Dresden
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Antidepressiva für Brexit-Geschädigte?

Aus dem Gerichtssaal: Ein Lkw-Fahrer sollte Tausende Beruhigungspillen nach London bringen. Doch er kam nur bis Berggießhübel.

Von Alexander Schneider
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Amtsgericht Dresden
Amtsgericht Dresden © Marion Doering

Hängt es mit dem Brexit zusammen, dass der Bedarf an Psychopharmaka in Großbritannien möglicherweise sprunghaft angestiegen ist? Zumindest wäre das jahrelange Rein-oder-raus-aus-der-EU-Gezerre eine Erklärung einer notwendigen medikamentösen Stimulanz depressiver Seelen. Im August 2018 jedenfalls wurde Brummifahrer Nenad J., ein 50-jähriger Serbokroate, in Belgrad von einem befreundeten Kollegen gebeten, auf seiner Tour nach England ein Paket Antidepressiva mitzunehmen. Natürlich wusste J., dass die Sache heiß war. Es waren gebündelte Blister mit 60.000 Tabletten der Angstlöser Ksalol und Bensedin.

Am 25. August wurde J. bei der Einreise aus Tschechien an der Autobahn 17 bei Berggießhübel, Parkplatz Heideholz, vom Zoll kontrolliert – und die Beamten entdeckten die Tabletten in der Schlafkabine des MAN-Lasters. Die Blister füllten zwei Müllsäcke und die Zöllner hatten lange zu zählen. Nach der Befragung durfte J. seine Fahrt auf die Insel fortsetzen. Möglicherweise rechnete er mit einem Bußgeld oder Ähnlichem. Doch als er ein halbes Jahr später, am 12. Februar, wieder einmal die deutsche Grenze überquerte, wurde er sofort verhaftet. Am Mittwoch stand er wegen illegaler Einfuhr von Betäubungsmitteln vor dem Amtsgericht Dresden. Mindeststrafe bei einer „nicht geringen Menge“ Drogen: zwei Jahre Haft. Der Grenzwert der Wirkstoffe Diazepam (früher: Valium) und Alprazolam war jeweils um mehr als das 100-fache überschritten.

J. hatte schon in seiner Polizeivernehmung im Februar umfassende Angaben gemacht. Ein befreundeter Kollege namens Zoran M. habe ihm 100 Euro gezahlt, wenn er die Pillen nach London mitnimmt. Nach dem gescheiterten Trip sei er zu Hause von M. bedroht worden, weil der sich hintergangen gefühlt habe. J.s Motiv leuchtet ein: Er hat eine Frau, zwei Söhne und verdiene nur 800 Euro monatlich, sagte er.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten zur Mindeststrafe von zwei Jahren Haft, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.