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Anzeige wegen Pfefferspray

Eine Kamenzerin wird in der Nacht von der Polizei kontrolliert. Weil sie Pfefferspray bei sich hat, bekommt sie Ärger. Leser fragen, warum.

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© dpa

Von Frank Oehl

Kamenz. Mitten in der Nacht zu Pfingstsonntag war eine 32-jährige Kamenzerin mit der Ordnungsmacht kollidiert. Darüber informierte am 22. Mai der Polizeibericht in der SZ. Die Dame habe auf der Macherstraße Pfefferspray bei sich geführt, welches nicht eindeutig als Tierabwehrspray gekennzeichnet war, hieß es. Die Dose sei sichergestellt und Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz erstattet worden.

Starker Tobak, meinten mehrere Leser der SZ. Zum Beispiel Matthias Zickler aus Kamenz. „Tut es wirklich not, dem womöglich einfach nur ängstlichen Menschen derart zuzusetzen? Wie soll sich denn eine Frau verteidigen, wenn sie angegangen wird?“

Die SZ ist den Fragen nachgegangen. Die Antworten der Polizeidirektion Görlitz und des Landratsamtes Bautzen deuten auf eine gewisse Komplexität hin:

Was gibt der Gesetzgeber beim Waffenbesitz generell vor?
Das Waffengesetz und auch das Kriegswaffenkontrollgesetz sind eine selbst für Fachleute nicht leicht zu durchdringende Materie. Beide Gesetze regeln nicht nur den Waffenbesitz, sondern auch den Umgang mit erlaubnispflichtigen oder verbotenen Gegenständen anderer Art. Verstöße können eine Ordnungswidrigkeit oder auch eine Straftat darstellen. PD-Sprecher Thomas Knaup: „Das hängt von den Ermittlungen im konkreten Einzelfall ab.“

Wie wird der konkrete Einzelfall mit der Frau in der Pfingstnacht bewertet?
Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. „Natürlich können auch Frauen kriminell sein“, so Knaup. Im vorliegenden Fall sei die betroffene 32-jährige aus Kamenz den Beamten bereits „wegen verschiedener Straftaten hinlänglich bekannt“ gewesen. Aus Datenschutzgründen wolle man aber nicht weiter in die Tiefe gehen. „Fakt ist, die Kontrolle der Frau erfolgte jedenfalls nicht grundlos.“

Wonach werden die Pfeffersprays unterschieden? An der Wirkung?
Vor allem an der Frage der Verwendung. „Pfefferspraygeräte fallen nicht unter das Waffengesetz, wenn sich aus der Beschreibung des Gerätes zweifelsfrei ergibt, dass sie ausschließlich zur Tierabwehr eingesetzt werden dürfen.“ Solche Geräte können erworben, besessen und mitgeführt werden. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit, die Reichweite und die Sprühdauerbegrenzung werden im amtlichen Prüfzeichen ausgewiesen. „Fehlt es, ist davon auszugehen, dass das Spray einen verbotenen Gegenstand im Sinne des Waffenrechtes darstellt.“ Es dürfe zwar gekauft, aber nicht auf der Straße mitgeführt werden. Das geht nur mit kleinem Waffenschein.

Wofür ist der Besitz eines kleinen Waffenscheines überhaupt nötig?

Schon zum Mitführen von Schreckschuss-, Reizstoff und Signalwaffen (SRS-Waffen) in der Öffentlichkeit – also außerhalb des „befriedeten Besitztums“ oder von Schießstätten. Zuständig sind die Landratsämter. Kreissprecher Gernot Schweitzer in Bautzen: „Der Waffenscheinbesitz berechtigt dabei wirklich nur zum Mitführen dieser Waffen in der Öffentlichkeit – außer bei öffentlichen Veranstaltungen.“ Geschossen werden dürfe damit deshalb aber noch lange nicht. „Dafür muss extra eine Schießerlaubnis beantragt und durch die Waffenbehörde ausgestellt werden.“ Für den kleinen Waffenschein müsse man 18 Jahre alt sein und die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit nachweisen. „Dabei wird jeder Antrag gleich bewertet.“

Werden Verstöße beim kleinen Waffenschein öfter festgestellt?
Hier teilen sich Polizei und Landratsämter in die statistische Erfassung. Je nachdem, ob wegen einer Straftat oder nur wegen einer Ordnungswidrigkeit in der Sache ermittelt wird. Die Grenze zwischen beidem ist dabei diffus. Da bereits das Mitführen einer Waffe, für die kein kleiner Waffenschein vorgezeigt werden kann, auch als Straftat gewertet werden kann, sind reine Ordnungswidrigkeiten statistisch offenbar kaum relevant. Schweitzer: „In diesem Jahr wurde im Kreis Bautzen bislang kein Verstoß beim kleinen Waffenschein festgestellt.“ Immerhin könnten aber auch Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Eines aber ist nachweisbar: Der Besitz eines kleinen Waffenscheins zuletzt hat Jahr für Jahr auch im Kreis Bautzen deutlich zugenommen. Von etwas mehr als 500 im Jahr 2012 auf mehr als 1500 im vergangenen Jahr.

Und wie stellt sich die Lage bei den Straftaten gegen das Waffengesetz dar?
2015 wurden in den Landkreisen Bautzen und Görlitz insgesamt 294 Verstöße gegen das Waffengesetz erfasst – etwa jeder zweite Fall im Landkreis Bautzen, 31 der Fälle im Revierbereich Kamenz. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt im PD-Bereich 338 Verstöße gezählt – etwa ein Drittel im Landkreis Bautzen und 23 der Fälle im Revierbereich Kamenz. Das weist auf eine gewisse Schwerpunktverlagerung von der Schwarzen Elster und Spree in Richtung Neiße hin. Wobei Polizeisprecher Knaup klarstellt, dass die Mehrzahl der Verstöße bei Kontrollen festgestellt werden. „Über die tatsächliche Anzahl der Verstöße, ihre wirkliche Zu- oder Abnahme, sagt das also nicht viel aus.“

Wie nun kann sich eine Frau nachts gegen Übergriffe schützen?
Für das Selbstvertrauen und Sicherheitsgefühl könnten Kurse zur waffenlosen Selbstverteidigung hilfreich sein, so PD-Sprecher Thomas Knaup. „Aus polizeilicher Sicht gibt es aber keinen Grund zur übertriebenen Sorge, denn selbst in Wintermonaten oder lauen Sommernächten werden Frauen nicht gleich reihenweise Opfer einer Straftat, nur weil sie im Dunklen oder alleine unterwegs sind.“ Wichtig seien dagegen ein gesundes Bauchgefühl, ein selbstsicheres Auftreten und bei Gefahr der geübte Griff zum Mobiltelefon, um schnell die Polizei zu alarmieren.