in der Innenstadt von Köthen angesiedelt. Mit dem Umzug nach Leipzig ist zugleich ein großer Wachstumsschub geplant: Am Johannisplatz am Rande des Innenstadtrings soll auf einer Brachfläche ein Unternehmenssitz aus dem Boden gestampft werden: Sechs Etagen hoch, zwei Etagen tief und 44 Millionen Euro teuer. Die ersten Entwürfe für die energetisch optimierte Firmenzentrale zeigen einen modernen Neubau für bis zu 600 Mitarbeiter, der zugleich an die historischen Messehäuser erinnert, sagt René Strauß von der OFB-Projektentwicklungs-GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Landesbank Hessen-Thüringen, die seit Jahrzehnten Großimmobilien entwickelt.

285 Millionen Euro Umsatz

Zu den Bedingungen bei der Vergabe des Grundstücks habe es gehört, mindestens 250 neue Arbeitsplätze zu schaffen, betonte Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU). Voraussichtlich im Februar soll der Stadtrat für den Deal in Erbbaurecht grünes Licht geben, bis 2022 dann der Neubau entstehen. Damit könnte die Gruppe auf mindestens 850 Mitarbeiter wachsen.

Fördermittel bekomme das Unternehmen jedoch nicht. „Wir sind profitabel und finanzieren uns selbst“, betonte Gründer und Mit-Inhaber Ledermann.

Mercateo, im Jahr 2000 in München gegründet, verzeichnet jährliche Wachstumsraten von zehn bis 20 Prozent und schrieb zuletzt 285 Millionen Euro Umsatz. Das Unternehmen sei in Leipzig 2012 mit drei Leuten gestartet und immer weiter gewachsen. Inzwischen würden die wichtigen Unternehmensentscheidungen ohnehin in Leipzig getroffen. Daher sei es „nur konsequent“, auch den Sitz in „eine der spannendsten Städte Europas“ zu verlegen, statt die gleiche Bandbreite an Arbeitsplätzen erst in München aufzubauen, so Ledermann. Hinzu kommt: „Wir finden hier Leute.“ Und auch die Infrastrukturkosten seien deutlich günstiger, so der 53-jährige Betriebswirt aus Franken, der früher beim Energiekonzern Eon tätig war. Zudem habe Leipzig mit seiner Handelsgeschichte und seinem Bürgertum die richtige DNA für ein Unternehmen wie Mercateo, das wie ein großes Kaufhaus für Firmen funktioniert.

580 Mitarbeiter

Auf der Beschaffungsplattform finden Geschäftskunden fast 25 Millionen Artikel vom Anschlusskabel bis zur Zündkerzenbürste – egal, ob für Bürobedarf oder Bau, Medizin, Gastronomie oder Landwirtschaft. Über die Plattform können selbst kleine Anbieter einer Spezialschraube mit großen Automobilzulieferern zusammenkommen. Mercateo übernimmt für die Einkäufer und Lieferanten, Hersteller und Dienstleister die Geschäftsabwicklung und Rechnungslegung auch über europäische Grenzen hinweg. Momentan verzeichnet Mercateo nach eigenen Angaben mehr als 6.000 Bestellungen von 1,5 Millionen Geschäftskunden bei mehr als 16.400 Herstellern am Tag, jeden Monat kämen mindestens 3.500 neue Kunden hinzu, heißt es.

Zu den heute schon 580 Mercato-Mitarbeitern gehören Software-Entwickler und Spezialisten für Künstliche Intelligenz, Lieferantenmanager, Vertriebsexperten, Marketingleute und Kundenbetreuer. Drei Viertel der Beschäftigten seien Akademiker, zudem bilde das Unternehmen selbst aus, wie im neuen Berufsfeld E-Commerce-Kaufleute.

Die Standorte in München und Köthen sollen trotz des Aufbaus in Leipzig nicht abgebaut werden. Neben Deutschland ist die Unternehmensgruppe in zehn weiteren europäischen Metropolen präsent, wie zum Beispiel in Wien, Paris, Prag, Krakau und Budapest. Man unterhalte aber keine Lager und keine Logistik wie Amazon.

„Mercateo ist eine Chance für Mittelständler, auf den Weltmarkt zu kommen“, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Für die Stadt sei die Ansiedlung eine „wunderbare, großartige Botschaft“ und ein „Sechser im Lotto“, um den Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln. Schon jetzt zähle Leipzig fast 14.000 Jobs in der IT-Wirtschaft. Die Branche hat erheblichen Anteil am Wachstum der Metropole. Die Region verzeichnet lediglich noch eine Arbeitslosenquote von knapp unter sechs Prozent – Tendenz weiter sinkend.

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